Darf ein Minister ein luxemburgisches Unternehmen einfach so verkaufen? Darf er nicht, auch, wenn das Unternehmen Staatseigentum ist. Er braucht dazu eine formale Beauftragung durch den Verwaltungsrat. Hat Minister Frieden diesen Auftrag gehabt, als er einen 35 Prozent Anteil an der Cargolux an Qatar Airways verkauft hat? Das ist – trotz aller Untersuchungen – nicht geklärt. Regierungen handeln opportunistisch, müssen das Interesse ihres Landes vertreten. Unternehmen müssen Strategien für ihren Bereich entwickeln, müssen wirtschaftliches Interesse in den Vordergrund stellen, selbst, wenn sie Staatsunternehmen sind.
Die luxemburgische Regierung hat das erfahren müssen, als sie 35 Prozent der Cargolux verkauft hat. Der Privataktionär BIP Investmentpartners hat den Vertrag zurückgewiesen, weil er die Interessen des Unternehmens verletzte. Die Frage, die nicht beantwortet ist, heißt: Warum haben staatlich beeinflusste Aktionäre wie die Staatssparkasse, die Strukturbank SNCI, die Luxair ihre finanziellen und wirtschaftlichen Interessen nicht benachteiligt gesehen?
Klassischer Fall
In Staaten, in denen es eine stark von der Regierung beeinflusste Wirtschaft gibt, ist nicht selten auch ein ungenierter Umgang mit der Wirtschaft zu beobachten. Frankreich erfährt in diesen Tagen, dass der Staat aus seinen opportunistischen Interessen heraus durchaus in Kollision mit den wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen treten kann.
In Luxemburg ist der Fall Cargolux ein geradezu klassischer Fall, der aus der Nicht-Berücksichtigung der Unternehmens-Interessen und aus den daraus erfolgten Konflikten das Unternehmen in erhebliche Turbulenzen gebracht hat. Am Ende des Abenteuers Qatar Airways, für das nicht nur der Name Akbar el Baker steht, sondern auch der des Finanzministers Luc Frieden, gibt es einen ordentlichen Scherbenhaufen, der mit einer Reihe von beschädigten Personen bestückt ist.
Kommen und Gehen
Da ist Frank Reimen, der nach der Verurteilung und Entlassung des durchaus weitblickenden Chefs Ulrich Ogiermann wegen einer Kartellstrafe dessen Aufgabe übernahm und sich in der Auseinandersetzung mit dem arabischen Aktionär aufrieb.
Da ist Marc Hoffmann, der in den internationalen Verhandlungen um die Kartellstrafen das Unternehmen vor zu großen finanziellen Strafen rettete und dann von den Kataris aus dem Vorsitz des Verwaltungsrates der Cargolux gedrängt wurde. Hoffmann, der in einer sehr schwierigen Situation der Luxair dort den Vorsitz im Verwaltungsrat übernommen hatte und mit dem Management einen Strategieplan entwickelt hatte – der nun überarbeitet werden muss – warf dann auch die Brocken bei der Luxair hin.
Keine Strategie
Da ist Albert Wildgen, von den Kataris in die Rolle des Verwaltungsratsvorsitzenden bei der Cargolux gedrängt. Wildgen –Vermögensverwalter des Großherzogs – ist der Geschäftsrepräsentant Katars in Luxemburg. Er spielte im Hintergrund bei der Rettung der BIL im Dexia Untergang eine Rolle. Dass er aus dem Qatar Debakel nicht unbeschädigt herauskommt, dürfte unbestritten sein.
Da ist der Verwaltungsrat der Cargolux an sich, der in seiner Besetzung in Frage zu stellen ist. Hier wussten die Mitglieder nicht, welche Strategie sie dem Unternehmen geben sollten. Der Verwaltungsrat hat in der Zeit von Qatar Airways dem Unternehmen keine Vision gegeben und war ihm keine Orientierungshilfe. Abgesehen davon, dass man an der Besetzung des Verwaltungsrates zweifeln muss. Ein Mitglied des Staatsrates darf – schon aus Gründen möglicher Interessenkonflikte – in dem Verwaltungsrat eines Unternehmens nicht vertreten sein.
Fachmann Forson
Da ist auch Richard Forson. Der Finanzchef und derzeitige Übergangs-Generaldirektor gilt als ein herausragender Fachmann im Luftfahrt Geschäft. Bei der Bewertung der Bewerber hieß es über ihn, dass kein anderer Bewerber an seine Klasse herankommt. Seine Ernennung scheiterte letztlich daran, dass er als Mann von Qatar Airways galt. Es gehört zu den Seltsamkeiten des Falles Cargolux, dass auch jetzt, nach dem Auszug der Qatar Airways, der Verwaltungsrat sich nicht zur nötigen Qualität im Vorstandsvorsitz entscheiden kann.
