Die Saga der Spitzenweine

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Wein ist ein Geschäft und Spekulation, auch wenn er erfolgreich als Mythos und spezielle Kultur dargestellt wird.

In Bordeaux findet die weltgrößte Messe rund um den Wein, die Vinexpo statt. Hier wird nicht nur über Wein, seine Vermarktung, seine Zukunft und die stetig sinkende Lust auf Wein geredet. Ein Buch wird hinter der Kulisse diskutiert. Der Journalist Benoist Simmat hat in ihm einen Blick hinter die Kulisse der großen Wein-Namen geworfen und beschrieben, wie es zugeht.

Das andere Buch zum Wein
Der französische Journalist Benoist Simmat hat ein Buch geschrieben, in dem er den Hintergrund der französischen Weinwirtschaft beschreibt. Beschränkt hat er sich dabei auf die großen Namen wie Lafite; Margaux, Latour, Chavel Blanc, Rothschild oder wie sie alle heißen. Simmat öffnet weit die Türen für den Blick hinter die Kulisse des Bordeaux Wein Adels. Das Buch ist informativ, unterhaltend, kurz: lesenswert.
Benoist Simmat, Bordeaux Connection (in französischer Sprache), First Editions, 304 Seiten, 17,95 Euro.
wy.

Jedes Jahr Anfang April, wenn das erste Fass des neuen Weins gefüllt ist, öffnen sich 150 bis 200 Weingüter gut 6.000 Händlern, Weinkennern, Maklern, Konkurrenten und Journalisten, Gastronomen und Meinungsführern aus der ganzen Welt zu einer gigantischen Meinungsbildung. Im Bordelais geht es darum, den neuen Wein zu evaluieren, der aus Merlot, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Sauvignon Rebensaft gemixt wurde. Bordeaux Weine sind gekonnte Mischungen. Je nach Region wird auf der Basis eines Grundweines ein anderer Rebensaft in leichten Mengen hinzugefügt, der dem Graves, dem St. Emilion, dem Médoc dann den Geschmack geben soll. Der Beurteilung dieses Geschmackes sind kaum sprachliche Grenzen gesetzt. Was da als Beurteilung geredet und geschrieben wird, kommt Gedichten gleich.

Elite des Bordeaux Weines

Diese Elite der großen Namen des Bordeaux Weines wie Lafite Margaux, Latour, Cheval Blanc, Rothschild oder Talbot stellt nur zwei Hände voll von Weingütern dar, hinter denen 200 weitere stehen. Das ist die Elite des Bordeaux Weines. Sie stellt zwei bis drei Prozent der Wein-Menge dar, aber 15 bis 20 Prozent des Wertes, wobei von Zahlen bis zu einer Milliarde Euro geredet wird, so Benoist Sammit in seinem Buch „Bordeaux Connection“. Das ist weit entfernt von den Durchschnittspreisen, die für den Bordeaux Wein gemeinhin genannt werden. Bei 152 Millionen Flaschen Rotwein lag dieser Durchschnittspreis im vergangenen Jahr bei 5,15 Euro. Elf Millionen Flaschen Bordeaux Weißwein wurden für 3,64 Euro Durchschnittspreis an den Trinker gebracht. Beim Rosé lag bei 13 Millionen Flaschen der Durchschnittspreis bei 3,48 Euro. Die Preise für den Wein der großen Namen sind auch weit entfernt vom „normalen“ Bordeaux-Wein, dem AOC, der reglementierter Rotwein aus einem Anbaugebiet ist.

Was sich also bei den großen Namen jedes Jahr im April abspielt, ist ein Ritus, im Bordelais selbst qualifiziert als „menschliche Komödie“. Diese Komödie ist eine reine Spekulation. Denn hier wird ein Wein gekostet, der noch nichts ist. Der noch zwei Jahre im Fass gelagert wird und erst Ende 2016 auf den Markt kommen wird. Hier wird vermutet, wie lange er gelagert werden kann, welcher Preis möglich ist. Eine Börsenspekulation ist harmlos im Vergleich zu der komplexen Finanz- und Marketing- Aktion Anfang April eines jeden Jahres.

