Urteil mit weitreichenden Folgen?

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(dapd)

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Vor ein paar Wochen wirbelte ein Urteil viel Staub auf. Nach Jahren bekam ein Mieter recht, der sich juristisch gegen eine zu hohe Miete gewehrt hatte. Ist mit weiteren Klagen zu rechnen?

Die Suche nach Antworten auf diese Fragen landet unweigerlich bei einem wirtschaftlichen Grundsatz, dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Das regelt bekanntlich den Preis. „L’offre et la demande“, das Stichwort fällt häufig bei allen Beteiligten. 75 Prozent der Luxemburger sind laut Wohnungsbauministerium Eigentümer. In Miete zu wohnen, gehört nicht zur Kultur des Landes. Dementsprechend niedrig ist das Angebot. Öffentlich zugängliches Zahlenmaterial belegt das.

Unklare Gesetze sorgen für Spannungen am Immobilienmarkt (Foto:dpa)

In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat die Zahl der Studios, die zur Vermietung annonciert wurden, abgenommen. Gleichzeitig steigen die Preise bei den begehrten Ein- und Zweizimmerapartments, die 90 Prozent des Angebots ausmachen. So lassen sich die Erhebungen des „Observatoire de l’Habitat“, die vom Wohnungsbauministerium eingerichtete Beobachtungsstelle des Immobilienmarktes, interpretieren.

Wenig Beschwerden in 30 Jahren

Vor diesem Hintergrund kommen langjährige Mitglieder von Mietkommissionen wie der Bettemburger Gemeindesekretär Jean-Marie Mreches zu dem Schluss: „Die Leute sind froh, wenn sie ein Dach über dem Kopf haben, und zahlen“. Vor drei Jahren hat er seinen Sitz in dem kommunalen Gremium aufgegeben, in dem er 30 Jahre lang Mitglied war.

Viele „Demandes“ in der Sache hat es in den drei Jahrzehnten nicht gegeben. Mreches spricht von zwei, höchstens drei pro Jahr und von Jahren, in denen es gar keine Beschwerden gab. Deswegen rechnet er auch nicht damit, dass es nach diesem Urteil zu einer Welle von Klagen kommen werde.

Gesetzgebung hinkt hinterher

Das erstaunt umso mehr, als jeder weiß, dass die meisten Mieten sich nicht an die Fünf-Prozent-Regel halten. Ein Gesetz aus dem Jahr 2006 regelt, dass die Jahresmiete nicht mehr als fünf Prozent des „Capital investi“ betragen darf. Als Gründe dafür zitiert Mreches den „Druck des Marktes“ und eine Gesetzeslage, die den Realitäten hinterherhinkt. Gleiches tun auch staatlich vereidigte Sachverständige, wenn es um die Wohnsituation im Land, den Preis für Immobilien und die Bewertung derselben geht.

Im vorliegenden Fall hatte der Mieter eines 21 Quadratmeter großen Apartments in Bettemburg die Mietkommission seiner Gemeinde angerufen, weil er seiner Meinung nach zu viel Miete zahlt. Zwei Gutachten wurden in Auftrag gegeben, um die Immobilie zu bewerten.

Sieben Jahre juristischer Streit

Das erste bewertete den Wohnraum mit 90.000 Euro, ein zweites kam zu dem Schluss, dass das Apartment nur 32.000 Euro Wert sei. Bei dem Objekt handelt es sich um ein Haus, dass vererbt wurde und zuvor immer wieder aus- und umgebaut wurde. „Der Besitzer hat in Etappen angebaut, so, wie er Geld hatte“, sagt Mreches, in dessen Amtszeit bei der Loyers-Kommission der Fall fällt. Letztendlich reduzierte das Friedensgericht in Esch die Miete weit nach unten und verurteilte den Vermieter auf Rückzahlung von mehr als 20.000 Euro an den Mieter.

Das Verfahren hatte sieben Jahre in Anspruch genommen. „Wir haben keine gesetzlichen Regelungen zur Bewertung von Immobilien“, sagt Bertrand Schmit von „architecture und aménagement“ auf dem Plateau Altmünster in der Hauptstadt, den die unterschiedlichen Ergebnisse der Studien nicht wundern. „Das dürfte natürlich nicht sein“, sagt er, aber auch das gehorche den Gesetzen des Marktes. Außerdem hänge es entscheidend davon ab, wer die Gutachten in Auftrag gegeben habe. „Ich bin auch schon als dritter Gutachter eingeschaltet worden“, sagt Schmit und bestätigt, dass das häufiger vorkomme. Dennoch benennt Schmit, seit 32 Jahren als Architekt im Geschäft, Kriterien, die für eine Bewertung von Immobilien normalerweise herangezogen werden: Lage, Zustand und die Anbindung an die Hauptstadt.

„Wie ein Magnet“

Züge, Busse, Straßen, wie schnell die Hauptstadt zu erreichen ist und wie weit sie entfernt ist, sind entscheidende Standortvorteile, die sich bezahlt machen. Das bedeutet, überall dort, wo in die Verkehrsinfrastruktur investiert wird – Stichwort Nordstraße –, steigen automatisch die Preise. „Die Hauptstadt wirkt wie ein Magnet“, sagt Schmit.

Mreches, der sich als Gemeindesekretär sehr gut in den Gesetzen auskennt, stellt sich aber noch eine andere Frage. „Wie will man den Mietpreis binden?“, sagt er mit Blick auf fehlende gesetzliche Regelungen. Dem zuständigen Ministerium ist diese Frage ebenfalls nicht fremd. Dort wächst offenbar die Überzeugung, dass die Mieter hierzulande einen besseren Schutz verdient haben. Das zeigt die Antwort von Ministerin Maggy Nagel auf die parlamentarische Anfrage ihres Parteikollegen Guy Arendt, Député-Maire von Walferdingen. Es sei der richtige Zeitpunkt – nicht nur wegen des besagten Urteils – die Mieter in der Zukunft besser über ihre Rechte zu informieren.

Parlamentarier beschäftigt die Sache

Im Ministerium werde daran gearbeitet. Allerdings warte man den Ausgang des Berufungsverfahrens ab, dessen Urteil dann eventuell für bindende Regelungen im Hinblick auf Mietverhältnisse herangezogen werde. Dass es seit kurzem einen „Appel“ gibt, bestätigte Justizsprecher Henri Eippers auf Anfrage des Tageblatt.

Interessant werden dürfte die Sachlage auch dann wieder, wenn die Erhöhung der TVA ab 2015 ihre Wirkung entfaltet. Bei Neubauten, die nicht der Hauptwohnsitz sind, entfällt der reduzierte Mehrwertsteuersatz von drei Prozent. Zwar ist es oberste Priorität der Regierung, Mietwohnraum zu schaffen, aber die Maßnahmen dazu müssen anders aussehen. Die „TVA super-réduite“ sei nicht dazu geeignet, heißt es in der Antwort von Finanzminister Gramegna auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage zu dem Thema von Dienstag dieser Woche.