Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi kündigte die Entlassung des für die Polizei zuständigen Innenministers Rafik Belhaj Kacem sowie die Freilassung aller im Zusammenhang mit den Unruhen festgenommenen Demonstranten an. Im Zentrum der tunesischen Hauptstadt Tunis kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften.
In Tunis sei die Lage dabei, sich zu entflammen, berichtete am Freitag eine Einwohnerin der Hauptstadt. „Die Bevölkerung will nicht länger eine Geisel ihrer Angst sein. Es sind nicht nur die arbeitssuchenden Studenten, die protestieren, sondern die ganze Bevölkerung: Menschen allen Alters und aus allen sozialen Schichten. Die weltweite Krise hat unser Land, wie den Rest der Welt hart getroffen, aber der Bruch kommt von der Korruption, von den Freiheiten die nicht respektiert werden, von der Angst vor Repressalien, von der Willkür …“, sagte die Frau, die anonym bleiben möchte gegenüber dem Tageblatt.
Seit einigen Tagen, müsse sie sich den Fragen ihres neunjährigen Sohnes stellen, der die Lage verstehen wolle. „Sind wir im Krieg? Gegen welches Land?“, fragt der Nachwuchs. „Was soll man einem Kind antworten, wenn die eigene Polizei auf Studenten, Künstler, Anwälte, Journalisten, Intellektuelle schießt?“, fragte die ratlose Frau.
M.CL.
Wie eine AFP-Reporterin berichtet, ging die Polizei mit Tränengas gegen hunderte junge Menschen vor, die Parolen gegen die Regierung riefen. Die Polizisten drängten auch Passanten in kleine Nebenstraßen ab. Die Demonstrationen hatten in der Nähe der Gewerkschaftszentrale begonnen, sie wurden jedoch auf ihrem weiteren Weg von der Polizei behindert.
Soldaten in der Hauptstadt
Die Armee hatte am Morgen erstmals seit Beginn der sozialen Unruhen in Tunesien auch in der Hauptstadt Stellung bezogen. Die Proteste gegen die Massenarbeitslosigkeit in dem nordafrikanischen Land hatten Mitte Dezember begonnen, nachdem sich ein junger arbeitsloser Akademiker selbst angezündet hatte, der später seinen Verletzungen erlag. Seitdem liefern sich Demonstranten, Polizei und Armee in verschiedenen Teilen des Landes immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen.
Am Mittwoch wurden bei Unruhen im Süden des Landes zwei Männer im Alter von 27 und 35 Jahren erschossen. Nach Augenzeugenberichten eröffnete die Polizei das Feuer auf Demonstranten im Ort Douz etwa 500 Kilometer südlich von Tunis. Auch im Küstenort Sfax kam es zu Demonstrationen. Über die Opferzahlen gehen die Angaben weit auseinander. Die Regierung sprach am Dienstagabend von 21 Toten, Gewerkschafter gehen von 50 Toten seit dem Wochenende aus.
Schulen und Universitäten wurden aus Sicherheitsgründen geschlossen. Am Abend dekretierte die Regierung eine Ausgangssperre in Tunis.
De Maart

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