Unübersichtliche Situation führt zu Ausschreitungen

Unübersichtliche Situation führt zu Ausschreitungen
(Tageblatt-Archiv/Isabella Finzi)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am Mittwoch wurde der Prozess gegen sechs Teilnehmer des "March for Freedom" fortgeführt. Ein zum Prozessauftakt gezeigtes Video könnte man wie folgt zusammenfassen: Eine unübersichtliche Situation führte zu Ausschreitungen.

Die Aktivisten demonstrierten am 5. Juni 2014 auf der place de l’Europe auf Kirchberg im Rahmen einer Tagung der EU-Innenminister gegen die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Union. Der Prozess musste am 29. November 2016 wegen fehlendem Dolmetscher abgebrochen werden.

Kommunikation

Durch Verständnisschwierigkeiten zog sich der Prozess länger hin als notwendig. Einer der luxemburgischen Polizisten weigerte sich, seine Zeugenaussage auf Deutsch zu machen. Die Angeklagten hatten wiederum Probleme mit der Übersetzung von Luxemburgisch auf Deutsch. Zudem musste der Richter die Befragung mehrmals wegen Zwischenrufen unterbrechen.

Die rund 100 Aktivisten des „March for Freedom“ sind von Mai bis Juni von Straßburg nach Luxemburg gezogen, um gegen die Flüchtlings- und Asylpolitik zu protestieren. Einige Demonstranten versuchten am 5. Juni 2014 die Ministerkonferenz zu stürmen. Die Polizei griff ein und blockierte den Eingang des Gebäudes. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Aktivisten.

Video: zu Beginn alles ruhig

Zum Prozessbeginn wurde ein Video der Demo gezeigt. Das Filmmaterial zeigt den friedlichen Anfang der Demonstration vor dem Infrastrukturministerium: Die Protestler hielten Banner und Fahnen hoch und sangen. Die Polizisten schreiten durch die Menge. Die Situation wirkt kontrolliert und friedlich. Das Erscheinen neuer Polizisten löst etwas Tumult aus. Die Polizisten beginnen damit, einige Demonstranten hinter die Barrikaden auf der place de l‘ Europe zu bringen.

Polizeikommandant Daniel B. erklärt im Zeugenstand, dass die Beamten die Demonstranten mit Polizeitechniken hinter die Barrikaden brachten, um den Eingang zum Infrastrukturministerium freizuhalten. Die Situation wird chaotisch. Vereinzelt sind klammernde Demonstranten zu sehen. Die Polizei wendet Gewalt an. Viele Aktivisten sind bereits hinter den Barrikaden. Einige leisten passiven Widerstand und legen sich auf den Boden. Der Protest auf dem Vorplatz löst sich langsam auf. Es ist auf dem Video zu sehen, wie die Polizei Pfefferspray gegen die Aktivisten einsetzt. Wie Daniel B. erklärt, habe jeder Polizist das Recht, dieses Abwehrspray zu nutzen, wenn die Situation es erfordere. Dazu brauche es keine explizite Erlaubnis des Kommandanten. Der Einsatz von Tränengas-Granaten dürfe hingegen nur auf Anordnung geschehen.

„Allgemeine Tendenz zur Gewalt“

Im Video ist keine direkte Gewalt gegen die Polizisten zu sehen. In einem Filmausschnitt wirft einer der Aktivisten eine Flüssigkeit über die Barrikade. In der Annahme, dass von seiten der Demonstranten Reizgas eingesetzt wurde, haben die betroffenen Polizisten ihre Kleidung auf Spuren des Stoffs untersuchen lassen. Daniel B. spricht von einem „Gemisch“.

Hinter den Barrikaden formiert sich neuer Protest auf der place de l’Europe. Es ist zu sehen, wie die Aktivisten mit Hunden vom Platz ferngehalten werden. Die Situation wirkt immer chaotischer und immer mehr Polizisten beteiligen sich am Einsatz. Die Beamten drücken einige Demonstranten zu Boden und nehmen sie fest. Der Grund dafür ist laut Polizeikommandant Daniel B. Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Polizei. Seine Polizeikollegen berichten ihm über entwendete Polizeimützen, zerstörte Uniformen und die heftige Gegenwehr der Demonstranten. Manche der Uniformierten klagten ebenfalls über zerkratzte Arme.

Aktivisten: „Gewalt ging von Polizei aus“

Die Frage, ob der Kommandant Fußtritte und Beleidigungen der Protestler gegen die Beamten selbst mitbekommen habe, verneint er. Er habe aber eine allgemeine Tendenz zur Gewalt beobachten können, so der Zeuge. Zwei in den Zeugenstand gerufene Teilnehmer der Demo haben weder Beleidigungen noch Fußtritte gegen Polizisten mitbekommen. Die Gewalt ging laut beiden Zeugen eindeutig von der Polizei aus. Sie vermissten klare Anordnungen der Ordnungshüter, empfanden die Arbeit der Einsatzkräfte als „unprofessionell“.

Daniel B.erklärte das Chaos zum Teil mit der Aussage: „Meine Aufgabe war es, mit einer kunterbunt zusammengewürfelten Polizeitruppe einen koordinierten Einsatz zu leiten.“ Damit meint er, dass die Polizei auf diesen Einsatz nicht vorbereitet war. Laut Aussage des Kommandanten war der Protest nicht angekündigt. In Eile mussten andere Polizisten aus der Nähe herbeigerufen werden. Diese waren, wie auf dem Video zu sehen ist, in unterschiedliche Monturen gekleidet. Und es waren keine spezialisierten Kräfte mit Helm und Schild zu sehen.

Der Prozess geht am Donnerstag weiter.