Grüne wappnen sich gegen Islamisten

Grüne wappnen sich gegen Islamisten
(Jessica gow)

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Ihr Eintreten für Vielfalt macht die schwedischen Grünen attraktiv für Einwanderer. Nun muss sich die Partei fragen lassen, ob sie sich auch für Islamisten geöffnet hat.

Die schwedischen Grünen haben es nicht leicht in diesen Tagen. Erst verweigert ein Parteimitglied muslimischen Glaubens einer Journalistin den Handschlag, dann vergleicht ein anderes Israel mit Nazi-Deutschland und ein drittes lässt live im Fernsehen Verbindungen zur ägyptischen Muslimbruderschaft erkennen. Schon werden Sorgen laut, die kleine Umweltpartei, die seit 2014 zur Regierungskoalition gehört, könnte von Islamisten unterwandert sein.

Das Land diskutiert darüber, ob man bei aller Toleranz gegenüber Einwanderern möglicherweise vergessen habe, für die eigenen feministischen Ideale einzutreten. „In unserem Bemühen um eine vielfältige und multikulturelle Gesellschaft haben wir undemokratische Ansichten ignoriert“, erklärt Gulan Avci, Stadträtin in Stockholm und Mitglied der oppositionellen Liberalen. Die Parteiführung der Grünen bemühte sich zu Wochenbeginn um Aufklärung. Es gebe keine Hinweise auf einen Einfluss von Islamisten in der Partei, teilte sie mit. Dennoch sei ein Neustart nötig, um Umweltthemen wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

Schwerwiegender Vergleich

Die Probleme der Grünen begannen mit Wohnungsbauminister Mehmet Kaplan. In den Medien wurde über Kontakte des früheren Vorsitzenden der schwedischen muslimischen Jugend zu Ultranationalisten und Islamisten in seinem Heimatland Türkei berichtet. Kaplan wies die Vorwürfe zurück und auch seine Partei stand zu ihm. Dann tauchte jedoch ein Video auf, in dem Kaplan den israelischen Umgang mit den Palästinensern mit der Verfolgung der Juden durch die Nazis verglich. Daraufhin trat Kaplan in der vergangenen Woche zurück.

Die Co-Vorsitzende der Grünen, Åsa Romson, versuchte in einem Fernsehinterview, den Schaden für die Partei so klein wie möglich zu halten. Aber sie machte alles nur noch schlimmer, als sie die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA als Unfälle bezeichnete. Kurz danach korrigierte sie sich und verurteilte die Anschläge.

Vier Finger in die Höhe

Neue Bilder tauchten auf, die Kaplan und andere muslimische Mitglieder der schwedischen Grünen mit einer Geste zeigten, die von der Muslimbruderschaft in Ägypten benutzt wird. Einer von ihnen, ein Mitglied der Jugendorganisation der Grünen, ging während einer Liveübertragung im Fernsehen durchs Bild und reckte hinter dem Rücken des Moderators vier Finger in die Höhe. Die Geste ist in Schweden nicht illegal, aber viele Parteimitglieder stellten die Frage, ob die konservativen Ansichten der Muslimbruderschaft mit dem auf Gleichberechtigung ausgerichteten Programm der schwedischen Grünen vereinbar seien.

Für den größten Aufschrei sorgte aber Yasri Khan, der eigentlich in den Vorstand der Partei einziehen wollte. Dann aber weigerte sich der 30-Jährige, einer Journalistin die Hand zu geben. Ein Handschlag mit einer Vertreterin des anderen Geschlechts sei zu intim, erklärte er zur Begründung und legte stattdessen in einem muslimischen Gruß die Hand auf sein Herz. Khan löste damit eine heftige Debatte aus: Kritiker bezeichneten sein Verhalten als Beleidigung gegenüber Frauen, seine Anhänger nannten die Kritik islamophob. Sogar der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven schaltete sich ein und erklärte, in Schweden «gibt man Männern und Frauen die Hand». Khan zog schließlich seine Kandidatur für den Parteivorstand zurück und gab auch einen Sitz als Stadtrat auf. Die Parteimitgliedschaft will er aber vorerst behalten.

Vielfalt und Menschenrechte

„Ich glaube, die Grünen sollten an ihren integrativen Werten arbeiten“, sagte Khan. „Wie kombiniert man Vielfalt und Religion mit einem ethnozentrischen und voreingenommenem Bild von Geschlechtergleichheit?“ Auf die Frage, ob er sich als Islamist beschreiben würde, antwortete er, er wisse nicht einmal, was das Wort bedeute. „Wenn es bedeutet, ein praktizierender Muslim zu sein, der zur Politik beiträgt, dann bin ich ein Islamist – oder ich war einer“, sagte Khan. „Aber wenn es bedeutet, ein Terrorist zu sein oder gegen die Gleichberechtigung, dann bin ich so weit von einem Islamisten entfernt, wie es nur möglich ist.“

Wie viele Muslime sagt auch Khan, ihn habe es zu den Grünen gezogen, weil diese für Vielfalt und Menschenrechte einstünden und für eine grüne Politik. Nun fragen allerdings Kritiker, ob die Grünen sich vielleicht zu sehr für Menschen geöffnet haben, denen die eigene Religion wichtiger ist als die Umwelt.
„Menschen, die der Muslimbruderschaft nahestehen, die eine islamistische Partei ist, haben offensichtlich bei den Grünen Fuß gefasst“, sagt Lars Nicander, Sicherheitsexperte an der Führungsakademie der Schwedischen Gesamtverteidigung, einer Hochschule in Stockholm, dem schwedischen Fernsehsender TV4.

Interne Untersuchung

Er zieht einen Vergleich zu sowjetischen Agenten, die während des Kalten Krieges versuchten, politische Parteien im Westen zu infiltrieren. Die Grünen wollen diese Theorie nicht gleich verwerfen. „Auch wenn es derzeit keine Hinweise auf eine Infiltration gibt, so werden die Grünen doch untersuchen, ob sie dafür anfällig sind“, kündigten die beiden Parteiführungsmitglieder Jon Karlfeld und Anders Wallner an. Rechtsgerichtete Politiker haben die Vorkommnisse bei den Grünen benutzt, um Muslime im Allgemeinen zu verurteilen.

Die lautesten Kritiker sind allerdings moderate oder nicht praktizierende Muslime, die Religion am liebsten aus der schwedischen Politik heraushalten wollen. Zu ihnen gehört Avci, die Abgeordnete der Liberalen. Sie hat kurdische Wurzeln. Avci erklärt, die Schweden sollten darauf beharren, dass Einwanderer die Werte des Landes respektierten. Dazu gehöre auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Wenn Schweden das nicht tue, dann lasse man auch die Flüchtlinge im Stich, die vor religiöser Unterdrückung aus ihrer Heimat geflohen seien, „vor allem die Mädchen und Frauen, die zu einem unfreien Leben gezwungen wurden“.