Der Maidan beherrschte Gipfel

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Es war ein eher unspektakulärer deutsch-französischer Ministerrat erwartet worden. Doch das Treffen der Regierungen Deutschlands und Frankreichs am Mittwoch in Paris bekam durch die Gewalt in der Ukraine eine ganz neue Brisanz.

Von „schockierenden“ Bildern aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und gemeinsam mit Frankreichs Staatschef François Hollande drohte die Kanzlerin, die in der Frage von Sanktionen bislang eine höchst zurückhaltende Linie gefahren hatte, der ukrainischen Führung Strafmaßnahmen an.

„Es geht jetzt darum, Sanktionen ins Auge zu fassen, die die Verursacher der Gewalt treffen“, sagte Merkel, als sie mit Hollande im Pariser Elysée-Palast vor die Presse trat. Sanktionen seien wichtig „um deutlich zu machen: Es ist uns ernst damit, dass der politische Prozess wirklich wieder beginnen muss, und dass wir das nicht einfach hinnehmen können“. Hollande prangerte eine „nicht hinnehmbare“ Gewalt und Brutalität der Sicherheitskräfte an. Die Verantwortlichen müssten wissen, dass sie bestraft würden.

Lange hatte Merkel davor zurückgeschreckt, der Ukraine offen mit Sanktionen zu drohen. Ende Januar mahnte sie, Sanktionen seien „nicht das Gebot der Stunde“. Noch am Montag sagte ihr Sprecher Steffen Seibert nach einem Treffen Merkels mit den ukrainischen Oppositionsführern Vitali Klitschko und Arseni Jazenjuk in Berlin, „Verletzungen elementarer Bürgerrechte müssen bestraft“ werden – das Wort Sanktionen tauchte aber nicht auf. Die Bundesregierung fürchtete, mit Strafmaßnahmen gegen Kiew die Chancen auf eine politische Lösung des Konflikts zu torpedieren.

Deutsch-französisch-polnische Beratungen

Mit der Gewalteskalation auf dem von der Opposition besetzten Unabhängigkeitsplatz in Kiew – dem Maidan – mit mindestens 25 Toten und hunderten Verletzten wandelte sich die Lage aber dramatisch. Am Mittwochmorgen berieten deutsche, französische und polnische Diplomaten über die Situation in der Ukraine. Schon vor Mittag forderte Hollande nach einem Telefonat mit dem polnischen Regierungschef Donald Tusk „schnelle und gezielte Sanktionen“ gegen die Verantwortlichen für die Gewalt.

Darauf könnte es jetzt hinauslaufen: Am Donnerstag kommen die EU-Außenminister in Brüssel zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, um über mögliche Strafmaßnahmen zu beraten. Im Raum stehen Finanzsanktionen und Einreisesperren gegen die ukrainische Führung.

Steinmeier und Fabius nach Kiew

Merkel warnte aber in Paris vor Schnellschüssen: Die Verantwortlichen für die Gewalt müssten zunächst einmal ausgemacht werden, auch dürften Sanktionen nicht die Zivilbevölkerung treffen. „Wir müssen uns sehr genau überlegen: Wo können wir genau ansetzen.“ Auf die Frage, ob sich Sanktionen direkt gegen den ukrainischen Staatschef Viktor Janukowitsch richten könnten, sagte Merkel: „Man kann nicht von vornherein sagen, irgendjemand ist ausgenommen, der Verantwortung trägt.“

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Kollege Laurent Fabius reisen am Donnerstagmorgen nach Kiew, um sich gemeinsam mit Polens Außenamtschef Radoslaw Sikorski um eine Wiederaufnahme des politischen Dialogs zu bemühen.