Junckers Horrorszenarien

Junckers Horrorszenarien
(Shizuo Kambayashi)

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Jean-Claude Juncker sparte am Donnerstag bei einem Treffen am Rande des G7-Gipfels nicht mit Kritik an den Rechtspopulisten. Aber auch der türkische Präsident Erdogan bekam sein Fett weg.

Die Furcht vor den wachsenden populistischen Bewegungen auf beiden Seiten des Atlantiks hat am Rande des G7-Gipfels in Japan für Gesprächsstoff gesorgt. Ein enger Vertrauter von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bezeichnete am Donnerstag die mögliche Teilnahme des republikanischen US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump und des britischen EU-Kritikers Boris Johnson an einem G7-Treffen als Horrorszenario. In einem Tweet schrieb Junckers Büroleiter Martin Selmayr: „G7 2017 mit Trump, Le Pen, Boris Johnson, Beppe Grillo? Ein Horrorszenario, das gut zeigt, warum es wert ist, gegen Populismus zu kämpfen.“ Marine Le Pen ist Chefin des rechtsextremen Front National in Frankreich, wo im Frühjahr 2017 Präsidentschaftswahlen anstehen. Grillo führt die Bewegung Fünf Sterne in Italien an. Dort könnte es vor 2018 zu Neuwahlen kommen, falls die Regierung im Herbst ein Referendum über eine Verfassungsänderung verliert.

Im japanischen Ise-Shima beraten die Staats- und Regierungschefs der sieben größten westlichen Industrienationen und Japans über die Entwicklung der Weltwirtschaft und die Eindämmung politischer Krisen. An dem Treffen der Staats- und Regierungschefs nimmt auch EU-Kommissionspräsident Juncker teil.

„Realitätsfremd“

Juncker lud vom G7-Gipfel aus Johnson ein, in Brüssel zu überprüfen, ob die Darstellung der Realität entspreche, die der britische Konservativen seine Landsleuten von der EU präsentiere. „Ich glaube nicht“, fügte Juncker hinzu. Johnson gilt als möglicher Nachfolger von Premierminister David Cameron, falls die Briten am 23. Juni für einen EU-Austritt stimmen und Cameron zurücktritt. Johnson warf der EU kürzlich vor, einen europäischen Superstaat anzustreben und den gleichen Weg wie Hitler und Napoleon zu verfolgen.

US-Präsident Barack Obama sagte, die anderen Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten seien überrascht und verunsichert, dass Trump der voraussichtliche Kandidat der Republikaner für seine Nachfolge sei. Der Milliardär Trump hat im US-Vorwahlkampf unter anderem gefordert, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen und elf Millionen illegale Einwanderer abzuschieben.

„Im Ton vergriffen“

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich des Weiteren verärgert über den Tonfall des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Streit um die Visaerleichterungen gezeigt. „Drohungen sind in der Diplomatie nicht das beste Instrument“, sagte Juncker am Donnerstag. „Man sollte sie nicht benutzen, weil sie zu nichts führen.“

Junckers Erwiderung bezog sich auf Äußerungen des türkischen Präsidenten vom Dienstag: Erdogan hatte gedroht, das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei scheitern zu lassen, wenn die Aufhebung des Visazwangs für Türken nicht wie vereinbart bis Ende Juni erfolge. Die EU indes fordert unter anderem, dass Ankara zunächst die weitreichenden Terrorismusgesetze ändert, die Kritiker auch als Instrument sehen, um gegen Regierungsgegner vorzugehen. Die türkische Regierung lehnt das ab.

Juncker forderte Ankara auf, die europäischen Bedingungen zu erfüllen. „Wir erwarten, dass die Türkei ihre Zusagen einhält“, sagte der EU-Politiker. Die Türkei nimmt auf Grundlage des von Merkel vorangetriebenen Abkommens seit April Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurück. Die ungesteuerte Migration durch die Ägäis in die Europäische Union ist dadurch fast zum Stillstand gekommen.