Nicht auszuschließen, dass auch Paul Helminger eines Tages noch zum Kollateralschaden der Qatar Airways wird. Der Ex-Diplomat, der Ex-Bürgermeister der Hauptstadt Luxemburg, der Ex-Abgeordnete hat im Alter von 72 Jahren nun die ganze Macht beim Luxair Luftfahrt-Konzern Luxair/Cargolux. Er ist in beiden Unternehmen Vorsitzender des Verwaltungsrates. Der Luxair Konzern ist damit zur Lösung von Marc Hoffmann zurück gekehrt. Der Konzern befindet sich auf dem Weg zurück in den alten behäbigen Zustand.
Alte Wege
Ob von Helminger zu erwarten ist, dass der Konzern weiter auf den Prüfstand gestellt wird? Zweifel sind angebracht. Die Wynham Studie werde zur Kenntnis genommen, deutete er diplomatisch in einem Interview an. Mit anderen Worten: Sie wird in einer Schublade verschwinden. Die notwendige Überprüfung der Cargolux wird ausbleiben. Die Flotte von ursprünglich 13 bestellten Boeing 747/8 wird auf 14 ausgeweitet. Die Bestellung einiger Boeing 777 statt Boeing 747/8 wird abgelehnt. Deutlich wird damit immerhin, dass es diesen Gedanken, der im November 2012 in Seattle von Helminger und dem Boeing Vorstand noch zurückgewiesen wurde, immerhin gegeben hat.
Warum die Kataris die alte Strategie in Frage gestellt hatten? In der Logistik-Krise der Jahre 2011 und 2012 hatte die Cargolux ihre Flugzeuge länger in der Luft als in den Jahren zuvor und flog Verlust ein. Die viel gerühmte Flexibilität des Unternehmens war ein Hecheln nach Fracht, das daraus bestand, Fracht um jeden Preis zu fliegen. Nicht jeder Flug brachte dabei auch Gewinn.
Zahlreiche Schwächen
Die Strategie, die vom Verwaltungsrat für die kommenden Jahre beschlossen wurde, ist die Fortschreibung der alten. Cargolux, auf Platz elf der Frachtfluggesellschaften weltweit liegend, will auch weiterhin alleine arbeiten. Cargolux muss damit auch die Frachtzyklen mit ihren regelmäßigen Einbrüchen alleine bewältigen. Es ist daran zu zweifeln, dass das Unternehmen dies bewältigen kann. Die Aktionäre sind zu schwach, um das Unternehmen im Fall der Fälle zu stützen. Und das Unternehmen selbst ist zu schwach, um Verlustbereiche aus politischen Gründen mitziehen zu können.
Das zeigt sich an der nun beschlossenen Kapitalerhöhung. Sie fällt so mager aus, dass die nächste Krise der Fluggesellschaft mit der nächsten Transportkrise vorausgesagt werden kann. Und: Sie ist keine wirkliche Kapitalerhöhung. Dier Aktionäre leihen der Gesellschaft Geld und können es in Aktien umwandeln oder als Bargeld zurückfordern. Das zeigt, dass die Aktionäre der Cargolux nicht bereit sind – oder es aus den verschiedensten Gründen nicht können – die Cargolux mit einer vernünftigen Ausstattung an Eigenkapital zu versehen. Mit anderen Worten: Es gibt in Luxemburg niemanden, der 100, 200 oder mehr Millionen Euro aufbringen kann, um sie in die Cargolux zu investieren. In der vergangenen Krise bereits ist die beschlossene Kapitalerhöhung nur zur Hälfte erfolgt. 100 Millionen sollten in einer zweiten Tranche im Jahre 2010 bezahlt werden. Da das Jahr 2010 aber ein gutes Jahr in der Luftfracht war, schien die Aufstockung nicht mehr notwendig. Eine Entscheidung, die Zweifel entweder an der notwendigen Kompetenz des Verwaltungsrates aufkommen lässt oder ein Zeichen von Kurzsichtigkeit ist.
Keine Entscheidungen
Die Strategie der Cargolux berücksichtigt die Tatsache nicht, dass 35 Prozent des Kapitals noch zum Verkauf stehen und ein Partner einziehen wird. Was jetzt beschlossen wurde, signalisiert einem Partner, dass man ihn nur zu den Konditionen der Cargolux akzeptiert. Die Strategie der Cargolux lässt nicht einmal in Ansätzen erkennen, ob die Gesellschaft sich nicht in ein breiteres Spektrum mit einer veränderten Philosophie einbringen will.
