Dumpinglöhne: Die EU sucht nach der Lösung

Dumpinglöhne: Die EU sucht nach der Lösung

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Stundenlöhne von zwei Euro auf dem Bau, Niedrigstbezahlung in Schlachthöfen: Die Entlohnung und Arbeitsbedingungen von ausländischen Arbeitern beschäftigen die EU erneut am Montag. Luxemburg plädiert für verschärfte Maßnahmen.

Um gegen Lohn- und Sozialdumping vorzugehen, beraten die Mitgliedstaaten eine Verschärfung der sogenannten Entsenderichtlinie, mit der die Arbeitsbedingungen von vorübergehend ins EU-Ausland geschickten Arbeitnehmern festgelegt werden sollen. Doch vor einer möglicherweise entscheidenden Sitzung der Arbeitsminister am Montag in Brüssel sind noch mehrere Punkte umstritten. Besonders Frankreichs Regierung dringt auf eine Verschärfung – um der extremen Rechten vor der Europawahl im Mai keine Steilvorlage zu liefern. Auch Luxemburg plädiert für striktere Vorgaben, um das Sozialdumping zu bekämpfen.

Ein „Plan gegen Sozialdumping“

Beschäftigungsminister Nicolas Schmit will dem Sozialdumping an den Kragen. Für kommendes Jahr plant er nach Absprache mit den Gewerkschaften und den Unternehmen einen „Plan gegen Sozialdumping“. Die unlauteren Praktiken von Firmen, die auf Billigarbeitskräfte setzen, schaden nicht nur den Arbeitern, sondern auch den hiesigen Unternehmen, so Schmit.
Die Kontrollen der Gewerbeinspektion erleichtern soll das sogenannte „badge social“, das 2014 nach einer Testphase verallgemeinert wird. Jeder Beschäftigte, der in Luxemburg entsendet wurde, wird diesen Sozialausweis haben. Darauf vermerkt sind lediglich sein Name und ein Strichcode zur Identifikation der entsendenden Firma. Die Gewerbeinspektion kann somit schneller auf die Angaben zurückgreifen, die das entsendende Unternehmen bei seinem Antrag in Luxemburg angegeben hatte.

Die bestehende Regelung aus dem Jahr 1996 soll Mindeststandards für Arbeits- und Ruhezeiten, Löhne oder Sicherheit festlegen, etwa für Bauarbeiter oder Feldarbeiter aus Osteuropa, die zeitweilig in anderen EU-Ländern arbeiten. Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass die Regeln für die europaweit rund 1,2 Millionen entsandten Arbeitnehmer in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten unzureichend angewandt werden: Geklagt wird einerseits über Ausbeutung der ausländischen Arbeiter durch skrupellose Unternehmer, andererseits über Billiglöhne, die das einheimische Lohnniveau drücken.

Daher die Pläne, die Regeln zur Umsetzung der Entsenderichtlinie zu verschärfen und den nationalen Behörden mehr Eingriffs- und Kontrollrechte zu geben. „Wir müssen diese Verstöße verfolgen, sie schaden der Menschenwürde ebenso wie der Wirtschaft“, sagt Frankreichs Arbeitsminister Michel Sapin. Die sozialistische Regierung in Paris setzt sich besonders für eine Verschärfung ein. Denn vor der Europawahl im kommenden Frühjahr will sie sich nicht vom rechtsextremen Front National vorwerfen lassen, die französischen Arbeiter nicht vor der osteuropäischen Billigkonkurrenz aus Osteuropa zu schützen.

Osteuropa bremst

Frankreich empfängt nach EU-Zahlen von 2011 mit rund 162.000 Arbeitern am zweitmeisten Kräfte aus dem Ausland. An der Spitze liegt Deutschland, wo 311.000 zeitweilig entsandte Arbeitnehmer gezählt wurden. Daher steht Deutschland vor der Sitzung der Arbeitsminister am Montag fest an der Seite Frankreichs – gegen etwa die EU-Kommission und mehrere osteuropäische Länder um Polen. Aus dem Land stammen mit 228.000 die meisten entsandten Arbeitskräfte.

Auch in Luxemburg ist das Phänomen Sozialdumping Realität, insbesondere im Bauwesen. Statt nach dem hiesigen Kollektivvertrag entlohnt zu werden, bekommen die ausländischen Arbeitskräfte den in ihrem Land gültigen Lohn bezahlt. Kontrollen von der „Inspection du travail et des mines“ (ITM) hatten im letzten Jahr immer wieder ergeben, dass die Zahlungen der tariflichen Mindestlöhne nicht eingehalten wurden, dass Überstunden unbezahlt blieben, dass Arbeitszeiten nicht eingehalten wurden, so Arbeitsminister Nicolas Schmit Anfang Oktober bei der Vorstellung des sogenannten „badge social“, eines Ausweises mit grundlegenden Daten der Firma, die ihre Arbeiter entsendet hat.

Die Zahl der Entsendeanträge bei den Luxemburger Behörden ist zwischen 2011 und 2012 um 18,5 Prozent gestiegen, sagte Arbeitsminister Nicolas Schmit auf Anfrage. Das Gros der entsendeten Arbeitnehmer stammt aus Deutschland, wegen des Fehlens eines flächendeckenden Mindestlohns. Andere Herkunftsländer sind Frankreich, Portugal, Polen und Rumänien.

Wer soll bestraft werden?

Heftig umstritten ist zwischen den Mitgliedstaaten, ob bei Verstößen nur ein Subunternehmer oder auch die Firma belangt werden kann, die den Auftrag weitergeben hat. Hier dringen Berlin und Paris auf eine Haftung aller Beteiligten. Auch Luxemburgs Beschäftigungsminister Nicolas Schmit schließt sich der französischen Haltung an. Zur Verantwortung gezogen werden sollte nicht nur die Firma, die in Luxemburg arbeitet, sondern auch jene, die die Arbeiter nach Luxemburg entsenden.

Die Befürworter strengerer Kontrollen zudem durchsetzen, dass die nationalen Kontrollbehörden, in Luxemburg ist das Gewerbeinspektion, sich nicht an einen festen Prüfkatalog halten müssen, wenn sie ein Unternehmen auf Verstöße prüfen. Das hatte die EU-Kommission vorgeschlagen. Damit wären die Behörden bei der Kontrolle der Einhaltung von Sozialvorschriften für entsandte Arbeitnehmer die Hände gebunden, warnen Sozialpolitiker. Denn wenn die Betrüger ihre Methoden ändern, hätten die Kontrolleure keine Handhabe mehr dagegen.

Wenig Chancen auf Kompromiss

Doch die Lage vor den Beratungen am Montag ist verfahren. Auch Nicolas Schmit sieht nur geringe Chancen auf einen Kompromiss. Zumal Litauen, das derzeit den Vorsitz in der EU hat, ebenso wie Polen und Ungarn beispielsweise gegen schärfere Regeln sind.

Die EU-Kommission fordert die Mitgliedstaaten zur Annäherung auf. Denn ohne eine Einigung bis zum Jahresende dürfte die Zeit nicht ausreichen, bis zur Europawahl im Mai das Gesetzgebungsverfahren gemeinsam mit dem Europaparlament abzuschließen. „Mein Ratschlag ist, dass wir für einen Kompromiss arbeiten, der so weit wie möglich geht, aber realistisch ist“, sagt Kommissionschef José Manuel Barroso der Nachrichtenagentur AFP. Das heiße aber nicht, dass Missbrauch ungeahndet bleiben dürfe: „Unternehmen, die Verträge zu unmenschlichen Konditionen machen, müssen bestraft werden.“