Seit langem ähneln die Diskussionen über Freihandelsabkommen Glaubensfragen: Man spricht sich prinzipiell für sie aus oder lehnt sie ab. Diskussionen über den Inhalt sind quasi unmöglich geworden. Und selbst wenn die Inhalte in den Fokus geraten, bleibt der Nachgeschmack, dass beide Lager nur die für ihre Argumentation stimmigen Aspekte fokussieren.
So viel vorweg: Luxemburg befürwortet das bereits fertig ausgehandelte Freihandelsabkommen CETA mit Kanada. TTIP, das den transatlantischen Handel mit den USA ankurbeln soll, wird zurzeit noch ausgehandelt. Mit Blick auf TTIP meinte Jean Asselborn am Donnerstagmorgen im Außenministerium unzweideutig: „Es gilt die Devise: Substanz vor dem Kalender. Momentan erlaubt die Substanz noch gar keine Diskussion über den Kalender.“
Die roten Linien
Der Außenminister spielte damit auf die roten Linien an, die im Zusammenhang mit TTIP von der EU-Kommission gezogen worden sind. Solange diese von den Amerikanern bei der Aushandlung von TTIP überschritten würden, sei ein Abschluss der Diskussionen noch nicht absehbar.
Wieso also die Warnung „CETA nicht mit TTIP verwechseln“? In Luxemburg und auch in zahlreichen anderen EU-Mitgliedsstaaten sorgen sich Plattformen, NGOs und Bürger, dass CETA als Hintertür für TTIP genutzt werden könnte. Aus Asselborns Perspektive hinkt dieser Vergleich vor allem wegen eines zentralen Aspekts: „Wir leben in einer globalisierten Welt. Wenn wir uns dieser Tatsache bewusst sind, können wir uns nicht gegen Freihandel aussprechen. Ansonsten können wir genauso gut einen Zaun um die EU bauen und uns abschotten.“
Regeln für den Freihandel
Dies bedeute jedoch nicht, dass es für den Freihandel keine Regeln gebe: „Die EU ist sich bewusst, dass es klare Regeln für den Freihandel geben muss. Kein Handelspartner darf benachteiligt werden. Im Falle von CETA wird Luxemburg nicht benachteiligt.“ Asselborn wehrt die Kritik ab, dass CETA als Hintertür für die TTIP-Forderungen genutzt werde: „CETA ist keine Plattform, die als Hintertür genutzt wird, um umstrittene TTIP-Forderungen durchzuboxen.“
Außerdem halte CETA sich an die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und sei demokratisch. Als geläufiges Beispiel hierfür wird immer wieder das Verschwinden der ISDS-Schiedsgerichte (Investor State Dispute Settlement) genannt. Sie wurden durch sogenannte Investitionsgerichtshofe (ICS) ersetzt. Diese werden nun als demokratischer als ihre Vorgänger gepriesen. So nannte etwa der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ICS einen richtigen „Handelsgerichtshof“.
Etikettenschwindel?
Kritiker bemängeln jedoch, dass es sich lediglich um Etikettenschwindel handle. Sie berufen sich dabei etwa auf eine Stellungnahme des deutschen Richterbunds (DRB), aus der hervorgeht, dass auch die neuen ICS alles außer rechtmäßig seien. Sie stellen zudem die prinzipielle Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Handelsgerichtshofs beziehungsweise Schiedsgerichts.
So heißt es in der DRB-Kritik: „Weder das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der Richter des ICS noch deren Stellung genügen den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten. Das ICS erscheint vor diesem Hintergrund nicht als internationales Gericht, sondern vielmehr als ständiges Schiedsgericht.”
Jean Asselborn hält CETA jedoch vor allem aus einer nationalen Perspektive für Luxemburg wichtig.
Lesen Sie morgen in der Print-Ausgabe des Tageblatt, welche Rolle CETA für den luxemburgischen Handel spielt und wo die TTIP-Knackpunkte der Luxemburger Regierung liegen.
De Maart
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