Die Angst vor den Rechtsextremen

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(AFP)

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Das Erstarken der Rechtsextremen sorgt in Frankreich für Unruhe. Die französische Regierung will jetzt eine eine ganze Reihe von Gruppen verbieten.

Das Fass ist in Frankreich übergelaufen: Nach Monaten vor allem verbaler Scharmützel zwischen Rechts und Links hat die tödliche Prügelattacke von Skinheads auf einen jungen Antifa-Aktivisten die politische Stimmung kippen lassen. Seither spricht die Presse von einem „ekelerregenden Klima“ und die konservative Opposition von einer „beunruhigenden Radikalisierung“. Die sozialistische Regierung will nun mehrere gewaltbereite, rechtsextreme Gruppen verbieten.

Die Gründe für das Erstarken der Rechtsextremen in Frankreich sind vielfältig. Rechtsextreme Einstellungen und Aktivitäten seien in Frankreich derzeit „sichtbarer“, weil Vertreter solcher Gruppen „offensiver mit ihren Forderungen umgehen“, urteilt Claire Demesmay, die das deutsch-französische Programm bei der
Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin leitet. „Diese Leute verstecken sich nicht mehr so wie früher“, sagt sie. Eine „gewisse Radikalisierung“ im politischen Diskurs sei in Frankreich zwar nicht neu, so habe schon Nicolas Sarkozy als Innenminister 2005 polarisiert und die rechtsextreme Partei Front National (FN) sei vor Jahren viel radikaler aufgetreten als heute, ruft Demesmay in Erinnerung. Im Moment gebe es aber eine breite Verunsicherung über die Identität und Zukunft des Landes: „Der Wunsch nach einem starken Mann ist in Frankreich
da.“

Hollande am Tiefpunkt

Der sozialistische Präsident François Hollande ist dies aus Sicht der meisten Franzosen sicherlich nicht. Die linke wie die konservative Opposition verspotten ihn als „Tretbootkapitän“. Mittlerweile ist das Ansehen des Staatschefs auf einen Tiefpunkt gesunken – auf die Führungskraft von Hollande vertraut in der derzeitigen Wirtschaftskrise nur noch jeder vierte Franzose. „Es gibt einen allgemeinen Rechtsruck in der Gesellschaft und die radikalen Gruppen sind deren Ausdruck“, analysiert der
Pariser Rechtsextremismusexperte Nicolas Lebourg.

Nach einer Reihe von Vorfällen im Zusammenhang mit den Massendemonstrationen gegen die Einführung der Homo-Ehe in Frankreich, bei denen es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Rechtsextremen kam, sorgte zuletzt ein Pamphlet der neuen Gruppierung „Französischer Frühling“ für Schlagzeilen. Die aus den Anti-Homo-Ehe-Demos hervorgegangene Bewegung gab Ende Mai eine Art Anordnung heraus, in der sie „Zielgruppen“ ihres politischen Kampfes ins Visier nahm – neben der Regierung auch „die politischen Parteien der Kollaboration“. Mit dem
Zusatz: „Dieser Befehl ist sofort zu vollstrecken.“

Hintermänner unbekannt

Wer sich genau hinter dem Französischen Frühling“ – der Name gilt als Anspielung auf den „Arabischen Frühling“ – verbirgt, ist unklar. Nach Presseberichten ziehen radikal-konservative, kirchliche Kreise die Strippen, die auf rechtsextreme Schläger als Hilfstruppen zurückgreifen. Militärs und Ex-Militärs sollen die lose Bewegung ebenfalls unterstützen. Überfälle auf Homosexuelle und Morddrohungen gegen Politiker hatten sich in den vergangenen Monaten in Frankreich gehäuft.

Innenminister Manuel Valls hat nicht zuletzt wegen dieser Gewalttaten ein Verbotsverfahren gegen gewaltbereite rechtsextreme Gruppen wie den Dritten Weg und seine nur wenige dutzend Mitglieder umfassende Ordnungstruppe Nationalistische Revolutionäre Jugend (JNR) eingeleitet; Skinheads aus deren Umfeld werden für den brutalen Angriff auf den Linksaktivisten in Paris verantwortlich gemacht. Der Minister sieht aber auch den „Französischen Frühling“ als eine Gefahr für das Gemeinwesen.

Le Pen geht auf Distanz

Verbindungen personeller Art zu diesen Gruppen hat auch der Front National, selbst wenn FN-Chefin Marine Le Pen ausdrücklich Wert auf Distanz zu gewaltbereiten Skinheads legt. Die Partei der 44-jährigen Anwältin hatte bei den Wahlen vergangenes Jahr landesweit zweistellige Ergebnisse erzielt. Angesichts steigender Arbeitslosigkeit in Frankreich und zunehmender Angst vor der Globalisierung rechnet Demesmay damit, dass die rechtsextreme Partei bei den Kommunal- und Europawahlen nächstes
Jahr noch zulegen wird.