Polizei in Istanbul zieht sich zurück

Polizei in Istanbul zieht sich zurück
(AP)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Nach mehrtägiger Konfrontation mit Demonstranten in Istanbul hat sich die türkische Polizei am Samstag vom zentralen Taksim-Platz zurückgezogen.

Tausende Protestteilnehmer rückten daraufhin auf den Platz vor, wie AFP-Korrespondenten berichteten. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan forderte ein sofortiges Ende der Proteste, räumte aber ein, dass die Polizei in einigen Fällen „extrem“ reagiert habe.

Am Samstag hatte es in der Millionenmetropole zunächst den zweiten Tag in Folge heftige Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei gegeben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von mehr als 100 Verletzten. Zwölf von ihnen wurden nach Behördenangaben im Krankenhaus behandelt. Schon in der Nacht zum Samstag nahm die Polizei nach eigenen Angaben 63 Menschen fest.

Proteste gegen Park-Umgestaltung

Die Proteste richteten sich unmittelbar gegen die Umgestaltung des Gezi-Parks unweit des Taksim-Platzes, inzwischen aber auch gegen die Regierung. Die Kritiker prangern vor allem einen zunehmend konservativen und autoritären Regierungsstil an.

Rund um den Taksim-Platz setzte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer ein. Die Demonstranten reagierten mit Steinwürfen. Inzwischen griffen die Proteste auf andere türkische Städte über. In Ankara verhinderte die Polizei einen Protestzug zum Parlament und dem Büro des Ministerpräsidenten. Die Demonstrationen sind eine der größten Protestbewegungen gegen Erdogan seit seinem Amtsantritt 2002.
Nach dem Rückzug der Polizei am Samstagnachmittag strömten tausende Demonstranten erneut auf den Platz und forderten Erdogans Rücktritt. Sie riefen unter anderem Parolen wie „Wir sind hier Tayyip, wo bist du?“ und „Rücktritt der Regierung“.

Erdogan verteitigt Bauvorhaben

Erdogan hatte zunächst noch erklärt, die Polizei werde am Wochenende auf dem Platz bleiben. Zugleich bekräftigte er, an dem Bauvorhaben im Gezi-Park festzuhalten. Er räumte aber auch Fehler ein: „Es stimmt, dass es Fehler und extreme Aktionen bei der Reaktion der Polizei gab.“ Das Innenministerium kündigte rechtliche Folgen für Polizeibeamte an, die „unverhältnismäßig“ agierten.

Präsident Abdullah Gül rief zur Ruhe und Besonnenheit auf. Die Proteste hätten ein „besorgniserregendes Niveau“ erreicht. Von der Polizei verlangte er eine „angemessene“ Reaktion.

Internationale Reaktionen zum Polizeieinsatz

Europaparlaments-Präsident Martin Schulz (SPD) bezeichnete das Polizeivorgehen als „völlig unangemessen“. Das britische Außenministerium forderte die Behörden zur Zurückhaltung auf. Das US-Außenministerium forderte „Garantien für die freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit“.

Der syrische Informationsminister Omran al-Sohbi warf den türkischen Behörden vor, in „terroristischer“ Weise gegen das Volk vorzugehen. Erdogan forderte er zum Rücktritt auf. In dem in Syrien herrschenden Bürgerkrieg unterstützt die Türkei die gegen die Regierung kämpfenden Rebellen. Die Türkei nahm zudem bereits 400.000 syrische Flüchtlinge auf.