Der Schnee schmilzt

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Das Politikum FIFA.

„Wenn der Schnee schmilzt, sieht man, wo die Kacke liegt“, sagte einst Rudi Assauer. Er muss es wissen, schließlich war er sein Leben lang im Fußballgeschäft.

Seit den Festnahmen am Rande des FIFA-Kongresses im Mai jedenfalls ist eine Menge Schnee geschmolzen im Weltfußball. Dabei steht momentan weniger die Frage im Vordergrund, wer die Schneeschmelze auslöste und am meisten Interesse an ihr hat, sondern vielmehr, wie viel derzeit zum Vorschein kommt und vor allem, wer alles hineingetreten ist.

Vollste Unterstützung sagten Europas Fußball-Verbände dem von der FIFA-Ethikkommission suspendierten UEFA-Boss Michel Platini am vergangenen Donnerstag zu. Was sollen sie auch anderes machen, schließlich geht es um nicht mehr und nicht weniger als um Europas Einfluss im Weltfußball. Und der entspricht momentan eben nicht dem wahren Kräfteverhältnis in einer Sportart, in der Europas Vereine seit jeher den Ton angeben.

Doch Platini besitzt nicht gerade den besten Leumund. Suspendiert wurde er wegen des Erhalts von zwei Millionen Schweizer Franken durch die FIFA. Dieses Honorar für eine Beratertätigkeit aus den Jahren 1999 bis 2002 hatte Platini erst 2011 erhalten, was die Sache dann doch ziemlich merkwürdig macht. Zu hoffen bleibt, dass der laut France Football beste Fußballer Frankreichs des letzten Jahrhunderts die Vorwürfe in nächster Zeit plausibel enthärten kann. Sollte das geschehen, ist da noch immer ein fader Beigeschmack rund um die WM-Vergabe 2022 an Katar. Platini stimmte damals als Vertreter Europas für das Emirat und gegen die Mitbewerber aus den USA, Südkorea, Japan und Australien. Um sich nach der Vergabe dann kritisch über eine WM in der Wüsten-Sommerhitze zu äußern. 2012 wurde bekannt, dass sein Sohn Laurent in der Chefetage der Qatar Sport Investment (QSI) eingestiegen war. So etwas nennt man Vetternwirtschaft.

Wobei nicht nur im Fall Platini die Rolle der Politik interessieren dürfte. Präsident Nicolas Sarkozy hatte den Emir von Katar vor der WM-Wahl im Elysée-Palast zum Abendessen empfangen, Platini war auch dabei. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Nur ein Beispiel, das jedoch darauf schließen lässt, dass die Politik sehr wohl in dem schmutzigen Spiel mitgemischt haben dürfte,
oder es zumindest in voller Sachkenntnis geduldet hat. Immerhin wurden Präsident Blatter und die Seinen auf der ganzen Welt empfangen wie Staatsgäste.

Auch in Deutschland wurde Blatter hofiert, schließlich brachte das Sommermärchen von 2006 dem Land nicht nur ein neues, sympathisches Image in der ganzen Welt, sondern auch ganz konkrete positive wirtschaftliche Folgen. Soll zudem keiner behaupten, dass ein gemeinnütziger Verein (sic!) mit rund sechs Milliarden Dollar Umsatz im 4-Jahres-WM-Zyklus und einem Eigenkapital von 1,5 Milliarden Dollar die finanzwelthörigen Politiker von heute nicht interessieren würde.

Es werden demnach spannende Monate vor der Wahl des FIFA-Präsidenten am 26. Februar 2016. Denn bis dahin wird noch weiterer Schnee schmelzen und die Frage nach der Rolle der Mächtigen dieser Welt im Milliardenspiel Fußball verstärkt in den Mittelpunkt rücken. Die Personalie Platini wird dann wohl keine Rolle mehr spielen, denn einen echten Neuanfang im Weltfußball kann es eh nur durch die Auswechslung der ganzen alten Mannschaft geben.