„Die Mauer aus Angst ist durchbrochen

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Proteste gegen Gaddafi weiten sich aus. In mehreren Städten gehen Oppositionelle zum "Tag des Zorns" auf die Straßen. 14 Menschen sollen bereits tot sein.

Zahlreiche Libyer sind am Donnerstag allen Einschüchterungsversuchen der Sicherheitskräfte zum Trotz auf die Straßen gegangen. Sie versammelten sich in mindestens vier Städten zu Demonstrationen und forderten unter anderem den Abtritt von Präsident Muammar Gaddafi. Bei den Kundgebungen wurden Berichten zufolge mindestens 14 Demonstranten getötet.

Sicherheitskräfte gehen mit äußerster Härte gegen die Demonstranten vor. Laut oppositionellen Medien in Libyen feuerten Scharfschützen in die Menge.

14 Protestierende seien bei den Protesten festgenommen worden, teilte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mit. In der Hauptstadt versammelten sich Hunderte Anhänger der Regierung zu Kundgebungen.

„Es ist ein neuer Morgen“

In einem über Facebook veröffentlichten Aufruf der Oppositionellen hieß es, Regimegegner sollen sich in allen Städten des Landes zu Kundgebungen versammeln. Der Donnerstag wurde zum „Tag des Zorns“ ausgerufen.

Die Proteste sollen an die Ereignisse des 17. Februar 2006 erinnern. Damals war eine Demonstration gegen die Mohammed- Karikaturen in Bengasi in eine Protestaktion gegen die libysche Führung umgeschlagen. Es gab Tote und Verletzte.

„Heute haben die Libyer die Mauer aus Angst durchbrochen. Es ist ein neuer Morgen“, sagte Fais Dschibril, ein im Ausland lebender Oppositionspolitiker.

Gegendemos von Gaddafi-Anhänger

Ähnlich wie auch andere arabische Herrscher versuchte Gaddafi, die Bevölkerung mit Zugeständnissen zu beruhigen. Er verdoppelte die Löhne der Staatsbediensteten und entließ 110 mutmassliche islamistische Extremisten. In Bengasi und Tripolis formierten sich am Donnerstag nach Angaben aus regierungsnahen Kreisen zwei Demonstrationszüge von Gaddafi-Anhängern.

Wie die amtliche Nachrichtenagentur JANA meldete, waren für Donnerstag auch Kundgebungen von Tausenden Gaddafi-Anhängern in Tripolis und anderen Städten geplant. Sie sollten die ewige Einigkeit mit dem Führer der Revolution zeigen, hieß es. Zeugen berichteten, in Tripolis hätten Regierungsanhänger libysche Flaggen an ihren Autos befestigt. Ansonsten gehe das Leben seinen normalen Gang.

Sieben Menschen tot?

Aus Oppositionskreisen hieß es am Donnerstag, seit Dienstagabend seien bei Zusammenstössen zwischen Gaddafi-Gegnern und der Polizei insgesamt sieben Menschen ums Leben gekommen.

Fünf von ihnen seien in der Stadt Al-Baidha getötet worden, zwei in der Stadt Bengasi. Bei einer Protestaktion in der Stadt Al-Kubba hätten Demonstranten eine Polizeiwache in Brand gesetzt.

Auch aus der Ortschaft Al-Zintan südwestlich von Tripolis waren am Mittwoch Anti-Gaddafi-Proteste gemeldet worden. In Amateurvideos, die am Donnerstag im Internet veröffentlicht wurden, waren Männer zu sehen, die riefen: „Du bist uns egal, oh Gaddafi, Al-Zintan hat keine Angst.“

In Bengasi, der zweitgrößten Stadt Libyens, waren in der Nacht zum Mittwoch bei Zusammenstößen zwischen Regimegegnern, Polizisten und Gaddafi-Anhängern 38 Menschen verletzt worden. Demonstranten warfen nach Medienberichten Steine auf die Polizei, die den Protest binnen einer Stunde mit Wasserwerfern und Knüppeln beendete. Demonstranten zerstörten auf einem Platz ein großes Porträt von Oberst Gaddafi.

Exilanten glauben an Druck der Straße

In Libyen, wo Revolutionsführer Gaddafi seit 1969 herrscht, sind Kundgebungen, die nicht vom Regime organisiert werden, extrem selten. Der exzentrische Staatschef hatte die jüngsten Volksaufstände in Tunesien und Ägypten scharf kritisiert und angekündigt, dass er in Libyen keine Massendemonstrationen dulden werde.

„Der Druck der Straße ist groß, in Libyen wird es genauso ablaufen wie in Tunesien und Ägypten“, sagte Abdulhamid Salim al- Haasi, ein Sprecher des libyschen Exil-Oppositionsbündnisses NCLO mit Sitz in London, am Mittwoch. Er rief die libysche Jugend auf, friedlich zu demonstrieren und nicht die direkte Konfrontation mit der Staatsmacht zu suchen.

EU verlangt Recht auf Demonstrationen

Die EU rief die libysche Führung auf, Demonstrationen und freie Meinungsäusserung zuzulassen. „Wir verfolgen die Situation ganz genau“, sagte die Sprecherin der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton.