Sonntag9. November 2025

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„Panne am Schubhebel unmöglich“

„Panne am Schubhebel unmöglich“
(Tageblatt)

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LUXEMBURG - Fortsetzung des Luxair-Prozesses am Montag: Die beiden französischen Flugzeug-Experten schließen eine technische Panne am Schubhebel aus.

Vor einer Woche hatten Vincent Favé und Richard Tavernier die Resultate ihrer Analyse zu dem Absturz vor Gericht vorgestellt. Richter Prosper Klein fragte die beiden Experten, ob an den Hebeln unübliche Abnutzungserscheinungen festgestellt wurden. Favé verneinte und widersprach Claude Guibert, dem Gutachter der Verteidigung des Piloten Claude Poeckes.

Eine technische Panne als einzige Unfallursache sei höchst unwahrscheinlich. Es hätte eine höchst „erstaunliche“ Serie von technischen Ausfällen geben müssen, betonte Favé. Man hätte das Flugzeug jedoch bei der Wartung für flugtauglich erklärt und auch nach dem Crash keine Zeichen für eine solche Pannenserie gefunden.

„Kulturelles Problem“

Drei Fehlfunktionen am Propeller links und drei Pannen beim Propeller rechts zur selben Zeit sei statistisch unmöglich, erklärt der Experte weiter. Anstatt den linken Motor abzuschalten hätte der Pilot besser daran getan den Schub einfach wieder zu erhöhen. Er hätte das Flugzeug dadurch einfacher unter Kontrolle bekommen und das Blockieren der Propeller verhindert. Ohne Manipulierung des Schubhebel könnten die Propeller sich nicht unabhängig voneinander verschieben.

Laut Favé sei verständlich, dass die meisten Fluggesellschaften die sogenannten „Service-bulletins“, die nicht obligatorisch waren, nicht umgesetzt hätten. Man befand sich 1994 in einer Zeit, wo der technische Fortschritt sehr schnell voranschritt, erinnert der Experte. Alles was nicht verbindlich war, wurde nicht umgesetzt. Es sei ein „kulturelles“ Problem, unterstreicht Favé. Sein Kollege, Richard Tavernier, bekräftigte diese Aussage.

Reine Spekulationen

Der Anwalt von Claude Poeckes (Pilot) fragte, ob es bewiesen sei, dass keine technische Panne vorliegt. Die verschiedene Position der Propeller zeige, dass etwas schief gelaufen sei, so der Gutachter, der immer noch nicht an ein technisches Versagen glaubt. Was genau passiert sei, darüber könne man nur spekulieren. Er habe aufgrund seiner Beobachtungen und der Aufzeichnungen seine Schlussfolgerungen gezogen, betonte Favé.

Auf die Frage des Anwalts, ob man den Leitstrahl „von oben“ schneller erfassen könne, antwortete Favé, dass es technisch möglich sei, aber nicht bei einem Landeanflug der Kategorie 2 (Nebel). Ein anderer Anwalt der Verteidigung wollte wissen, ob die Fluggesellschaften und vor allem die Piloten wussten, welche Stücke bei einer Wartung oder Reparatur in ihr Flugzeug eingebaut würden. Luxair war Mitglied eines sogenannten „Poolings“ von mehreren Airlines, die ihre Teile vom selben Zulieferer erhielten. Es wurde darauf geachtet, dass technisch konfome Teile verbaut wurden. Jede Abweichung oder vom Gesetz eingeführte Veränderung wurde den Fluggesellschaften sofort mitgeteilt, so der Gutachter.

Neue Bauteile

Die Piloten wüssten jedoch nur sehr selten, welche Teile in ihren Flieger integriert wurden. „Kann es nicht sein, dass modifizierte Stücke in einige Flugzeuge eingebaut wurden?“ (Anwalt). „Nein. Die Zulieferer befolgen immer die Bestellungen der Airlines“, entgegnete Favé.

Über das etwaige Fehlverhalten der Piloten gefragt, wiederholte der Experte, dass es nicht realistisch gewesen sei, die Motoren abzuschalten. Die Crew hätte einige nur schwer nachvollziehbare Aktionen unternommen.

Verbindliche Regeln

Gab es nicht Schwierigkeiten mit den notwendigen Sicherheitsbestimmungen, wollte eine andere Anwältin wissen. Bei der Erteilung der notwendigen Genehmigungen hätte es kein Problem gegeben, entgegnete der französische Gutachter. Es gebe EU-Regelungen, die man respektieren müsse. Die Fluggesellschaften seien für die Sicherheit ihrer Flugzeuge verantwortlich. Die Einhaltung der verbindlichen Regeln werden von den nationalen Kontrollinstanzen überwacht.

Der „Nicht-Einbau“ der von Fokker 1994 vorgeschlagenen Zusatzsicherung hätte die Flugtauglichkeit des Fliegers nicht beeinflusst, unterstrichen die Gutachter. Sie seien ohnehin nur optional gewesen. Der Einbau der Zusatzsicherungen hätte den Unfall verhindern können, gab der Experte jedoch zu. Hätte man sich durch ein spezielles Training auf eine Notlage, wie sie am 6. November 2002 auftrat, vorbereiten können? Im Flugsimulator von Maastricht werden nicht unbedingt alle Notlagen vollzogen, so Favé. Es würden nur die Funktionalitäten einer Fokker 50 während des Fluges angestellt. Deshalb sei die Einhaltung der Flugregeln so wichtig.

Sehr leistungsstark

Hätte eine bessere Aufzeichnung der Flugparameter nicht helfen können, das Unglück zu verhindern, wollte ein weiterer Anwalt wissen. Vielleicht. Aber das im Fokker verbaute System sei schon sehr leistungsstark gewesen, erklärte der Gutachter.

Ob das Abschalten der Motoren nicht auf Vorbereitungen für eine Notlandung hinweise, wollte seinerseits der Rechtsbeistand der Nebenkläger wissen. Das Abschalten der Motoren reduziere nämlich das Feuerrisiko. „Nein, dafür gibt es in den Aufzeichnungen keinen Hinweis“, antwortete Favé. Er erklärt auch, dass die Fokker 50 kein System für das Ablassen von Kerosen habe. Dafür hätte man auch mehr Zeit benötigt. Es wäre eher eine spontane Reaktion der Crew gewesen, als sie merkte, dass das Motorengeräusch sich plötzlich veränderte.

Am Dienstag wird der Prozess mit den Aussagen der Experten sowie weiterer Zeugen fortgesetzt.