Es waren nicht die spanischen Gurken

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Die in den untersuchten Gurken aus Spanien gefundenen EHEC-Keime sind nicht der Auslöser für die EHEC- Erkrankungen. Die Behörden tappen weiter im Dunkeln.

Die Ursache für die EHEC- Erkrankungswelle ist wieder völlig offen. Auf zwei spanischen Gurken in Hamburg, die zunächst als eine Quelle der Erreger galten, fanden sich zwar EHEC-Keime – aber nicht die des derzeit grassierenden Typs O104. „Unsere Hoffnung, die Quelle der schweren Komplikationsfälle mit HUS-Syndrom zu entdecken, hat sich bei diesen ersten Ergebnissen leider nicht erfüllt“, sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks am Dienstag.

Dennoch sei es vor einigen Tagen richtig gewesen, die Untersuchungsergebnisse zu veröffentlichen, betonte Prüfer-Storcks. „Denn die Verunreinigungen können sehr wohl EHEC auslösen.“ Es wäre unverantwortlich gewesen, bei einer solchen Zahl von Erkrankungen, einen begründeten Verdacht zurückzuweisen.

Neben der weiteren Suche nach der Infektionsquelle werde nach wie vor auch die Ursache für die Kontamination dieser zwei Gurken untersucht. EHEC-Bakterien stellten, unabhängig vom Serotyp, immer eine Gesundheitsgefahr dar. Die Behörden tappen damit bei der Suche nach der Herkunft des gefährlichen Keims weiter im Dunkeln. Das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt hatte vergangene Wochen spanische Gurken als Quelle des Bakteriums identifiziert. Allerdings musste zur Bestimmung des Erregertyps zunächst eine Reinkultur angezüchtet werden.

Erste Tote ausserhalb Deutschlands

Die jüngste Erkrankungswelle mit dem gefährlichen Durchfallerreger EHEC hat das erste Todesopfer ausserhalb von Deutschland gefordert. In Schweden erlag nach Krankenhausangaben eine Frau einer EHEC-Infektion. Es ist der erste EHEC-Todesfall ausserhalb Deutschlands. Die Patientin war nach einer Reise nach Deutschland am 29. Mai erkrankt und in das Krankenhaus in Boras in Südwestschweden eingeliefert worden.

In Nordrhein-Westfalen gab es unterdessen einen dritten Todesfall. Damit erhöhte sich bundesweit die Zahl der im Zusammenhang mit einer EHEC-Infektion gestorbenen Menschen auf 15. Die genaue Ursache der Infektion ist bislang unbekannt. Der Erreger wurde an Gurken gefunden, die aus Spanien importiert wurden. Auch in anderen europäischen Ländern erkrankten in jüngster Zeit Hunderte Menschen. Russland stoppte am Montag bis auf weiteres den Import von Gurken, Tomaten und frischem Salat aus Spanien und Deutschland.

Schnelltest entwickelt

Im Kampf gegen den gefährlichen Darmkeim EHEC haben Forscher des Universitätsklinikums Münster einen Schnelltest zum Nachweis des EHEC-Erregers entwickelt. Bei dem Test könnten spezifische Gene des Ausbruchsstammes vervielfältigt und somit nachgewiesen werden, teilte das Universitätsklinikum mit. An dem Verfahren gab es indes sofort Kritik vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE): Der Test sei derzeit wenig hilfreich. Derweil wurde in Nordrhein-Westfalen ein weiteres Todesopfer gemeldet.

Ein Sprecher des Universitätsklinikums Münster teilte mit, mithilfe des neuen Schnelltests sei es möglich, schon kleinste Mengen von EHEC-Erregern innerhalb weniger Stunden auf die speziellen Eigenschaften des Ausbruchsstammes zu untersuchen. Der Test könne in jedem molekularbiologischen Labor durchgeführt werden.

Der ärztliche Direktor des UKE, Jörg Debatin, kritisierte im ZDF-„Morgenmagazin“, der Schnelltest bringe in der aktuellen Situation nicht viel. Im Augenblick sei es so, dass Patienten, die mit den klassischen Symptomen wie Bauchkrämpfen und blutigem Durchfall ins Krankenhaus kämen, ohnehin ausnahmslos mit EHEC infiziert seien. Bei eventuellen künftigen Ausbrüchen könne der neue Test aber eine Hilfe sein.

Klinik besorgt über neurologische Komplikationen

In den sieben großen Asklepios Kliniken in Hamburg wächst die Sorge um neurologische Komplikationen bei EHEC-Patienten. Beunruhigend sei, dass etwa die Hälfte aller schweren Verlaufsfälle mit dem Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS) nach drei bis fünf Tagen neurologische Ausfallerscheinungen entwickelten, sagte Joachim Röther, Chefarzt der Neurologischen Abteilung in der Asklepios Klinik Altona, am Dienstag in Hamburg.

Als Grund dafür nennt der Mediziner das Ansteigen der giftigen Stoffe in den Gefässen der Patienten. „Schwellungen und kleine Blutverklumpungen verstopfen die Blutbahnen. Ähnliche Verläufe sind in der Literatur vereinzelt bei Patienten mit Rota-Viren beschrieben worden“, sagte Röther.

Tiere als Überträger

Bei der Suche nach der Quelle des EHEC-Ausbruchs halten Experten auch eine Übertragung über Tiere theoretisch für denkbar. „Es könnten Tiere infiziert sein. Es können aber auch Menschen als Überträger in Betracht kommen“, sagte Prof. Helge Karch vom Universitätsklinikum Münster (UKM) am Dienstag. Diese Möglichkeiten müssten nun überprüft werden. Möglicherweise könnten Menschen den Keim in sich tragen, ohne dass es zum Ausbruch komme. Es müsse auch der Frage nachgegangen werden, ob entlassene EHEC-Patienten den Keim noch weiter ausscheiden.

Karchs Team stellte einen Schnelltest vor. Er klärt innerhalb von vier Stunden, ob es sich um den EHEC-Erreger HUSEC041 (O104:H4) handelt. Dieser Stamm ist für den aktuellen Ausbruch verantwortlich. «Der Test kann auch bei Lebensmitteln eingesetzt werden», sagte Karch. „Mit dem Schnelltestverfahren können wir den Ausbruchsstamm sicher identifizieren“, sagte Karch. „Das Testergebnis ist sehr sicher.“ Das UKM hat die Anleitung für den Test nicht patentiert, sondern ins Internet gestellt. „Jedes Labor kann dieses Rezept nachkochen“, so Alexander Mellmann von Karches Institut für Hygiene.

Damit lasse sich der Erreger bei Patienten je nach Laborbedingungen in vier Stunden bis zu einem Tag nachweisen. Bei Gemüse sei ebenfalls bis zu ein Tag nötig. Der EHEC-Stamm, der die aktuelle Erkrankungswelle ausgelöst hat, trat nach Angaben von Karch vor zehn Jahren bereits einmal in Deutschland auf. HUSEC041 sei im Jahr 2001 bei einem Geschwisterpaar in Köln nachgewiesen worden. Er habe seither in Mutationen seine Resistenz gegen Antibiotika ausgebaut. Und: „Der neue Stamm ist zwei bis dreimal toxischer als der Ursprungsstamm von 2001.“