Junckers Truppe zerfällt

Junckers Truppe zerfällt
(AP)

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Die Berufung der neuen EU-Kommissare droht ins Stocken zu geraten: Mehreren Kandidaten verweigern die Europaabgeordneten ihre Zustimmung.

Nach den Kandidaten aus Großbritannien, Spanien und Ungarn geriet auch der als EU-Wirtschaftskommissar vorgesehene Franzose Pierre Moscovici in die Kritik. Der künftige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist möglicherweise ein zu hohes Risiko mit seiner Personalpolitik eingegangen, das zeigen die seit Wochenbeginn laufenden Anhörungen der Kandidaten durch die Fachausschüsse des Europaparlaments. Juncker hat sich dafür entschieden, manche Posten mit Kandidaten zu besetzen, die dafür auf den ersten Blick ungeeignet erscheinen.

Ausgerechnet der Franzose Moscovici soll über die Haushalte der Mitgliedstaaten wachen, obwohl er als früherer Finanzminister die hohen Schulden seines Landes mit zu verantworten hat. Zudem soll der an der umstrittenen Mediengesetzgebung seines Landes beteiligte Ungar Tibor Navracsics das Ressort Kultur bekommen und der Brite Jonathan Hill die Aufsicht über die Finanzbranche, obwohl die Regierung seines Landes dagegen kämpft, der Branche Zügel anzulegen. Juncker will durch seine Postenpolitik mögliche Konflikte mit diesen Ländern entschärfen und sie gleichzeitig in diesen Bereichen zu besonders verantwortlichem Handeln motivieren. Doch im EU-Parlament stößt er damit auf Widerstand.

Zweifel

Den Briten Hill lassen die Abgeordneten Anfang der kommenden Woche zu einer zweiten Befragung antreten, eine Zustimmung zu Navracsics stand am Donnerstag ebenfalls aus. Die Entscheidung über die Berufung des Spaniers Miguel Arias Cañete zum Klimakommissar verschoben die Parlamentarier vorerst. Der Konservative war in seiner Anhörung wegen möglicher Interessenkonflikte schwer unter Beschuss geraten. Eine Stellungnahme des Rechtsausschusses soll nun abgewartet werden.

Auch an der Berufung Moscovicis als Wirtschaftskommissar gab es massive Zweifel. „Das ist keine Frage seines europäischen Engagements, sondern an der Eignung der Person für diesen Posten“, sagte die liberale französische Abgeordnete Sylvie Goulard. „Pierre Moscovici ist offenbar nicht der geeignete Mann für dieses Amt, das mit über die Sicherung des Euro und damit die Zukunft der Währungsunion entscheidet“, fügte der Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Wirtschaftsausschuss, Burkhard Balz (CDU), hinzu. Dabei hatte Moscovici in seiner Anhörung am Donnerstag immer wieder betont, dass er die EU-Defizitregeln auch gegen sein eigenes Land anzuwenden gedenke und versprach: „Sie können darauf zählen, dass ich ein gerechter und unparteiischer Schiedsrichter sein werde.“

Standing

Aus EU-Kreisen hieß es als Reaktion auf die Debatte um seine Berufung, Moscovici sei zu einer „Geisel“ im politischen Machtspiel der Fraktionen im Europaparlament geworden. Denn wenn die Sozialdemokraten (S&D) den Konservativen Spanier Cañete über die Klinge springen lassen, könnten die Konservativen im Gegenzug Moscovici als Trophäe fordern, so die politische Rechnung. Nachdem die beiden größten Fraktionen im EU-Parlament zusammen Juncker zum Kommissionspräsidenten gewählt hatten, war schon von einer „Großen Koalition“ die Rede.

Grünen-Fraktionschefin Harms begrüßt, dass dieser Burgfrieden vorbei zu sein scheint. „Der Stillhalte-Pakt zwischen EVP und S&D funktioniert nicht mehr und das ist gut für die Demokratie“, sagte sie. „Für die Zusammensetzung der zukünftigen Kommission sollten nicht Parteiinteressen sondern Kompetenz und politisches Standing ausschlaggebend sein.“ Juncker ließ über eine Sprecherin mitteilten, er sei zufrieden mit den bisherigen Auftritten seiner Kommissare. Das schließe ausdrücklich Cañete ein, der einen „sehr soliden“ Auftritt abgeliefert habe. Das letzte Wort über die neue Kommission hat das Plenum des Europaparlaments, das am 22. Oktober über die gesamte Kommission abstimmt.