Illegal, Verrat der eigenen Werte, oder zumindest sehr, sehr peinlich: Die Enthüllungen über die engen Beziehungen zwischen britischen Geheimdiensten und dem Regime von Muammar al-Gaddafi haben in Großbritannien Reaktionen zwischen Schock und peinlicher Berührung ausgelöst. Nun droht auch noch einer der mächtigsten Männer des neuen Libyens, der Militärkommandant von Tripolis, mit einer Klage.
Briten und Amerikaner sollen gewusst haben, dass Abdelhakim Belhadschs in Libyen gefoltert wurde, ihn sogar ans Messer geliefert haben. Könnte die Vergangenheit den Start der Beziehungen zwischen London und dem neuen Tripolis verderben? Großbritannien könne froh sein, wenn sich Belhadschs mit einer Entschuldigung begnüge, schrieb die britische Zeitung „The Independent“ am Dienstag.
Noch im März kooperierten die Spione
Für die einstigen Kollegen in Libyen jedenfalls kam der Sinneswandel der Briten gegenüber Gaddafi offenbar eher überraschend, glaubt man dem früheren libyschen Außenminister Abdelati Obeidi. In einem Interview mit dem Sender BBC sagte er am Dienstag, dass britische Spione noch bis März 2011 in Tripolis gewesen seien und dort mit dem Regime zusammengearbeitet hätten.
Libyen war zum wichtigen politischen und wirtschaftlichen Partner des Königreichs aufgestiegen, nachdem sich Gaddafi 2003 bereit erklärt hatte, Massenvernichtungswaffen aufzugeben. Dass auch die Geheimdienste kooperierten, verwundert nicht. Wie eng sie sich heimlich aneinander kuschelten, allerdings schon.
Besuch vom MI-5 und MI-6
„Großbritannien muss einige Fragen beantworten“, sagte Rebellenführer Belhadschs im Gespräch mit der „Times“. Nachdem er und seine Familie 2004 auf der Flucht vor Gaddafi aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht worden seien, habe er dort Besuch von drei Agenten des MI-5 und des MI-6 bekommen. Sie befragten ihn zu seinen Aktivitäten in der Libyan Islamic Fighting Group (LIFG), die zeitweise mit dem Terrornetzwerk Al Kaida in Verbindung stand. Er habe mit Zeichensprache angedeutet, dass er gefoltert werde. Etwas unternommen habe niemand.
Weitere Regimekritiker sollen betroffen gewesen sein. Aus den unter anderem in der verlassenen britischen Botschaft in Tripolis gefundenen Geheimdienstpapieren geht hervor, dass die Briten libysche Dissidenten, die in Großbritannien lebten, identifiziert haben könnten.
„Köstliche“ Datteln und Orangen
Auch auf der persönlichen Ebene lief es offenbar auffallend gut: So hat der damalige britische Premierminister Tony Blair angeblich Gaddafis Sohn Saif al-Islam bei dessen Doktorarbeit geholfen. Der damalige Chef der Antiterroreinheit bei MI-6, Mark Allen, soll sich bestens mit Gaddafis Ex-Geheimdienstchef Mussa Kussa verstanden haben, der sich bei Ausbruch der Revolution im Frühjahr ins Königreich absetzte. In einem der gefundenen Schriftstücke soll er sich für die „köstlichen“ Datteln und Orangen bedankt haben, die Mussa Kussa als Dank für die gute Zusammenarbeit geschickt habe. 2004 wechselte Allen zum Ölkonzern BP.
Ein weiteres Fragezeichen steht hinter der Freilassung des Attentäters von Lockerbie, Abdel Bassit Ali Mohammed al-Megrahi. Gaddafis Regime soll großen Druck auf Großbritannien ausgeübt haben, den einzigen Verurteilten für den Anschlag auf ein Flugzeug über dem schottischen Ort Lockerbie im Jahr 1988 zu begnadigen und nach Libyen zurückzulassen. Die Frage steht im Raum, ob und wie stark Interessen an Ölgeschäften die Briten zu dem Schritt trieben.
„Zu nahe“ gekommen
In einer Erklärung vor dem Parlament deutete Premierminister David Cameron am Montag an, dass man sich wohl „zu nahe“ gekommen sei. Nicht vergessen dürfe man die Umstände. Die Geheimdienste hätten nach dem Terroranschlägen von New York am 11. September 2001 daran gearbeitet, das Land sicher zu halten. Die Beziehung zwischen libyschen und britischen Agenten soll nun aber vor ein Untersuchungskomitee.
Ob illegal oder peinlich – Fred Abrahams von der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ hat jedenfalls den Verdacht, dass die Agenten des Gaddafi-Regimes die pikanten Unterlagen extra in den verlassenen Büros liegen ließen, um die Briten zu blamieren. Sie dürften bitter enttäuscht gewesen sein, als die früheren Partner sich so plötzlich auf die Seite der Rebellen schlugen, meint die „Times“ und zitiert Abrahams: „Es ist so, als ob sie sagen würden: (…) Wir werden Euch so richtig bloßstellen. Ich kann sie vor mir sehen, wie sie sich jetzt darüber amüsieren.“
 
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