„Schlimmer als unter Mubarak“

„Schlimmer als unter Mubarak“
(AFP)

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Die neue Militärführung in Ägypten ignoriert aus Sicht von Amnesty International die Menschenrechte. Die Verstöße seien teils schwerer als zu Mubaraks Zeiten.

In Ägypten halten die blutigen Proteste gegen den herrschenden Militärrat an. Auch nach dem Rücktrittsangebot der Übergangsregierung harrten in der Nacht zum Dienstag wieder tausende Demonstranten auf dem Kairoer Tahrir-Platz aus und forderten die Ablösung von Militärratschef, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi. Es wird wieder von zahlreichen Verletzten gesprochen.

Unterdessen erhebt Amnesty International schwere Vorwürfe gegen die Militärführung: In Ägypten würden die Menschenrechte heute teilweise stärker mit Füßen getreten als zu Zeiten des gestürzten Staatschefs Husni Mubarak, heißt es in einem aktuellen Bericht der Organisation.

Dialog

Nach dreitägigen Protesten mit 33 Toten und tausenden Verletzten rief der Militärrat am späten Montagabend alle politischen Kräfte des Landes zum Dialog auf. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete, wurden die Bürger in der Erklärung aufgefordert, Ruhe zu bewahren, um eine Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses sicherzustellen.

Zugleich habe der Militärrat sein „tiefes Bedauern“ über die Opfer der letzten Tage geäußert. Außerdem sei die Einrichtung einer Kommission zur Untersuchung der gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften angekündigt worden.

Rücktritte

Die Übergangsregierung von Ministerpräsident Essam Scharaf hatte am Montagabend ihren Rücktritt eingereicht. Offen blieb jedoch, ob der Militärrat den Rücktritt akzeptieren wird. Ein Militärsprecher sagte der regierungsnahen Nachrichtenwebsite „Al-Ahram Online“, der Rat habe noch keine Entscheidung gefällt. Angeblich wollen die Generäle erst einen neuen Ministerpräsidenten suchen, bevor sie Scharaf und seine Mannschaft ziehen lassen.

Bereits vor dem Rücktrittsangebot der Regierung hatte Kulturminister Emad Abu Ghasi aus Protest gegen den Umgang mit den Demonstranten sein Amt niedergelegt. Er werde diese Entscheidung nicht zurücknehmen, sagte Ghasi „Al Ahram“.

Verfassung

Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz fordern vom Militärrat eine schnellere Übergabe der Verantwortung an eine zivile Regierung. In Ägypten wird vom kommenden Montag an in drei Phasen ein neues Parlament gewählt. Anschließend soll das Land eine neue Verfassung bekommen.

Auch am Montag dauerten die gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften an. Immer wieder waren rund um den Tahrir-Platz Schüsse zu hören. Von Gummigeschossen verletzte Demonstranten wurden in Krankenhäuser gebracht.

Unfair

Amnesty International wirft dem Militärrat vor, friedliche Proteste regelmäßig gewaltsam aufzulösen. Außerdem sei in den vergangenen Monaten mehr als 12.000 Zivilisten vor Militärgerichten ein unfairer Prozess gemacht worden, heißt es in dem 62 Seiten langen Bericht. Folter gehöre ebenfalls zu den Methoden des Militärs.

„Die neuen Machthaber haben einfach die Tradition der Unterdrückung aus der Mubarak-Ära fortgesetzt“, sagte Henning Franzmeier, Ägypten-Experte bei Amnesty International. Das ägyptische Militär sei dem Versprechen, die Menschenrechte zu achten, in keiner Weise nachgekommen. „Ganz im Gegenteil. Die Menschenrechtslage ist in einigen Fällen sogar schlechter als früher“, sagte Franzmeier.

Der Militärrat hatte die Macht in Ägypten im Februar nach dem Sturz von Langzeitherrscher Mubarak übernommen. Auch diesem Machtwechsel waren wochenlange Proteste auf dem Tahrir-Platz vorausgegangen.