RTL-„Machtmissbrauch“

RTL-„Machtmissbrauch“
(Tageblatt-Archiv/Hervé Montaigu)

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Die Journalistin Josée Hansen widmet in der Ausgabe des "Lëtzebuerger Land" dieser Woche eine Seite der Affäre Lunghi/RTL. Oder richtigerweise: dem "System" RTL. Der Titel lässt keine Zweifel aufkommen: "Abus de pouvouir" – Machtmissbrauch.

Das Ganze natürlich im Rahmen der Affäre, doch die Analyse von Josée Hansen, die bis vor kurzem noch im Verwaltungsrat des Mudam tagte, greift weiter. Zusammenfassen lässt sie sich wie folgt, in einer kleinen Bilderzeile. Unter einem Foto eines dunkel gekleideten Kameramanns mit einer schwarzen Kamera und einem leuchtend roten Mikrofon heißt es: „Jusqu’ici, le micro rouge de RTL Lëtzebuerg conférait un pouvoir immédiat à celui qui le tint et à celui qui s’y prononca.“ Diese Priorität für die, die etwas loswerden wollen, gibt es oft im Journalismus – Kamera vor Radiomikrofon vor Print – und also auch im Besonderen in Luxemburg für RTL. Wo die übermächtige Stellung von RTL und die geringe Größe des Landes diese Situation natürlich noch zuspitzen.

Nachdem Hansen die Affäre kurz resümiert hat und mit der Feststellung schließt, dass sich Enrico Lunghi noch beim Interviewtermin entschuldigt habe – wie aus dem Rohmaterial ersichtlich sei –, geht sie zunächst auf die 20-jährige „Success Story“ der Sendung von Marc Thoma, „Den Nol op de Kapp“, ein. „Beaucoup de gens, téléspectateurs, politiques et journalistes de RTL l’estiment poujadiste, populiste, voire démagogique, mais les taux d’audience élevés et l’amitié personnelle qui lie Marc Thoma à Alain Berwick lui ont toujours sauvé la peau“, schreibt Josée Hansen.

„Stellvertreterkrieg“

Der RTL-Direktor habe, „nach übereinstimmenden Quellen“, die Ausstrahlung des geschnittenen Interviewberichts am 3. Oktober angeordnet. Wieso, das sei absolut unklar. Chefredakteur Alain Rousseau und Kulturchefin Caroline Mart seien jedenfalls strikt dagegen gewesen, so der Artikel weiter. Die Journalistin geht dann auf den „Stellvertreterkrieg“ ein, den Marc Thoma ihrer Darstellung nach führt: Seitdem seinem Film „D’Engelcher vu Schëndels“ 2013 eine Unterstützung durch den Luxemburger Filmfonds versagt geblieben war, würde Thoma gegen das Kultur-„Establishment“ in Luxemburg zu Felde ziehen.

Hansen beschäftigt sich dann mit Deontologie und Verhaltensregeln. Hier besonders interessant: eine Passage aus dem „Code de bonne conduite“ von Bertelsmann/RTL Group: „Les cadres dirigeants de l’entreprise ne doivent pas interférer dans les décisions éditoriales ni contrarier l’indépendance de notre personnel éditorial.“ Wenn also der Vorwurf stimmen würde, dass Alain Berwick die Ausstrahlung über die Chefredaktion hinweg angeordnet hätte, hätte der Direktor vor allen anderen möglichen Problemen zunächst mal ein internes, gegenüber seinem Arbeitgeber.

„Königsmacher“

Die einzige Sitzung, die Berwick richtig „Angst“ machen würde, wäre Hansen zufolge demnach die kommende Verwaltungsratssitzung der CLT-Ufa sowie eine etwaige Entscheidung durch das Management der RTL Group.

Josée Hansen geht dann noch auf Zuschauerschwund und Anzeigenrückgang bei RTL ein, ehe ihr Fazit wieder an die eingangs dieses Artikels getroffene Feststellung anknüpft. Vielleicht sei diese Episode ja nur ein Phänomen des einheimischen Medien- und Polit-Mikrokosmos. Wenn die Grenzen zwischen erster, zweiter und der sog. vierten Macht im Staat nämlich so durchlässig seien, dass man „als früherer Journalist oder Moderator bei RTL gleich Minister, Staatssekretär, Abgeordneter oder Berater des Premierministers werden kann, dann ist es vielleicht normal, seine Distanz zur politischen Macht zu verlieren. Mit der immer noch sehr großen Reichweite ist RTL oft ‚Königsmacher‘ und unumgänglicher Gesprächspartner der Politiker. Und denkt von sich, es ist die Macht.“