Sonntag16. November 2025

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Buchhandel im Wandel

Buchhandel im Wandel
(dpa)

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Die Welt des Buchhandels hat sich verändert und mit ihr die Welt für den Buchhändler. Luxemburg gilt als einer der interessantesten Buchmärkte in der EU.

Christine Well hat zu diesem Bücherherbst ihr Erstlingswerk auf den Markt gebracht. Die junge Mutter von drei KIndern managed ihre Familie und hat überdies die Zeit gefunden, ein Märchen für Kinder etwa ab 8 Jahren zu schreiben. Das Buch, das von Kindern und Zauberei und einem schusseligen Vater handelt, ist selbst ein Zauberbuch: Der Falz zwischen den Seiten leuchtet. Auf den Markt gebracht wurde das Buch von dem jungen deutschen AAVAA Verlag. Und der zeigt mit seiner Vermarktung, dass nichts mehr so ist im Buchhandel wie noch vor einigen Jahren. Der Verlag bringt das Buch als e-Reader heraus, vermarktet es im Internet Handel und auch über den klassischen Buchladen. „Et voilà“, ist man versucht zu sagen, „willkommen in der Welt des Buchhandels von heute“.

Die französische Kulturministerin, die Lothringerin Aurèlie Filippetti, hat den Gegner der Buchhändler klar identitifiziert. Bei der Eröffnung des regionalen Buchereignisses in Nancy, „le livre sur la place“, lud sie die Schuld für die Schwierigkeiten der Buchhändler in der heutigen auf Amazon und Luxemburg ab. Der Internet Buchhändler zahle in Luxemburg deutlich weniger Steuern und verschaffe sich so einen ungerechtfertigten Vorteil. Ihr Ziel, sagte sie, sei dabei, sich mit anderen Kulturministern in der Europäischen Union zu treffen, um eine Front gegen Amazon aufzubauen. Das erinnert ein wenig an Arnaud Montebourg, der durch Europa reisen und Verbündete gegen ArcelorMittal finden wollte.

Drei Sprachen

Luxemburg ist der von seiner Struktur her interessanteste Buchmarkt in der europäischen Union. Nicht nur, weil es hierzulande die vielgerühmte Mehrsprachigkeit gibt, sondern auch, weil die große Zahl der im Land lebenden Ausländer ihre besonderen Ansprüche an die Buchhändler hat. Wer derzeit das Rowling Buch „Ein plötzlicher Todesfall“ in Luxemburg kauft, findet es am preiswertesten in der deutschen Sprache mit um die 24,90 Euro. Kauft man es in französischer Sprache, kostet es 26,90 Euro. „Der Grund liegt in der Struktur des Handels in Deutschland und in Frankreich.

In Deutschland bestellen wir direkt und haben es so schnell wie Amazon. In Frankreich haben die Verlage sich in zwei Gruppen organisiert: Hachette und Interforum. Sobald wir in Frankreich bestellen, werden wir automatsch an eine der beiden Gruppen verwiesen, die dann unsere Bestellung nach Belgien weitergeben. Luxemburg wird über diese Gruppen und über Belgien beliefert. Das koste mehr und benötigt mehr Zeit, sagt Fernand Ernster, Vorsitzender der Luxemburger Buchhändler. Das strukturelle Problem verteuert damit französische Bücher in Luxemburg.

Keine Preisbindung

Luxemburg verfügt, so Ernster, über etwa 20 Buchhändler. „Der Buchmarkt“, so Ernster, der sich in der vergangenen Woche auf der Frankfurter Buchmesse umgeschaut hat, „veränderte sich durch Amazon. Das Unternehmen hält etwa 80 Prozent der Anteile am Internet Buchhandel“. Der normale Buchhandel könne zumindest was Deutschland angehe, mit Amazon durchaus mithalten. „das ist, anders als man gemeinhin glaubt, keine Frage des Preises. Wir haben ja auch in Luxemburg keine Preisbindung“, sagt er. Der immense Vorteil von Amazon ist der Ruf. „Es ist die Professionalität, mit der Amazon sich um den Kunden kümmert. Der Kunde wird informiert, dass seine Bestellung eingegangen ist. Der Kunde erfährt, wann sein Buch kommen wird. Kurz: Amazon leistet den Service, der eigentlich einmal unserer war und den wir wieder leisten müssen. Amazon hat sich über seine Professionalität seinen großen Vorteil erarbeitet“.

Ernster selbst ist seit 1996 im Netz vertreten. Die Buchhändler könnten alle zusammen in Luxemburg denselben Service im Netz bieten. Die Kosten sprechen dagegen. „Sie müssten als Buchhändler auf einer Internet-Seite deutsche, französische, englische und luxemburgische Titel aufweisen. Wir sehen uns also Kosten gegenüber, die Buchhändler nicht tragen können. Hinzu kommt, dass wir als Buchhändler das gesamte Sortiment vorrätig halten müssen. Dabei machen wir unseren Umsatz zu 80 Prozent mit nur 20 Prozent der Titel. Der Rest trägt zu unserer Glaubwürdigkeit bei.

