Freitag14. November 2025

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Asselborn und Co. nehmen kein Blatt vor den Mund

Asselborn und Co. nehmen kein Blatt vor den Mund
(Tageblatt/Jean-Claude Ernst)

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Jean Asselborn nimmt oft kein Blatt vor den Mund - am Montag haben es ihm der deutsche und der französische Außenminister in Luxemburg gleichgetan. Hier die Highlights.

In regelmäßigen Abständen finden sich Europas Diplomatiechefs in Luxemburg wieder. Eher ungewöhnlich ist hingegen ein fast zwei-stündiger Debattiermarathon zwischen Jean Asselborn, Sigmar Gabriel und Jean-Marc Ayrault.

Dies war jedoch am Montag der Fall. Trotz vollem Programm und Abreise im Blitztempo haben sich Luxemburgs Außenminister und seine zwei Amtskollegen aus Frankreich und Deutschland ausführlich über die Zukunft Europas unterhalten – und dabei kein Blatt vor den Mund genommen.

In der Abtei Neumünster beantworteten die drei Außenminister im Rahmen einer Veranstaltung des Institut Pierre Werner (IPW) Schülerfragen. Was nach einer Routine-Veranstaltung klang, kitzelte jedoch aus den drei Herren erfrischend offene Antworten hervor. Wie politisch diese zum Teil waren, zeigen die folgenden Passagen.

Jean Asselborn

– Auf die Frage, welche Rolle soziale Medien mit Blick auf die Politik spielen, erzählte Jean Asselborn von der jüngsten Joe-Thein-Polemik. Ohne ihn beim Namen zu nennen, meinte er trocken, dass Politiker heutzutage darauf achten müssten, sich auf Facebook zu benehmen. Der Außenminister kommentierte den Rücktritt Theins zur allgemeinen Belustigung wie folgt: „Das ist wirklich kein Schaden für Luxemburg“.

– Auch die Flüchtlingsherausforderung interessierte die Schüler. Asselborn erinnerte daran, wie kompliziert es bereits gewesen sei, sich auf die Flüchtlingsquote zu einigen. „Ich habe am eigenen Leibe erlebt, was das für ein politischer Kampf war“. Erst die berühmte Abstimmung in Luxemburg habe dazu geführt, dass man sich auf den Verteilungsschlüssel habe einigen können. „Es ist uns nicht gelungen, dies freiwillig zu tun.“ Asselborn unterstrich, dass es nicht akzeptabel sei, dass nun Länder wie Griechenland und Italien mit der Problematik alleine zu Recht kommen müssten. „In zehn bis zwanzig Jahren wird niemand mehr verstehen, wieso wir so gehandelt haben.“

Sigmar Gabriel

– „Wo sitzen eigentlich die Schüler?“ Mit dieser Frage begann der deutsche Außenminister seine erste Antwort. „Das nächste Mal müssen Sie sich nach vorne sitzen. Nichts gegen die älteren Semester.“ Die Sympathie des Publikums waren ihm damit sicher. In der Abtei Neumünster hatte sich alles, was Rang und Namen hat, eingefunden. Diplomaten, Wirtschaftsvertreter und Politiker ließen es sich nicht nehmen, an der Veranstaltung teilzunehmen. Dafür mussten fast alle Schüler, bis auf die Vertreter ihrer Schulen, in den hinteren Reihen sitzen.

– „Nur Sparen hilft gar nichts. Es gibt in Griechenland keine sozialen Sicherungssysteme. Wenn ein junger Mensch keine Arbeit hat, dann lebt er von der Rente von Oma und Opa.“ Nur Sparen treibe diese Menschen aus dem Land und tiefer in die Armut. Gerade Deutschland predige jedoch Sparen und Reformen voran zu treiben. Beides gehe nicht gleichzeitig. Deutschland habe dies auch nicht getan, fordere es aber ständig. Nur Geld fließen lassen, helfe jedoch auch nicht. „Sie können jetzt einen Geldsack nach Griechenland bringen. Aber das Land hat Strukturen, wo man einfach sagen muss, dass sie während Jahrzehnten die Beute der Eliten waren.“

– „Jede Investition in Europa zahlt sich für mein Land aus. (…) Wir müssen anfangen, die richtigen Geschichten zu erzählen. Seit Jahrzehnten erzählen auch die proeuropäischen Parteien viel zu viele nationale Geschichten. Immer wenn uns etwas in der Politik nicht passt, sagen wir: ‚Die in Brüssel‘. Meistens haben wir das, was die in Brüssel machen, vorher selbst angestiftet.“

Jean-Marc Ayrault

– „Auf internationaler Ebene gibt es Menschen, die Europa nicht mögen. Es gab eine Wahl in den USA“, so der französische Außenminister. Die Trump-Administration sei jedoch dabei, einen Kurswechsel vorzunehmen. „Umso besser. Denn wir wehren uns. Nach dem Brexit meinte Trump in der Bild und der Times: ‚Bravo! Wann folgen die nächsten?'“

– „Wir müssen aufhören mit dieser Politik des ‚I want my money back‘. Die Aufnahme von Flüchtlingen muss solidarisch stattfinden“, so Ayrault in Anspielung auf den legendären Ausspruch von Margaret Thatcher.

– „Ich bin nicht der Präsident der USA“. Solche Sätze kann nur ein Außenminister von sich geben, wenn er am Amtsende angelangt ist. Ayrault gab diese Antwort auf die Frage, wie er soziale Medien benutzen würde.

Lesen Sie die Dienstag-Ausgabe des Tageblatt (04.04.2017), um herauszufinden, weshalb Deutschland sich laut Gabriel mal nicht so oft im Ton vergreifen und Frankreich sich mit seinen AKWs an die eigene Nase fassen sollte.