Paukenschlag in Wien – Neuwahlen wahrscheinlich

Paukenschlag in Wien – Neuwahlen wahrscheinlich
(AFP)

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In Österreich ist der Chef der konservativen ÖVP zurückgetreten. Das könnte die hoffnungslos mit der SPÖ zerstrittene Koalition endgültig sprengen. Die Folge wären Neuwahlen. Die rechte FPÖ lauert nur darauf. Unsere Analyse.

Österreichs Vizekanzler und Parteichef der konservativen ÖVP, Reinhold Mitterlehner, hat seinen Rückzug von all seinen Ämtern angekündigt. „Ich finde, es ist genug“, sagte der 61-Jährige am Mittwoch in Wien.

Das ist auch für den Rest Europas nicht unerheblich. Es drohen Neuwahlen – und bei denen dürfte die rechte FPÖ ein gehöriges Wörtchen mitreden.

Europas Wahlen mit Rechtsdrang

Ende vergangenen Jahres ging es los. Der Grüne Alexander Van der Bellen verhinderte mit seinem Wahlsieg in Österreich gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer den ersten rechtsextremen Staatschef in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Europa zitterte zu dem Zeitpunkt aber weiter vor der rechten Welle. Die Wahlen in den Niederlanden und besonders in Frankreich warfen ihre Schatten bereits voraus. Dann kam in Holland Geert Wilders im März nicht auf sein erhofftes Wahlergebnis. Am vergangenen Sonntag verlor der Front National mit Kandidatin Marine Le Pen sein Rennen um die französische Präsidentschaft.

Wenn zwei sich streiten, freuen sich die Rechten

Das Aufatmen in allen Ecken Europas war quasi hörbar: Das Superwahljahr 2017 schien ohne den von vielen befürchteten Rechtsruck über die Runde zu gehen (in Deutschland, das im September wählt, glaubt keiner ernsthaft an einen Wahlerfolg der AfD).

Nun machen es ausgerechnet die Österreicher wieder spannend. Mit dem Rücktritt am Mittwochvormittag von ÖVP-Chef Mitterlehner droht die seit längerem heillos zerstrittene Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen unter SPÖ-Kanzler Christian Kern endgültig auseinanderzufliegen. Damit wären Neuwahlen nicht mehr ausgeschlossen, wenn nicht sogar wahrscheinlich. Und für diese scheint besonders eine Partei besonders gewappnet: die extrem rechte FPÖ, die in den letzten Umfragewerten beliebteste Partei in der Republik.

Asselborns rechtskonservatives Gegenstück in Europa

Mitterlehner erklärte bei seiner Rücktritts-Pressekonferenz, er wolle „kein Platzhalter“ sein. Diese Aussage ist gemünzt auf seinen Parteikollegen Sebastian Kurz. Der 30-jährige Außenminister, der in Sachen europäische Flüchtlings- und Türkeipolitik quasi das rechtskonservative Gegenstück von Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn in Europa ist (siehe auch Exklusiv-Interview im Tageblatt vom Mittwoch, den 10. Mai), wird als neuer ÖVP-Chef gehandelt, wiegelt selber aber ab. Kurz behauptet, die Partei zum derzeitigen Zeitpunkt nicht übernehmen zu wollen.

Nach dem ÖVP-Chef trat auch Kanzler Kern am Mittwochmittag kurz vor die Presse. Er bedauere die Entscheidung Mitterlehners, so Kern. Doch so sehr er Mitterlehners Entscheidung bedauere, so sehr müsse gearbeitet werden. „Ich biete daher der ÖVP und Sebastian Kurz eine Reformpartnerschaft für Österreich an“, sagte Kern. Man dürfe sich „von eingefahrenen Strukturen nicht behindern lassen“, so Kern weiter. Sein Ziel sei es, gemeinsam für Österreich weiterzuarbeiten.

Stark unter Druck

Mitterlehner war innerhalb seiner Partei zuletzt stark unter Druck geraten. Am Wochenende soll die ÖVP nach seinen Aussagen die Nachfolge regeln. Demnach legt er kommenden Montag offiziell seine Funktion als Vizekanzler und Wirtschafts- und Wissenschaftsminister nieder. Mitterlehner übernahm im Sommer 2014 die ÖVP. Die schlechter werdenden Umfragewerte in der Bevölkerung konnte er nicht stoppen.