Strukturelle Veränderungen

Konkurrenz ist dabei nicht nur das Internet. In Super- oder Hypermärkten wird Literatur mit 25 bis 30 Prozent Nachlass angeboten.“ Ernster geht davon aus, dass es noch zu einem Büchereisterben kommen wird. Wir haben es mit strukturellen Veränderungen zu tun, die dazu führen, dass die Reserven der Buchhandlungen schwinden. Mieten zum Beispiel können in dem einen oder anderen Fall gerade eben noch bezahlt werden“.

Die strukturelle Veränderung im Buchhandel hat in Deutschland noch größere Auswirkungen. Hier hat die zur Douglas Gruppe gehörende Bücherladen-Kette Thalia angekündigt, 15 Filialen zu schließen. Auch Bouvier in Bonn, eine Buchhandlung, die bundesweite Ausstrahlung hatte, mit der Generationen von Schülern und Studenten groß geworden sind, wird schließen. In Deutschland werden von vier von zehn Euro Umsatz von großen Ketten gemacht. Die Zahl der klassischen Sortimentsbuchhandlungen beträgt nur noch 3.500. Der Wandel des Handels wird dabei auch von den großen Ketten selbst genutzt. Thalia macht 15 Prozent des Umsatzes mit dem Internet. Eine Möglichkeit, die den Luxemburger Sortiments-Buchhändlern aus Kostengründen nicht gegeben ist.

Frage der Reichweite

Das Buch kreiert seinen Markt dabei selber. In Frankreich fahren die Druckereien Sonderschichten für das Werk, das den herausragenden Preis „Goncourt“ oder den Preis „Femina“ bekommt. Die Bücher werden mit roten Bändern umwickelt, um dem Leser zu sagen, dass man dieses Buch haben muss. Der Titel, der in Deutschland den Deutschen Buchpreis erhält, darf auf eine Auflage von mindestens 300.000 Exemplaren hoffen. Und Bestseller in Deutschland können heutzutage zwischen 500.000 und eine Million Exemplare erreichen.
Die Verlage spielen die Wandlung in der kommerziellen Landschaft bewusst mit. Die großen Verlage in Deutschland sind in allen Bereichen des Handels vertreten. Sie bringen, wie der aavaa Verlag von Christine Well selbst das Kinderbuch gleichzeitig als e-book, im Internet Handel und als gedrucktes Werk auf den Markt. Der Verlag schöpft alle Wege des Vertriebs selbst aus. Dabei gilt es, Unterschiede zu machen.

Der Suhrkamp Verlag scheint in Deutschland das System am weitesten ausgeschöpft zu haben. Er geht so weit, das genre e-book als eigenes Genre anzubieten, das es in gedruckter Form gar nicht mehr gibt. Das e-book wird auch von Fernand Ernster nicht als wirklicher Konkurrent angesehen. Man nimmt sein „Kindle“ im Zug, im Flugzeug, und kann lesen, was in seinem Reise-Umfeld nicht zu identifizieren ist. In Deutschland geht man davon aus, dass das e-book dem Taschenbuch-Absatz schaden wird. Zur Verfügung gestellt, so meint auch Fernand Ernster, wird vor allem leichte Literatur. Auf der Buchmesse gingen Fachleute davon aus, dass vor allem Krimi und Erotik die e-book-Bereiche werden. Von dem Bestseller „Shades of grey“ wurden zehn Prozent als e-book verkauft.

Frage der Wirtschaftlichkeit

Hinzu kommt, dass Suhrkamp seine Bestseller auch direkt über seine Internetseite verkauft, Beststeller, die man zusätzlich auch im Buchladen kaufen kann. Und der Verlag verweist auf die Internetseiten von Amazon, von Buch.de oder Bücher.de, auf denen man Suhrkamp Titel auch bestellen kann. Der Verlag verfälscht damit die kommerzielle Situation. Er stellt sich einerseits als Partner für den Buchhandel dar, ist andererseits aber auch dessen Konkurrent. Der „normale“ Sortiments-Buchhändler kann hier nicht mehr mithalten. Fernand Ernster tut das, was mancher deutsche Buchhändler zwischenzeitlich auch tut: Er verkauft e-Reader wie „kindle“. Der nächste Schritt, über seine Internetseite auch die e-books herunterladen zu lassen, ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit, die bisher negativ beantwortet wird.

Das französische System, scheint die Wandlung rund ums Buch und den elektronischen Inhalt so weit noch nicht vollzogen zu haben. Bei Gallimard kann man auf der Internetseite noch nicht einkaufen. Aber die Entwicklung zeigt, dass das Verlangen nach Steuergerechtigkeit à la francaise jedenfalls zu kurz gegriffen ist. Die junge Kindermärchen Autorin Christine Well freut sich derweil, dass ihr Buch auch als e-Book heruntergeladen und verkauft wird.