Das Versagen der Überwachung

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(dpa)

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Der vermutliche Thalys-Attentäter war von Spanien innerhalb des Schengen Raumes als gefährlich gemeldet worden. Trotzdem stieg er mit einem Schnellfeuergefehr in den Schnellzug.

Ayoub el-Khazzani lebte in Algésiras, einen Flecken an der Küste im letzten Winkel Spaniens. Den spanischen Sicherheitsbehörden ist er bekannt. Er bewegt sich im Drogenmilieu, die Polizei kennt ihn als Drogenhändler. Der junge Mann besucht eine Moschee, die für die Verbreitung radikaler Ideen bekannt ist. Den spanischen Behörden erscheint Ayoub el-Khazzani als Sicherheitsrisiko und melden ihn in das Schengen Sicherheitssystem hinein. Ayoub el-Khazani wird nun europaweit überwacht. Wo immer er auftaucht, wird er gemeldet. Von dem jungen Marokkaner wird europaweit ein Bewegungsprofil erstellt.

In Frankreich wird Ayoub in das besondere System „S“ aufgenommen. Das ist ein Staatssicherheitssystem. Es wurde einst für Diplomaten geschaffen. Frankreich wollte wissen, wo und wie sie sich bewegen. Mit einer Reihe von Unterteilungen ist es erweitert worden und erfasst nun 5.000 mögliche Attentäter in der Rubrik „S13“. Mit Hilfe des Schengen Systems wissen die europäischen Behörden, dass Ayoub von Berlin nach Istanbul verschwunden ist. Die Deutschen melden das nach Frankreich, die Franzosen melden es nach Spanien. Die Spanier teilen mit, dass Ayoubel Khazzani nicht mehr in Spanien lebt, sondern in Belgien. Wann er aus der Türkei zurück gekommen ist, wie lange er dort war, ob er in Syrien war, sind derzeit ungeklärte Fragen.

Angreifer niedergekämpft

Am Freitag, 21. August 2015 steigt Ayoub el-Khazzani in Brüssel in den TGV ein, der aus Amsterdam kommt und nach Paris weiter fahren soll. Wie auf allen Bahnhöfen der internationalen TGV Züge namens „Thalys“, die von Paris nach Essen, nach Köln, nach Amsterdam, München oder nach Frankfurt und Stuttgart fahren, steht ein Schaffner an der Tür, kontrolliert die Fahrkarte, zeigt wo in etwa wo Platz ist oder verweist auf den richtigen Wagen, wenn man sich als Fahrgast geirrt hat. Während der Fahrt wird der Schaffner zum Steward, zusammen mit einer Stewardess.

So geschieht es auch im Falle von Ayoub el-Khazzani, der in Brüssel einsteigt. Thalys aber, die europäische Eisenbahngesellschaft der Hochgeschwindigkeitzüge, ist in dieses Schengen-Sicherheitsnetz nicht eingebunden. 15 Minuten nach der Anfahrt des Zuges, liegt der 25Jährige, der in Oran in Marokko geboren wurde, gefesselt auf dem Boden des Ganges in einem Wagen des Zuges. Er hat einen Franco-Amerikaner mit einem Schuss in den Rücken schwer verletzt, und ist von zwei Amerikanern (Link) und einem Briten überwältigt worden.

Andere Pläne

Der Franco-Amerikaner liegt auf der Intensivstation im Universitätskrankenhaus in Lille. Der junge amerikanische Luftwaffensoldat Spencer Stone, der Ayoub el-Khazzani angriff und außer Gefecht setzte, ist am Samstag Abend aus einem Spezialkrankenhaus für Handverletzungen entlassen worden. Stone war bei dem Kampf mit dem jungen Marokkaner an der Hand schwer verletzt worden. Er wird von Beamten der US-Botschaft in Paris betreut. Seine Aussage bei der französischen Polizei, macht er in Gegenwart von US-Diplomaten.

Nach Aussagen seiner Anwältin spricht er kein Wort französisch und ist total verwirrt. Die Kalashnikov, die er in einem Park nahe des Bahnhofs Bruxelles Midi gefunden habe, habe nicht funktioniert. Ein Terrorist sei er nicht, habe lediglich die Leute in dem Zug, die auf der Linie Amsterdam-Paris als „reich“ gelten, ausrauben wollen. An einen Schuss kann er sich nicht erinnern, sagt seine Anwältin.

Probleme bei Überwachung

Die französische Senatorin Nathalie Goulet, Präsidentin der Senatskommission für die Untersuchung des Netzwerkes der Djihadisten, verlangt eine Veränderung des Überwachungssystems „S“. Bereits in zwei anderen Fällen habe man einen Attentäter und einen verhinderten Attentäter in dem System gehabt. Der Sicherheitsexperte Louis Caprioli, ehemaliger stellvertretender Direktor der Abteilung Kampf gegen den Terrorismus der Behörde zur Sicherheits Überwachung des Landes (DST) widerspricht: „Nicht das System ist falsch. Man muss sich fragen, wer macht was mit den Informationen des Systems. Wer versagt dabei auch? Wieso kann man durch die Maschen des Netzes schlüpfen?“

Jeder habe gewusst, dass sich Ayoub von Spanien nach Frankreich, von Frankreich nach Belgien, von dort nach Deutschland, von Deutschland in die Türkei bewegt hatte. Von da aus verliert sich sein Weg bis hin zu dem Augenblick, wo Ayoub el-Khazzani bewusstlos und gefesselt auf dem Boden des TGV nach Paris liegt, nachdem er dem Schaffner beim Einsteigen brav sein Ticket gezeigt hatte.

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