Samstag18. Oktober 2025

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Luxair und Staat in der Kritik

Luxair und Staat in der Kritik
(Unfallbericht)

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Jetzt haben die Anwälte der Hinterbliebenen das Wort. In ihren Plädoyers gehen sie mit dem Piloten der Unglücksmaschine, der Luxair und dem Staat hart ins Gericht.

Die umfangreiche Beweisaufnahme im Prozess um den Absturz eines Luxair-Flugzeuges im November 2002 wurde am letzten Donnerstag abgeschlossen und ein Anwalt präsentierte bereits sein Plädoyer. Am ersten Prozesstag der sechsten Verhandlungswoche bekam Anwalt Marco Fritsch das Wort. Der Rechtsbeistand sagte, Familienmitglieder seiner Mandanten seien massakriert worden. Und jetzt würde die Luxair versuchen durch einen lamentablen Formfehler die Opfer ihrer Rechte zu berauben. Es geht darum, dass ein Strafgericht nicht über Schadensersatzklagen entscheiden dürfe. Dies sei Sache der zivilen Gerichte.

Dies sei perfide und inakzeptabel. Die Luxair würde nichts managen sondern nur „rumwurschteln“. Das habe die bisherige Verhandlung gezeigt. Das Verhalten der Luxair sei ein Skandal. Aber auch der luxemburgische Staat, der Teilhaber der Fluggesellschaft ist, hätte nicht genug unternommen, um den Familien der Opfer zu helfen. Nur das Familienministerium sei seiner Rolle gerecht geworden, betonte der Anwalt des Nebenklägers.

Mont blanc-Unfall

Er stellte eine Verbindung her mit dem Mont blanc-Unfall. Dort hätte die vor Gericht gezerrte Firma die Familien der Opfer auf optimale Weise begleitet. Die Rede des Anwalts war mir vielen emotionalen Bemerkungen gespickt. Er sprach oft über das Leid der Opfer.

Die Aussagen vom Unglückspiloten Claude Poeckes seien inakzeptabel. Die Beweislage sei eindeutig und spreche gegen den Angeklagten. Anwalt Fritsch fragt, warum das psychologische Zeugnis erst neun Jahren nach dem Unfall aufgetaucht sei. Daraus gehe hervor, dass Poeckes nur beschränkt einsatzfähig war. Er sei noch grün hinter den Ohren gewesen, so der Anwalt.

Wahrheit verschleiern

Der Rechtsbeistand frage sich, ob die vor dem Gericht erschienenen Piloten seit dem Unfall etwas dazu gelernt hätten, und erinnerte daran, dass die Richtlinien und Regeln obligatorisch waren. Er lobte den Richter für seine Sachkenntnis, sagte aber auch, dass seiner Meinung nach ein paar Sachen vergessen wurden. Dabei kam er auf die fünf Entlassungen zu sprechen, die nach dem Fokker-Crash ausgesprochen wurden. Sie seien ein Versuch gewesen, die Wahrheit zu verschleiern. Das Arbeitsrecht von 1994 könne entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hier durchaus bemüht werden, da es sich im Grunde um einen Arbeitsunfall handele.

Anwalt Fritsch erklärte warum man die Angeklagten verurteilen müsse. Die Gründe seien unter anderen die Verletzung der Sorgfaltspflicht, fahrlässiges Verhalten, die Ablehnung einer Hilfestellung für Menschen, die in Gefahr sind. In diesem Prozess werde versucht, nur die „Lampisten“ zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei seien alle Angeklagten für die Katastrophe verantwortlich, jeder auf seine Weise.

Keine Linie

Die Sicherheit sei bei der Luxair durch die Verfehlungen auf sämtlichen Entscneidungsebenen nicht gewährleistet gewesen. Jeder würde dem anderen den Ball zuschieben. Beim Thema Sicherheit hätte es keine klare Linie gegeben. Schlimmer noch wiegte, dass Roger Sietzen über die Mängel informiert war, aber nichts unternommen hätte. Dies gelte auch für die Nachfolger Jean-Donat Calmes und Christian Heinzmann.

Auch was die Schuld des Piloten der Unglücksmaschine anbelangt, könne man das Arbeitsrecht bemühen. Er hätte als Aufgabe gehabt, für eine optimale Sicherheit der Passagiere und der Crew zu sorgen und die Integrität des Flugzeugs zu wahren. Die falsche Piste einer Panne sei ein Versuch, den Piloten zu entlasten. Alle Angeklagten seien schuldig zu sprechen.

Falsches Gericht

Anwalt Loesch, der die Luxair und die Versicherungsgesellschaften im Zusammenhang mit dem Fokker-Crash repräsentierte, wies anschließend die Attacken der Anwälte der Nebenklage zurück. Besonders der Ton missfiel dem Anwalt. Er habe nie gesagt, dass die Familien der Opfer keinen Schadensersatz erhalten sollen, sondern lediglich dass das Strafgericht nicht kompetent sei, über Schadensersatzforderungen zu entscheiden. Laut Warschauer Konvention könne kein repressives Gericht über Schadensersatzforderungen entscheiden. Richter Klein betonte daraufhin, man werde die Frage klären. Der Anwalt soll die Möglichkeit erhalten, seine Argumentation anlässlich seines Plädoyer am 30. November eingehend zu erläutern.

Nächster Redner war Anwalt Dieter Grozinger de Rosnay. Er vertritt die Interessen einiger deutscher Opfer.
Wie seine Vorredner unterstrich auch er die kollektive Verantwortung aller Angeklagten, was die Sicherheitsfragen anbelangt. Da sie ihrer Aufgabe nicht gerecht wurden, sei der Crash am 6. November 2002 passiert und seien 20 Menschen gestorben. Auch dieser Anwalt versuchte, den Saal in die Haut der Familien der Opfer zu versetzen, indem er unter anderem Briefe von Familienangehorigen der Toten vorlas. Sie würden Gerechtigkeit verlangen und müssten für ihre Leiden entschädigt werden.

Lange Wartezeit

Grozinger de Rosnay kritisierte auch die lange Wartezeit bis zum Prozessbeginn und erinnerte an die diesbezügliche heftige Kritik von Ombudsmanns Marc Fischbach und die Verurteilung Luxemburgs durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Nach einer zehnminütigen Unterbrechung ging die Plädoyer-Runde weiter. An das Rednerpult trat Me Pol Urbany. Auch er unterstrich das Trauma, das die Angehörigen der Opfer erlitten. Und auch er sparte nicht mit Details, was das bange, lange Warten am Flughafen, ehe man über den Tod des geliebten Menschen informiert wird, betrifft. Sein Mandant sei zum Beispiel kürzlich noch zusammengebrochen, als er über den Crash erzählte. Sein Klient würdenunter einem schweren posttraumatischen Syndrom leiden, so Urbany weiter. Dabei sei die Katastrophe vermeidbar gewesen.

Unannehmbare Fehler

Der Crash sei das Ergebnis einer Serie von unannehmbaren Fehlern gewesen. Durch die Mediatisierung sei das Unglück immer wieder in die Erinnerung der Familien gerufen worden. Das mache eine Bewältigung der Trauer quasi unmöglich. Dazu sei die sehr lange Untersuchungszeit gekommen, während der man im Ungewissen gelassen wurde, was die genauen Umstände des Unfalls betrifft. Ein Mea Culpa der Angeklagten hätte den Nebenklägern viel Leid erspart, betonte Urbany. Besonders das uneinsichtige Verhalten von Claude Poeckes mache seinem Mandanten zu schaffen.

Der Anwalt bedauerte weiter, dass keine offizielle Tabelle mit Entschädigungsbeträgen existiert. Eins sei aber klar: Es wurde viel Schweiß in diesen Prozess gesteckt, auch von den Anwälten. Dieser Aufwand soll vergütet werden.

Am Dienstag wird Me Pol Urbany im Rahmen des zweiten Teil seines Plädoyers Auszüge der von ihm überarbeiteten letzten halben Stunde des Cockpit-Voicerecorders vorspielen. Das Signal wird dann klarer, in stereo zu hören sein. Die Aufnahme zeige, dass die Fehler des Piloten weitaus schlimmer seien, als angenommen, so Urbany.