Tag der Entscheidung für Junckers Team

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(dpa)

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Erstmals in seiner Geschichte stimmt das EU-Parlament heute (Mittwoch) über eine EU-Kommission ab, deren Chef als Spitzenkandidat bei der Europawahl angetreten ist.

Die Bestätigung der neuen EU-Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker in Straßburg gilt als sicher, da er auf die Unterstützung der beiden großen Parteienfamilien setzen kann. Die größte Fraktion im Parlament, die Europäische Volkspartei, hatte den Luxemburger bei der Europawahl als ihren Kandidaten für das Brüsseler Spitzenamt ins Rennen geschickt.

Zuletzt musste Juncker sein Kommissionsteam noch kurzfristig umbesetzen, da die slowenische Kandidatin Alenka Bratusek im EU-Parlament durchgefallen war. Die von Slowenien nachnominierte Violeta Bulc soll künftig das Verkehrsressort in der Brüsseler Behörde leiten.

Der neue EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat einige prominente Politiker in seinem Kollegium, das am 1. November den Dienst antreten soll. Das Europaparlament soll am Mittwoch über das Spitzengremium abstimmen. Ein Überblick:

Jyrki Katainen (43) – Der frühere finnische Regierungschef ist einer der Vizepräsidenten, zuständig unter anderem für Jobs und Wachstum. Sein Meisterstück soll das von Juncker annoncierte Investitionspaket mit einem Umfang von 300 Milliarden Euro werden. Der Konservative mit dem korrekten Mittelscheitel sitzt schon seit einigen Monaten in der Kommission, da er seinen Landsmann Olli Rehn als Wirtschafts- und Währungskommissar ersetzte.

Pierre Moscovici (57) – Der sozialistische Ex-Finanzminister aus Paris muss als neuer Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, Steuern und Zoll künftig eng mit Katainen zusammenarbeiten. In Brüssel stellen sich viele die Frage, ob das gut geht. Moscovici steht von Anfang an im Rampenlicht. Denn er ist für die europäischen Defizitregeln verantwortlich, die sein Heimatland seit Jahren bricht.

Johnatan Hill (54) – Der britische Konservative mit dem Titel eines Lords musste sich im Europaparlament gleich zwei Anhörungen stellen, da es erhebliche Kritik gegen ihn gab. Lobbyismus, so lautete der Hauptvorwurf gegen den Finanzmarktkommissar. Er versprach daraufhin: „Ich werde mich anständig verhalten.“ Selbst Kritiker gestehen dem Adeligen zu, charmant zu sein.

Federica Mogherini (41) – Die Vertraute des dynamisch auftretenden italienischen Regierungschefs Matteo Renzi tritt ein schwieriges Erbe an. Als EU-Außenbeauftragte weckte die mitunter barsche Vorgängerin Catherine Ashton nicht überall Sympathien. Kritiker, die der Sozialdemokratin Mogherini mangelnde Erfahrung vorwarfen, sind inzwischen weitgehend verstummt. Sie kann auch gegenüber Moskau hart auftreten.

Günther Oettinger (61) – Der Regierungschef aus Baden-Würtemberg war bisher Energiekommissar und vermittelt sachkundig im Gasstreit zwischen Moskau und Kiew. Künftig wird er das Ressort Digitalwirtschaft führen. Seine Äußerung im Parlament zu öffentlich gewordenen Nacktbildern Prominenter („Wenn jemand so blöd ist und als Promi ein Nacktfoto von sich macht und ins Netz stellt…“) waren nicht Jedermanns Sache.

Cecilia Malmström (46) – Die liberale Schwedin soll als Handelskommissarin das umstrittene TTIP-Abkommen mit den USA abschließen. Es wird keine leichte Aufgabe sein, die 28 Mitgliedstaaten bei diesem Reizthema unter einem Dach zu halten. Die bisherige Innenkommissarin wird respektiert, da sie auch in schwierigen Lagen kein Blatt vor den Mund nimmt.

Miguel Arias Cañete (64) – Der Kommissar für Klimapolitik und Energie war heftiger Kritik ausgesetzt, weil er bis vor kurzem Anteile an Ölfirmen hielt. Die Wogen glätteten sich, nachdem der Rechtsausschuss des EU-Parlaments keine Bedenken erhob. Nach Ansicht von Kritikern gibt es aber weiter Fragen zu Interessenkonflikten.

Violeta Bulc (50) – Die slowenische Entwicklungsministerin kam als Ersatzkandidatin in die Juncker-Kommission, da ihre Landsfrau Alenka Bratusek nach Widerstand im EU-Parlament das Handtuch geworfen hatte. Sie soll das Transportressort leiten.

Frans Timmermans (53) – Er ist so etwas wie der neue Supermann in Brüssel. Bei seiner Parlamentsanhörung parlierte der Sozialdemokrat fließend in einer Handvoll Sprachen. Der bisherige niederländische Außenminister soll als „Erster Vizepräsident“ Junckers rechte Hand werden und unter anderen die Bereiche Rechtssetzung und EU-Grundrechtecharta leiten.

Margrethe Vestager (46) – Die Dänin erbt den wichtigsten Brüsseler Wettbewerbsfall – den gegen den Suchmaschinenbetreiber Google. Die ehemalige dänische Wirtschaftsministerin hat bereits angekündigt, als Wettbewerbskommissarin hart gegen den US-Riesen vorzugehen: «Es wird nächste Schritte geben.» Dabei geht es um den Vorwurf, Google benachteilige Konkurrenten wie Medienunternehmen und Onlinedienste in seiner Suchmaschine.

Jean-Claude Juncker (59) – Der christsoziale Luxemburger ist einer der prominentesten Euro-Retter. Er führte das Großherzogtum 18 Jahre lang als Premierminister. Teilnehmer unzähliger EU-Gipfel und Euro-Krisentreffen, kennt er wie kaum einer anderer die Brüsseler EU-Maschinerie. Nun muss er beweisen, dass er als Präsident eine schwer zu führende EU-Kommission in den Griff bekommt. Juncker bekam bereits die Rückendeckung des Parlaments im Juli.