EU-Grüne ziehen in Justizkampf um Glyphosat

EU-Grüne ziehen in Justizkampf um Glyphosat

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Grünen im Europaparlament um Claude Turmes ziehen vor das höchste europäische Gericht. Sie fordern die vollständige Einsicht in Industrie-Studien zum Unkrautvernichter. Am vergangenen Sonntag hatte ein US-Forscher von acht "übersehenen" Tumorbefunden berichtet.

Europäische Grünen-Politiker um den Luxemburger Claude Turmes klagen vor dem EU-Gericht auf die vollständige Herausgabe von Industrie-Studien zum Unkrautvernichter Glyphosat.

Dass die zuständige Lebensmittelbehörde Efsa Teile von Untersuchungen unter Verweis auf die Rechte der Auftraggeber unter Verschluss halte, sei bei einem so sensiblen Thema nicht hinnehmbar, erklärten Vertreter der Partei am Donnerstag. Wirtschaftliche Interessen müssten in dem Fall dem öffentlichen Interesse untergeordnet werden.

Nicht mehr nur Rohdaten

Das auch auf luxemburgischen Feldern eingesetzte Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu verursachen. Allerdings kamen die Efsa und die europäische Chemikalienagentur Echa zu dem Schluss, dass verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ausreichten, um Glyphosat als krebserregend einzustufen.

Die Grünen wollen deswegen nun alle den EU-Behörden vorliegenden Studien vollständig einsehen. Bislang sind von manchen nur die Rohdaten und Ergebnistabellen freigegeben worden.

Gefälschte Studien?

Die Efsa erklärt dazu, dass die veröffentlichten Teile ausreichten, um die von den Glyphosat-Herstellern zur Verfügung gestellten Studien zu prüfen und zu replizieren. Eine darüber hinausgehende Freigabe ist nach Auffassung der Behörde nach dem derzeitigen Rechtsrahmen nicht ohne Zustimmung der Auftraggeber möglich.

Dem grünen Luxemburger Europaabgeordneten Claude Turmes zufolge hätten Recherchen ergeben, dass „die europäische Risikobewertung von Glyphosat unter anderem aufgrund von mindestens zwei von Monsanto gefälschten Studien erfolgt ist“.

Turmes findet es „absolut inakzeptabel“

Turmes findet es „absolut inakzeptabel“, dass die europäischen Behörden unveröffentlichte Studien von Pestizidherstellern nutzten, „um die vermeintliche Unbedenklichkeit des weltweit meist genutzten Unkrautvernichtungsmittels zu attestieren“.

Gerade bei der Frage, ob ein Stoff krebserregend ist oder nicht, müsse „größtmögliche Transparenz herrschen“. „Geheimniskrämerei“ habe beim Zulassungsprozess von chemischen Mitteln „nichts verloren“, so Turmes.

Ein alter Streit

Turmes will die Klage nicht als Angriff auf die EFSA verstanden sehen. Es handele sich um vielmehr um einen Versuch, „rechtliche Klarheit darüber zu schaffen, welche Informationen veröffentlicht und welche als rechtmäßig geheim betrachtet werden müssen“.

Der Streit um die Zulassung von Glyphosat schwelt schon eine ganze Weile. Während die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (IARC) feststellte, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend für Menschen ist, wies die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA dies zurück.

Acht „übersehene“ Tumorbefunde

Erst vor zwei Wochen wurde publik, dass die Europäische Kommission eine Zulassungsverlängerung von Glyphosat für zehn Jahre plant. Am vergangenen Sonntag hat sich der US-amerikanische Krebsforscher Christopher Portier mit einem offenen Brief mit heiklem Inhalt an die EU-Kommission gewandt.

Zuvor hatte Portier in Krebsstudien der Hersteller zum umstrittenen Herbizid acht unberücksichtigte Tumorbefunde in Fütterungsstudien mit Mäusen und Ratten gefunden. Dies hebt die Zahl der gefundenen Befunde auf 21. Anfangs sind es nur vier gewesen.

Nicht das erste Versäumnis

Portier, Ex-Direktor des US National Toxicology Program, weist darauf hin, dass die „übersehenen“ Tumore im Zulassungsantrag der Glyphosate Task Force, einem Zusammenschluss von 25 Glyphosat-Herstellern aus zwölf EU-Ländern, nicht offengelegt wurden – aber in den ebenfalls eingereichten Originalstudien erfasst wurden.

Portier erinnert auch daran, dass die EU-Behörden bereits 2015 von der Internationalen Agentur für Krebsforschung informiert wurden, dass die Angaben der Industrie über ihre Krebsstudien nicht richtig waren. In der Folge mussten 13 statt bloß vier signifikante Befunde angeführt werden.