Es ist auch nicht erkennbar, ob die Aktionäre bereit wären, zusätzlich zu den 35 Prozent, für die die Regierung einen Käufer sucht, weitere 14 Prozent auf den Markt zu werfen. Ein Kapitalverhältnis 51 zu 49 würde immer noch reichen. Paul Helminger sagt dazu, dass es an der Regierung sei, so etwas zu entscheiden. Das genau ist es aber nicht. Der Verwaltungsrat des Unternehmens muss die Strategie bestimmen, der Verwaltungsrat ist verantwortlich für die Vision und die Zukunft des Unternehmens und nicht die Regierung. Was er tun kann, ist eine strategische Abstimmung mit der Regierung. Die Entscheidung aber liegt bei ihm.
Auf Hub-Suche
Einen Anteil von 49 Prozent kann man an zwei oder sogar drei Interessenten verkaufen. Es könnte unter Führung von Cargolux ein globales Konglomerat der Luftfracht entwickelt werden. Der Präsident des Logistik-Unternehmens Expeditors aus Seattle hat im Gespräch mit dem Tageblatt im November vergangenen Jahrers darauf verwiesen, dass der interne asiatische Luftfracht Verkehr immer größere Dimensionen annimmt. Sowohl bei Lux Airport als auch im Luxair/Cargolux Konzern sieht man, dass Fracht an Europa und an Luxemburg vorbeifliegt. Das Luftfracht-Terminal von Luxemburg leidet darunter, dass Flughäfen wie Maastricht oder Amsterdam am Luxemburger Luftfracht-Aufkommen knabbern. Cargolux benötigt in Asien oder im Mittleren Orient einen Hub, um Fracht aufzunehmen oder zwischenlagern zu können. Dies, um in den neuen Luftfrachtströmen präsent zu sein und um dem Nachtflugverbot in Luxemburg auszuweichen. Nicht zu übersehen ist dabei, dass nicht nur Katar Luftracht aufbaut, sondern auch Abu Dhabi oder Saudi Arabien. Diese Länder liegen strategisch günstig. In der nördlichen Halbkugel hat die Lufthansa sich entschieden, einen solchen Hub in Russland einzurichten.
Die Einbindung der Cargolux in ein internationales Luftfracht-Konsortium mit multipler Flughafen Nutzung (zum Beispiel Hahn für die Antonov und Luxemburg für die 747) je nach Maschine und Fracht würde die Maintenance Einrichtung in Luxemburg auslasten und gleichzeitig die Nutzung von Wartungseinrichtungen der anderen Partner möglich machen. Ein globaler Luftfracht-Konzern spielt mit Überflugrechten, kann in Regionen der Erde arbeiten, die für Cargolux alleine nicht rentabel sind und darf Nachteile wie das Nachtflugverbot in Luxemburg auffangen. Die stolze Bekanntgabe, dass man zum Beispiel in Südamerika eine neue Strecke eröffnet hat, reicht nicht. Die Frage der Rentabilität muss ebenfalls beantwortet werden.
Strategischer Trumpf
Eine in einen globalen Konzern eingebundene Cargolux wird ihren Verwaltungsrat verändern müssen. Nicht verständlich ist, warum die Luxemburger Aktionäre während der Qatar Airways Zeit nicht bereits einen Aktionärsvertrag zur Wahrung ihrer Interessen geschlossen hatten. Spätestens beim Verkauf der 35 oder bis zu 49 Prozent wird ein solcher Vertrag nötig sein, wobei man dann auch über Umbesetzungen im Verwaltungsrat nachdenken muss. Auch Geld muss man dabei nicht in die Hand nehmen. Die 35 Prozent, die derzeit in der Hand der Regierung liegen, können ein strategischer Trumpf sein, um über Aktientausch das neue globale Luftfracht-Unternehmen Cargolux zu gründen, das dann auch stark genug sein wird, um Krisen zu überwinden.
Es fällt auf, dass solche Überlegungen innerhalb der Cargolux nicht bekannt sind oder keine Rolle spielen. Nach der Katar-Erfahrung scheint die Cargolux sich auf sich selbst zurückzuziehen. Sie fliegt zwar noch weltweit, denkt möglicherweise aber nicht mehr weltweit und umfassend, weil sie nicht stark genug ist, um den weltweiten Anforderungen zu genügen. Kein gutes Zeichen für die Zukunft, wo doch die Finanzkrise der Jahre 2007/2008 die Welt fundamental verändert hat.
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können