Die Revolution geht weiter

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Es ist eine der größten Protestbewegungen, die das Land seit dem Ende der Franco-Diktatur gesehen hat. Angesichts des Erfolgs des "spanischen Frühlings" sollen die via Internet organisierten Dauer-Kundgebungen weitergehen.

Während die Politiker des Königreichs sich bei der Stimmabgabe ablichten ließen, wurde in Spaniens „Sonnenrepublik“ am Sonntag fleißig debattiert. Macht Wählen überhaupt noch einen Sinn? Und wenn ja, für wen? In einem waren sich die meisten Demonstranten auf dem Platz der Puerta del Sol (Sonnenpforte) im Herzen Madrids jedenfalls einig: Der Protest gegen die Wirtschaftsmisere und das politische Establishment muss weitergehen. Und so beschlossen sie dann auch auf einer Versammlung, noch eine Woche dort auszuharren – mindestens. „Die Revolution ist da, um zu bleiben“, sagte einer von ihnen.

Für einen längeren Aufenthalt sind die Besetzer jedenfalls ausgestattet. Der Platz, gleich gegenüber dem Sitz der Madrider Regionalregierung, hat sich in eine bestens organisierte Zeltstadt verwandelt – „Sonnenrepublik“ wird sie genannt. Unter den blauen Plastikplanen gibt es mittlerweile sogar eine Bibliothek, ein Fundbüro und eine Kindertagesstätte, gleich daneben einen Öko-Garten, wo Tomaten und Kopfsalat gepflanzt wurden. Mehrere Ausschüsse wachen darüber, dass alles funktioniert – etwa das Internet, das schließlich für den großen Erfolg der über Facebook und Twitter ausgerufenen „#spanishrevolution“ verantwortlich ist. „Sie nennen es Demokratie, aber das ist es nicht“, lautet eines der Hauptmottos.

Beispiellose Protestwelle

„Das hier ist nicht mehr aufzuhalten“, sagt Alejandro, einer der Sprecher der Bewegung „Echte Demokratie Jetzt!“, der Nachrichtenagentur dpa. „Die Welt schaut auf uns, und wir müssen diese Chance nutzen“, fügt der 25 Jahre alte Architekturstudent hinzu. Spanien hat seit dem Ende der Franco-Diktatur vor 35 Jahren eine vergleichsweise Protestwelle abseits aller Parteien und Gewerkschaften tatsächlich noch nicht erlebt. Getragen wird sie von den Opfern einer Krise, die in Spanien jeden fünften Erwerbsfähigen arbeitslos gemacht und die Jugendarbeitslosigkeit auf das europäische Rekordhoch von 45 Prozent getrieben hat.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat diese jungen Menschen als die „verlorene Generation“ bezeichnet, in Spanien wurde der Begriff der „Ni-Ni-Generation“ geprägt: es sind jene, die weder arbeiten noch studieren. Der Gründer der Protestbewegung selbst ist dafür ein Beispiel: Fabio Gándara hat Jura und Politik studiert, zusätzlich einen Master-Abschluss gemacht und spricht drei Sprachen – dennoch ist der 26-Jährige einer der fast fünf Millionen Arbeitslosen im Land. Dass er Zehntausende Menschen auf die Straße bringen würde, kann er bis heute nicht glauben.

Los Indignatos

Aber der Bewegung haben sich nicht nur Studenten und Arbeitslose angeschlossen, sondern – über alle Ideologien hinweg – all jene, die mit der gegenwärtigen Situation unzufrieden sind. Inspiriert von dem Essay „Indignez-vous“ des französische Autors Stéphane Hessel (93) nennen sie sich „Los Indignados“ (Die Empörten). So sind auf den besetzen Plätzen im ganzen Land auch viele Rentner zu sehen – die älteste im Protestcamp in Madrid ist eine 75 Jahre alte Witwe, die mit 600 Euro im Monat auskommen muss. So heterogen wie die Zusammensetzung der Bewegung sind auch ihre Forderungen. Dazu zählen unter anderen Arbeitsplätze, bessere Löhne, ein gerechteres Wahlrecht, bezahlbare Wohnungen und eine strenge Kontrolle der Banken, die sie zu den Hauptverantwortlichen der Misere zählen.

In dieser Vielfalt sehen Experten aber auch ein großes Handicap der Bewegung. „Ihre Botschaft ist zu diffus“, meinte der Soziologe Ricardo Montoro. Er ist deshalb überzeugt, dass die Proteste bald einschlafen werden. Auch Hessel mahnte: „Die Demonstranten müssen sich darüber klar werden, welches genau der Wandel ist, den sie anstreben.“