Gutschein oder Geld zurück?Corona ist nicht immer eine Entschuldigung

Gutschein oder Geld zurück? / Corona ist nicht immer eine Entschuldigung

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Der Teufel steckt im Detail. Bei Verbraucherfragen ganz besonders. Pauschale Antworten gibt es nicht. Bei Buchungen, ob bei Flügen, Hotels, Konzerten oder Mietwagen beispielsweise, entscheiden verschiedene Faktoren über die Frage, ob Rückerstattung der bereits bezahlten Summe oder Gutschein. Corona wird nämlich nicht immer als Entschuldigung angenommen. Im Prinzip gelten die üblichen Stornierungsbestimmungen. Je länger man wartet, um etwas abzusagen, umso mehr Geld lässt man unter Umständen hängen. Weil die Sache eine so hohe Tragweite hat, würde aber in der Reisebranche viel mit Kulanz agiert – und im Interesse des Verbrauchers, sagt Karin Basenach, Juristin und Leiterin des Europäischen Verbraucherschutzzentrums (CEC), im Tageblatt-Gespräch.

Tageblatt: Frau Basenach, schränkt Corona die Rechte der Verbraucher ein?

Karin Basenach: Nein. Der Schutz der Verbraucher bleibt auch in Zeiten von Corona erhalten. Man kann höchstens sagen, dass Rechte etwas verändert worden sind, was aber das Schutzniveau nicht herabsetzt.

Wird das Europäische Zentrum für Verbraucherschutz jetzt öfters als sonst kontaktiert?

Ja. Wir haben seit ca. Mitte März dieses Jahres deutlich mehr Anfragen als im Vergleichszeitraum 2019. Allein die Anfragen wegen Corona belaufen sich seit Mitte März auf ca. 370 Anfragen.

Worum geht es im Wesentlichen bei diesen Anfragen?

Im Wesentlichen beziehen sich die Anfragen auf vier Kategorien: Annullierung von Flügen, von Pauschalreisen, von Hotels und von Events wie Konzerten.

Nun interessiert vor allem die Frage: Bekomme ich bereits gezahltes Geld zurück oder muss ich einen Gutschein akzeptieren?

Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten. Man muss sich jeden Fall gesondert ansehen. Bei gebuchten Flügen, die von der Fluggesellschaft annulliert werden, muss man keinen Gutschein annehmen. In diesen Fällen hat man Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises. 

Ist es nicht so, dass man zusätzlich zum Ticketpreis bei Annullierung durch die Fluggesellschaft auch noch eine gesonderte Ausgleichszahlung erhält?

Diese Ausgleichszahlung ist nicht geschuldet, wenn außergewöhnliche Umstände der Grund für die Annullierung waren. Mit Covid-19 gibt es solche Entschädigungen also nicht.

Und wie ist es mit Rückerstattung oder Gutschein bei der Pauschalreise?

Wenn die Reise nicht stattfindet, bekommt man sein Geld zurück. Vielleicht etwas verzögert, so wie es in Luxemburg entschieden wurde. Findet die Reise statt, aber man will sie nicht mehr antreten, gelten der Vertrag und die üblichen Stornierungsregeln. Also je länger man wartet mit Absagen, umso weniger Geld erhält man im Prinzip zurück.

Geld zurück, sicher? Scheinbar wird auch hier versucht, Gutscheine zu geben.

Hier muss man genau hinsehen und prüfen, in welchem Land der Reiseveranstalter seinen Sitz hat und welches Recht anwendbar ist. Inzwischen haben nämlich mehrere EU-Staaten vom Gesetz abweichende Regelungen erlassen, beispielsweise Belgien und Frankreich. Diese „neuen“ Regelungen erlauben es den Reiseveranstaltern, zunächst Gutscheine auszuhändigen, die beispielsweise wie in Frankreich 18 Monate Gültigkeit haben. Löst der Verbraucher diese Gutscheine nicht innerhalb dieser Zeit ein, erhält er sodann sein Geld. Wichtig ist auch, zu wissen, dass diese Gutscheine dann gegen eine eventuelle Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert sind.

In dem Fall kann man den Gutschein also nicht verweigern?

Nein.

Was ist eigentlich eine Pauschalreise?

Eine Pauschalreise liegt vor, wenn mindestens zwei Reiseleistungen zusammen gebucht werden, also zum Beispiel Hotel und Flug. Oder Hotel und eine Rundreise.

Rückerstattung bei Hotels?

Fragen zu Hotelbuchungen sind relativ komplex. Hier muss man sich die rechtlichen Vorschriften des Landes ansehen, in dem sich das Hotel befindet, und auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Hotels (wie lange vor Aufenthalt kann kostenfrei storniert werden?). Ist das Hotel hingegen geschlossen, kann es also das gebuchte Zimmer nicht zur Verfügung stellen, dürfte der Reisende wohl Anspruch auf Erstattung des gezahlten Preises haben.