„Zweitmarkt“ für große Marken

Die großen Marken haben dabei längst auch einen „Zweitmarkt“ entdeckt. Denn: Warum soll man die jungen Reben, die gerade ihre Trauben entwickelt haben, nicht bereits vermarkten. Die jungen Weine werden genauso „erarbeitet“ wie die alten, großen. Aber: Sie sind preiswerter, sind der Appetithappen, nach dem der große Wein beurteilt werden soll. So bringt Château Talbot seinen Zweitwein unter dem Namen „Connetable Talbot“ heraus, ein Wein, dem man bei Tisch nichts vorwerfen kann.

Die Spekulation mit den Erst-Weinen hat ihren Preis. Derzeit werden sechs Flaschen Château Margaux in der Primeur Verkostung für 2.036 Euro angeboten. Ein Château-Lafite-Rothschild kann schon für 2.518 Euro geordert werden. Ein Château Cheval Blanc soll 2.958 Euro für sechs Flaschen kosten und sechs Flaschen Château Haut Brion kann man für 2.036 erhalten. Es handelt sich hier – um kein Missverständnis aufkommen zu lassen – um einen Wein, der derzeit nicht trinkbar ist, der gerade ins Fass gekommen ist und dort bis Ende 2016 lagert. Ausgeliefert wird er Ende 2016 oder Anfang 2017. Und es kann durchaus sein, dass der Preis sich noch erhöht, wenn die Nachfrage entsprechend ist.

Lagerzeiten bis zu 20 Jahre

Man kauft also im Grunde nur eine Option, deren Preis noch steigen kann. Spekuliert wird dabei auf die Lagerzeit. Das politische Wochenmagazin „Le Point“ hat in seiner gerade veröffentlichen Weinbeilage für diese Weine Lagerzeiten bis zu 20 Jahre für den Jahrgang 2014 angegeben. Das heißt, lagert man sie bei konstanten Temperaturen in seinem Keller, wären sie bei ihrem besten Geschmack im Jahre 2034 angekommen. Wer nicht so lange warten will, sollte aber nach der Auslieferung seinen gerade erworbenen Wein-Schatz noch mindestens fünf Jahre liegen lassen, bevor er ihn kostet. Das heißt: Man kauft die Option im Jahre 2015, erhält den Wein im Jahre 2017 und sollte ihn frühestens im Jahre 2022 trinken, möglicherweise passend zur Fußballweltmeisterschaft in Katar in der Weihnachtszeit. Ob sie dann wirklich so gut sein werden, wie jetzt als Primeurwein eingeschätzt werden, steht dabei in den Sternen. Der Wein der großen Namen ist sicher Mythos aber er ist vor allem Geschäft und Spekulation.

Kosten und Ertrag der großen Namen des Bordeaux Weines stehen dabei in keinem Verhältnis. Es gibt Gewinn-Margen, von denen man im Handel oder in der Industrie nur träumen kann. Man muss bei einem Weingut von zwei Kosten-Ebenen reden, erklärt Buchautor Benoist Simmat. Die einfache Kosten-Ebene liegt bei der Unterhaltung des Weinberges, bei der Weinlese, bei der Vinifizierung (Die „Herstellung“ des Weines), die Flaschen, das Etikett, der Korken. Hier darf man mit 15 bis 20 Euro pro Einheit bei Weingütern wie Cheval Blanc, Mouton, Haut Brion rechnen. Wesentlich größer werden die Kosten, wenn man die zweite Ebene einrechnet, die zu den „wirklichen“ Kosten führt: Der Kauf der Fässer, die Abschreibungen, die Allgemeinkosten und auch der Kampf gegen die Nachahmung. Bei den großen Namen, die in der Regel 60.000 bis 80.000 Flaschen ihres „ersten, großen“ Weines produzieren, liegen die Kosten pro Jahrgang bei um die zwei Millionen Euro. Simmat beziffert den operativen Gewinn bei um die 28 Millionen Euro. Zumindest die großen Namen des französischen Weines leiden keine Not.

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