War es eine vorsätzliche Tat?

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Am Montag musste sich vor der Kriminalkammer des Bezirksgerichts Luxemburg ein 30-jähriger Mann verantworten, der im Juni 2010 seine Partnerin, die Nachbarin und deren Mann umgebracht haben soll. Er riskiert lebenslange Haft.

LUXEMBURG – Die Tat geht auf den 6. Juli 2010 zurück. Der 30-jährige estnische Staatsbürger soll gegen 1.00 Uhr nachts insgesamt 30 Mal auf seine Lebensgefährtin, sechs Mal auf die Nachbarin und sieben Mal auf den Nachbarn eingestochen haben. Der Beschuldigte bewohnte zusammen mit seiner Partnerin ein Miethaus in der rue Berg in Flaxweiler.

Der untere Stock war an ein anderes Ehepaar vermietet. Die Partnerin des Beschuldigten arbeitete zum Zeitpunkt der Tat für eine europäische Institution und ihr Partner war arbeitslos. Bekannt ist, dass der Angeklagte seit mehreren Jahren ein Alkoholproblem hat. Er wurde in Estland bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Fakt ist auch, dass beide bereits verheiratet waren und die Frau noch immer Kontakt zu ihrem Ehepartner hatte. Auch soll der mutmaßliche Täter des Öfteren eifersüchtig auf den Noch-Ehemann seiner Freundin gewesen sein. An dem Tatabend soll das Ehepaar auf einem Umtrunk bei der Europäischen Kommission in Luxemburg gewesen sein. Bereits hier soll sich das Paar wegen des Alkoholproblems des Angeklagten gestritten haben. Als beide dann zu Hause ankamen, soll der Angeklagte versuchte haben, auf seine Frau einzuschlagen.

Flucht in den Tod

Diese soll allerdings Unterkunft bei den Nachbarn gesucht haben. Der 30-Jährige soll dann versucht haben, seine Frau bei den Nachbarn aufzusuchen, um sie umzubringen. Als der Mann des Nachbarehepaars die Tür öffnete, soll der mutmaßliche Täter mehrmals mit einem normalen Küchenmesser auf sein Opfer eingestochen haben. Dem 51-jährigen Nachbarn gelang es anschließend, sich in die Garage zurückzuziehen. Der Angeklagte ging in die Nachbarwohnung und fand hier seine Frau und die 36-jährige Nachbarin. Er soll zuerst sechs Mal auf Letztere eingestochen haben, um anschließend seine Frau mit insgesamt 30 Messerstichen tödlich zu verletzen.

Der 30-Jährige soll dann zu seinem Auto gegangen sein, um zu flüchten. In der Garageneinfahrt lag der Nachbar – der Angeklagte soll ihn hier tödlich verletzt haben. Anschließend sei er mit seinem Wagen weggefahren, kam kurze Zeit später von der Straße ab und ging zurück zum Tatort. Hier soll er auch versucht haben, die Polizisten anzugreifen. Diese reagierten schnell und schossen auf den Angeklagten. Hierbei wurde er schwer verletzt.

Alkoholsüchtig

Anfangs des Prozesses wollte sich der Angeklagte bei den Familien der Opfer entschuldigen, sagte aber klar und deutlich, dass er das Ehepaar und seine damalige Freundin nicht absichtlich umgebracht habe. Dann schilderte die Gerichtsmedizinerin, wie die einzelnen Opfer verletzt wurden. Klar ist, dass alle drei aufgrund der schweren Verletzungen verbluteten. Danach trat der psychiatrische Experte Jean-Marc Cloos an den Zeugenstand.

„Der Angeklagte gab eine Woche nach der Tat, als ich ihn zuerst untersuchte, zu, an dem besagten Abend Alkohol getrunken zu haben. Er schilderte mir, dass er auf dem Empfang einige Gläser getrunken habe und zu Hause angekommen noch eine Flasche Wein. Er hatte bei seiner Festnahme einen Promillewert von 1,9“, so der Experte.

Kurzschlussrekation?

Cloos sagte auch, dass der Angeklagte selbst zugegeben habe, unter Alkoholeinfluss aggressiv zu werden. „Während der Tat kann er allerdings nicht unter ’ivresse pathologique’ gelitten haben. Ein Zustand, bei dem die meisten Täter ihre Taten kurz danach vergessen“, so Jean-Marc Cloos. Laut Experte sagte der Angeklagte auch, dass er während der gesamten Tat seine Schwester am Telefon hatte. „Ich bin allerdings der Meinung, dass es keine vorsätzliche Tat war. Es war eher eine Kurzschlussreaktion. Alkohol und Aggressivität ist ein explosiver Cocktail. ‚Den Alkohol hëlt ëmmer déi Form vun deem Behälter un, an deen en erageschott gëtt’“, so Cloos.

Anschließend trat Paul Rauchs, ein weiterer psychiatrischer Experte, an den Zeugenstand. „Der Angeklagte litt unter einer zwanghaften Art von Eifersucht. Er ist allerdings nicht psychiatrisch krank und leidet auch nicht unter Depressionen, wie man das glauben könnte. Sein einziges Problem war die Alkoholsucht“, so Rauchs. Er soll auch nicht unter Wahnvorstellungen und Psychosen gelitten haben. Mit seiner Familie, mit Ausnahme von seiner Schwester, hätte er laut Experte bereits seit langer Zeit keinen Kontakt mehr.