Und wenn ich im Ausland Karten für eine Veranstaltung (Sport, Musik, Theater, Museum, geführte Touren usw.) gekauft habe, bekomme ich dann überall das Geld zurück, wenn die Veranstaltungen annulliert werden?

Das hängt jedes Mal vom Recht des Staates ab, wo das Spiel, das Konzert usw. stattgefunden hätte. Wird beispielsweise in Deutschland ein Rockkonzert annulliert, habe ich zurzeit noch Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises. Anders sieht das beispielsweise in Frankreich oder Belgien aus. Da muss ich zunächst einen Gutschein akzeptieren.

Wie sieht es aus, wenn ich bereits einen Mietwagen oder einen Camper für die Ferien reserviert habe?

Es bleibt bei den allgemeinen Regeln. Entscheiden Sie, den Mietwagen oder den Camper nicht in Anspruch zu nehmen, weil sie beispielsweise „Angst vor Corona“ haben, haben Sie nicht automatisch Anspruch auf Erstattung der Buchungskosten für das Mietauto oder den Camper. Dies gilt jedenfalls, wenn das Mietauto oder der Camper Ihnen zur Verfügung gestellt werden kann und „auf Sie wartet“. Sie können versuchen, rechtzeitig vom Mietautovertrag zurückzutreten, eventuell unter Zahlung einer Stornogebühr, oder Sie versuchen eine Kulanzlösung herauszuschlagen.

Corona gilt also nicht als Entschuldigung?

Nein, nicht unbedingt.

In diesen Tagen wird der Ausnahmezustand zunehmend aufgehoben. Man darf wieder reisen. Was bedeutet es für Reisende, wenn allgemein oder für einige Länder eine Reisewarnung bestehen bleibt? Ist man dann im Falle eines Zwischenfalls auf sich gestellt?

Deutschland hat beispielsweise die weltweite Reisewarnung bis zum 14. Juni 2020 verlängert. Es ist „nur“ eine Warnung, kein Verbot. Es könnte aber durchaus sein, dass beispielsweise eine für die Reise abgeschlossene Reisekrankenversicherung oder Ähnliches im Bedarfsfall nicht greift, wenn man trotz Warnung verreist ist.

Man sollte sich also jetzt genau überlegen, ob man eine gebuchte Leistung wirklich in Anspruch nehmen will und im Zweifelsfalle stornieren?

Ja, wer auf Nummer sicher gehen will, der storniert. Der andere spielt auf Risiko. Kann gehen, muss aber nicht.

Und wenn ich eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen habe? 

Reiserücktrittsversicherungen decken in der Regel nicht den Rücktritt von der Reise wegen einer Pandemie ab. In der Regel greifen solche Versicherungen nur, wenn eine ernsthafte Erkrankung des Reisenden vorliegt oder der Todesfall eines nahen Angehörigen und die Reise deshalb nicht angetreten werden kann. Aber auch hier gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Verbraucherrecht scheint kein einfaches Thema zu sehen …

In der Tat kann man diesen Eindruck gewinnen. Aber das Recht ist auch deshalb sehr präzise, damit jeder zu seinem Recht kommen und es einklagen kann.

Deshalb bleiben jetzt auch noch viele Detailfragen offen. An wen können sich Verbraucher in Luxemburg wenden, wenn sie zu all diesen Themen präzisere Antworten haben möchten? 

An das Europäische Verbraucherzentrum Luxemburg, wenn es um grenzüberschreitende Sachverhalte geht oder Fragen zu europäischen Verbraucherschutzregeln. Wenn es um Fragen im Zusammenhang mit annullierten Flügen geht, kann man sich auch an die Nationale Durchsetzungsbehörde für die Fluggastrechte beim luxemburgischen Verbraucherschutzministerium wenden.

Wie soll man das in diesen Zeiten am besten an das Europäische Verbraucherschutzzentrum wenden?

Per E-Mail oder per Telefon oder auch indem die Verbraucher ihre Frage per Video aufnehmen und uns schicken. Wir antworten dann ebenfalls per Video. Persönliche Beratungen sind in diesen Zeiten leider nicht möglich. Alle Mitarbeiter des CEC Luxembourg arbeiten im Home-Office.

Europäisches Verbraucherschutzzentrum

Das CEC Luxemburg ist Teil eines Netzwerkes von 30 Europäischen Verbraucherzentren in der EU sowie in Island, Norwegen und im Vereinigten Königreich. Sämtliche Dienstleistungen sind kostenfrei. Das CEC ist ein vom luxemburgischen Staat und von der „Union luxembourgeoise des consommateurs“ (ULC) gegründetes „Groupement d’Intérêt économique“. Das Zentrum wird finanziell von der Europäischen Kommission, dem luxemburgischen Staat (Ministerium für Verbraucherschutz) und der ULC unterstützt. Für weitere Details oder Fragen können Sie das CEC Luxembourg telefonisch unter der Nummer +352 26 84 64-1 oder per E-Mail an info@cecluxembourg.lu kontaktieren.