Der unbefangene Parteisoldat Hamon

Der unbefangene Parteisoldat Hamon
(AP/Francois Mori)

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Er ist 49 Jahre alt. Er präsentiert ein radikales Programm. Er ist Benoît Hamon , Spitzenkandidat der Sozialisten.

Vermutlich hat Benoît Hamon nicht damit gerechnet, dass er Spitzenkandidat der Sozialisten werden würde. Bei den Vorwahlen in der sozialistischen Partei hatte es lange so ausgesehen, als ob der „natürliche“ Kandidat, ex Premierminister Manuel Valls in den Präsidentschaftswahlkampf ziehen würde. Und dann schaltete der Parteisoldat Hamon, der seine Karriere immer nur als Politiker gemacht hatte, den Favoriten Valls mit einem unbefangen radikalen und träumerischen Programm aus.

Was war geschehen ? Er wolle, dass Franzosen sich in ihrem Land wohl fühlten, „gerne arbeiten und Kinder kriegen“, war sein Slogan. Wobei das „Kinder kriegen“ für Hamont eben der Ausdruck des Vertrauens in die Zukunft ist. Gleichzeitig aber meint Hamon, dass die Arbeit in der Zukunft weniger wird. Er übernimmt hier Thesen des US Soziologen Jeremy Rifkin, der eine Wandlung in der Gesellschaft und der Wirtschaft sieht. Der studierte Historiker Hamon spricht von der „digitalen Revolution“. „Wir produzieren mehr in kürzerer Zeit mit weniger Arbeitskräften“, sagt er. „Also müssen wir die Arbeitszeit von jetzt 35 Stunden auf 32 Stunden pro Woche verkürzen.“ Unternehmen, die das wagen, sollen staatliche Subventionen erhalten.

Verführerische Idee

Hamon geht aber noch weiter. Immer noch auf der Linie von Jeremy Rifkin liegend, hat er die Robotisierung in der Industrie als Grund für den Verlust von Arbeitsplätzen ausgemacht. Also fordert er – ganz auf der Basis sozialistischer Gedanken – eine Besteuerung von Robotern. Dass Frankreich die Produktion an sich bereits mit Steuern belegt, klammert er aus. Ebenso wie die Tatsache, dass Roboter keine Steuern bezahlen.

Die wesentliche These aber, die ihm Zulauf bei den Sozialisten brachte, war die eines Grundeinkommens für jeden ab 18 Jahren in Höhe von 750 Euro. Die verführerische Idee zeigte Wirkung bei den Sozialisten. Wirtschaftswissenschaftler schrien auf und berechneten Kosten in Höhe des Staatshaushaltes. Die Radikalität des Programms ließ ihm vor allen Stimmen aus dem jungen Lager zufließen. Sie war insgesamt so ansprechend, dass Hamon den „Realo“ Manuel Valls mit 59 gegen 41 Prozent der Stimmen abfertigte.

Keinen Zulauf

Seitdem aber geht es bergab. Was bei den Sozialisten lawinenartig mehrheitsfähig war, findet auf der breiten französischen Ebene keinen Zulauf. Hamon wird derzeit mit acht Prozent der Wählerstimmen gehandelt. Zum Entsetzen der Partei hat er die Sozialisten im Präsidentschaftswahlkampf 2017 in die Bedeutungslosigkeit geführt. Und er muss aufpassen, dass er nicht unter fünf Prozent bei der am Sonntag anstehen Wahl rutscht, weil ihm dann die Wahlkampfkosten nicht ersetzt werden.

Mit Hamon als Spitzenkandidat hat die sozialistische Partei Frankreichs den bestehenden Flügelkampf verstärkt. Hamon war nur einige Monate Minister in der Regierung Valls, bevor er aus ihr ausschied. Hamon galt danach als einer Führer jenes linken Lagers, dass sich in strikter Opposition zur Politik von Premierminister Valls und Präsident Hollande sah. Diese Opposition ging so weit, dass ihr am Ende nur zwei Stimmen für ein Misstrauensvotum gegen den eigenen Premierminister fehlten. Bei der Vorwahl der Sozialisten wählten die Mitglieder die interne Opposition zur Vertretung auf nationaler Ebene.

Zwei Lager

Hamon, der mit seinem radikalen Programm die Partei faszinierte, glaubte ernsthaft, dass er mit den Grünen und mit den Linksradikalen ein großes linkes Bündnis mit ihm als Spitzenkandidat und den Sozialisten als treibende Kraft gründen könne. Er vergeudete zwei Monate, um zwar mit den Grünen zu einer Übereinkunft zu kommen, sich aber andererseits von dem Linksradikalen Jean Luc Melenchon eine Abfuhr zu holen. Melenchon hatte erkannt, dass die Sozialisten verbraucht sind, aufgespalten in zwei Lager, die sich nicht mehr einigen würden.

In der Zeit vergeblicher Verhandlungen zog der Wahlkampf an Hamon vorbei. Die Grünen verschwanden – integriert in die Sozialisten – von der Bildfläche. Melenchon besetzte populäre – auch grüne – Themen und zog an den Sozialisten vorbei. Der immer noch wie ein großer Junge wirkende 49 Jährige stürzte ab, Stück für Stück bis auf acht Prozent.

Radikaler Parteisoldat

Der Kandidat der Mitte, Emmanuel Macron, förderte mit seiner Bewegung „En marche !“ die Spaltung der Sozialisten. Die Realpolitik der Regierung Valls war den Basis-Sozialisten ein Dorn im Auge. Die Wahl von Hamon zum Spitzenkandidaten wurde von den Realos nur im ersten Augenblick mit getragen. Valls versicherte ihn seiner Unterstützung . . . und erzählte einige Wochen später, dass er Macron wählen werde. Valls versammelte einerseits 300 Reformsozialisten, um sie bei der Stange zu halten, die Partei mit Generalsekretär Jean Christophe Cambadelis aber hatte keine Macht, Sozialisten zu binden, die gleich in 50er Einheiten zu Macron überliefen, an der Spitze der Bretone und Verteidigungsminister Le Drian, der – als Sozialist – das Sicherheitskonzept für Emmanuel Macron schrieb.

Die Wahl des radikalen Parteisoldaten Benoit Hamon hat zwei Auswirkungen : Die Sozialisten werden im ersten Wahlgang am kommenden Sonntag zu den Verlierern zählen und der sozialistischen Partei steht eine Spaltung in Realos und Basis-Sozialisten bevor. Das Überleben einer einflussreichen sozialistischen Partei ist in Frankreich derzeit nicht in Sicht. Die Präsidentschaftswahl 2017 in Frankreich : Sie wird für die Sozialisten der Augenblick der Wahrheit.