Nordkoreas Trotzreaktion

Nordkoreas Trotzreaktion
(Wong Maye-e)

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Handelt Nordkoreas Machthaber irrational? Mit seinen Raketen- und Atomtests fordert er nicht nur die USA, sondern auch die internationale Staatengemeinschaft heraus.

Zufall oder Absicht? Auf die ersten 100 Tage im Amt von US-Präsident Donald Trump hat Nordkorea am Samstag eine ganz spezielle Antwort parat gehabt. Nicht einmal 24 Stunden nach der Warnung Trumps vor einer „großen, großen Katastrophe“ im Atomstreit mit Nordkorea unternahm das Land einen weiteren Raketentest. Auch dieser Test scheiterte nach Angaben Südkoreas – es war der vierte fehlgeschlagene nordkoreanische Raketentest seit März.

Doch die Botschaft ist klar. In Südkorea wurde der Test angesichts der größer werdenden Drohkulisse der USA als Signal von Machthaber Kim Jong Un verstanden, nicht nachgeben zu wollen. So warf Südkoreas Außenministerium dem Nachbarland dann auch sofort eine erneute Provokation und ein „Spiel mit dem Feuer“ vor. Tests mit solchen Raketen sind dem weithin isolierten Norden durch UN-Resolutionen verboten.

Die rote Linie

Das US-Militär vermutete nach Berichten amerikanischen Medien, dass Nordkorea eine Mittelstreckenrakete des Typs KN-17 testen wollte. Dies sei ein neuer Raketentyp, den Nordkorea bereits zweimal in diesem Monat mit wenig Erfolg abgeschossen habe. Trotz aller Misserfolge fürchten die USA, dass Nordkorea mit jedem Test neue Aufschlüsse darüber erzielt, was es an der Technik verbessern kann.

Eine rote Linie wäre für die USA überschritten, wenn Nordkorea eine Interkontinentalrakete testen würde, die einen Atomsprengkopf bis zum amerikanischen Festland tragen könnte. Trump zeigte sich zunächst demonstrativ gelassen. Bei einer Kundgebung zu seinem 100. Tag im Amt in Harrisburg (US-Bundesstaat Pennsylvania) verwies er am Samstag darauf, dass China den USA helfe, den Konflikt zu lösen.

„Wir werden sehen“

Dennoch warnte der US-Präsident den nordkoreanischen Machthaber vor weiteren Provokationen. „Ich wäre nicht glücklich, sollte er einen Atomtest unternehmen“, sagte Trump dem Sender CBS. Auf die Frage, ob er damit eine militärische Reaktion meine, sagte er lediglich: „Ich weiß nicht. Wir werden sehen.“

Am Montag folgte die Antwort aus Nordkorea: Das Außenministerium in Pjöngjang deutete an, dass das Land seine Atomtests fortsetzen werde. Den USA unterstellte es – wie üblich – eine feindselige Politik. Nordkorea wolle daher den Ausbau seiner Atomstreitmacht beschleunigen.

„Dringlichste Sicherheitsangelegenheit“

Für die USA ist der Konflikt mit Pjöngjang mittlerweile zur „dringlichsten globalen Sicherheitsangelegenheit“ geworden, wie es Außenminister Rex Tillerson noch am Freitag in einer UN-Sitzung formulierte. Die USA würden zwar eine Verhandlungslösung bevorzugen, doch sagt Washington auch deutlich, dass alle Optionen – einschließlich militärischer – auf dem Tisch lägen. Weltweit fragen sich daher bereits Menschen, wann die USA einen Militärschlag gegen Nordkorea anordnen könnten.

Als Demonstration militärischer Stärke setzten die USA auch einen Flottenverband um den Flugzeugträger „USS Carl Vinsso“ in Marsch, der am Samstag die Gewässer nahe der koreanischen Halbinsel erreichte und dort an Seeübungen mit der südkoreanischen und japanischen Marine teilnimmt. Japan entsandte zum Schutz seines Verbündeten USA sein größtes Kriegsschiff, den Hubschrauberträger „Izumo“.

Vollendete Überlebenskünstler

Trump wolle im Konflikt mit Nordkorea hart erscheinen, schreibt die „New York Times“. Doch das Problem sei, „dass das mit der Botschaft in Konflikt gerät, die seine Regierung in den vergangenen Tagen ausgesandt hat, wonach keine Präventivschläge geplant sind“.

Südkorea befürchtet, dass Nordkorea nicht nur weitere Raketentests unternehmen wird, sondern sich auch auf einen neuen Atomtest vorbereitet. Die nordkoreanische Führung scheint vielen in den USA und in der Region nicht nur unberechenbar, sondern auch irrational zu sein, weil sie sich nicht nur mit den USA anlegt, sondern mit den Waffentests gleich die ganze Welt provoziert.

Beobachter warnen jedoch, ein solches Verständnis der Motive Kims könne gefährlich sein. „Nordkoreas System erscheint von außen betrachtet bizarr, doch die Kims sind vollendete politische Überlebenskünstler und kompromisslose Rationalisten, deren Aktionen einen klaren Zweck haben: Die Familie an der Macht zu halten“, schreibt die renommierte Zeitschrift „Foreign Policy“.