Mittwoch26. November 2025

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Tankdiebe haben leichtes Spiel

Tankdiebe haben leichtes Spiel
(dpa)

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Wer im luxemburgisch-deutsch-französischen Grenzgebiet Sprit klaut, hat es einfach. Sobald er über die Grenze flieht, können ihn die Behörden nicht mehr ohne weiteres verfolgen.

Kriminelle im luxemburgisch-deutsch-französischen Grenzgebiet machen sich unterschiedliche Zuständigkeiten von Polizei und Justiz immer dreister zunutze. Ein Beispiel ist Norbert Schach. Seit 16 Jahren Tankstellenpächter in Saarlouis im Saarland. Seine Tankstelle ist keine 50 Meter entfernt von der Autobahnauffahrt zur A620, Fahrzeit nach Frankreich: zehn Minuten.

„Zweimal pro Woche kommen die“, sagt Schach. Er meint Fahrer Mitte Zwanzig, in Autos mit französischen Kennzeichen, die tanken – und dann einfach verschwinden. „Stammkunden“ nennt Schach sie, obwohl sie nicht zahlen. Trotz Farbbilder von sechs Kameras sind die Täter meist nicht zu ermitteln. Grund: Die Kennzeichen sind oft gestohlen oder verfälscht.

„Die tanken in aller Ruhe“

Noch vor Jahren vermummten sich Täter etwa mit schwarzen Kapuzen. Sie fuhren am späten Abend oder in der Nacht vor, tankten mit laufendem Motor und verließen die Tankstelle mit Vollgas. Heute sind sie kaum von ehrlichen Kunden zu unterscheiden. „Das ist eine neue Generation von Wegfahrern“, sagt Schach. „Die tanken in aller Ruhe und grinsen in die Kamera. Die Hemmschwelle ist total gefallen.“ Den Anstoß gebe weniger die gestiegenen Benzinpreise, mehr die Lage im Grenzgebiet, glaubt Schach.

Laut dem Dezernatsleiter des Saarbrücker Landeskriminalamts für internationale Polizeiarbeit, Wolfgang Gärtner, kommen Täter aus Frankreich und Luxemburg insbesondere für Drogenhandel, Tankbetrug, Raubüberfälle und Wohnungseinbrüche nach Deutschland, bevor sie wieder über die Grenze fliehen. „Aber das bewegt sich auf beiden Seiten“, betont er. Sind die Kennzeichen gestohlen, ist die Chance gering, die Täter zu fassen. Und das sei „sehr häufig“ der Fall.

Tausende Euro Verlust im Jahr

Die Polizei – selbst wenn sie dem flüchtenden Auto direkt folgen kann – darf die Benzindiebe nicht bis nach Frankreich verfolgen. Damit die deutsche Polizei einem Flüchtigen über die französische Grenze hinaus nacheilen darf, muss es sich um ein schwerwiegendes Delikt handeln, ein Sexualverbrechen etwa, Tötungsdelikt, Drogen-, Sprengstoff- oder Waffenhandel.

Bei Schach sind unter 4000 Kunden pro Woche zwei Wegfahrer, macht über 100 Wegfahrer und damit knapp 10.000 Euro Verlust pro Jahr – allein an Schachs Tankstelle in Saarlouis. Andere Tankstellen an und auf der Autobahn nach Frankreich beklagen ähnliche Verluste, auch in Luxemburg.

Komplizierte Regeln in den Ländern

Die grenzüberschreitende Verfolgung ist schwierig, wegen der unterschiedlichen Regelungen der Nachbarstaaten. Jedes Land hat eigene Regeln, was Befugnisse für Polizisten aus Nachbarländern betrifft. Benzindiebstahl dürfen deutsche Beamte nicht in Frankreich verfolgen, auch nicht Sachbeschädigung oder Körperverletzung.

In Luxemburg muss die deutsche Polizei die Verfolgung nach zehn Kilometern aufgeben, in diesem Bereich darf sie einen Verdächtigen auch festnehmen. Auf deutschem Boden dürfen sämtliche Nachbarstaaten ihre Verdächtigen selbst bei einfachen Delikten verfolgen und festnehmen.

„Jeden Schritt schriftlich einleiten“

Das gemeinsame Zentrum der Polizei- und Zollzusammenarbeit in Luxemburg (GZPZ) soll den Informationsaustausch zwischen den Behörden und Nationen optimieren. Es ist das einzige Zentrum der grenzüberschreitenden Polizeizusammenarbeit, in dem vier Nationen kooperieren. Außerdem gibt es ein deutsch-französisches Zentrum in Kehl am Rhein. Seit 1999 hat es allein in diesem Zentrum über 100.000 Verfahren gegeben.

Verbesserungswürdig ist laut Gärtner vor allem die Bürokratie. „Flieht der Täter nach Frankreich, müssen wir die französischen Kollegen bitten, für uns zu ermitteln und jeden einzelnen Schritt schriftlich einleiten: Fahndung, Durchsuchung, Verhör, Prozess.“ Durch die Kommunikation über Staatsanwälte bedeutet jeder Schritt zwei Tage Verzug. „Es ist alles sehr formell und langwierig. Vielleicht gibt es irgendwann ein einheitliches europäisches Strafgesetzbuch und mehr Wir-Bewusstsein.“