Alexej Nawalny: Putins unermüdlicher Widersacher

Alexej Nawalny: Putins unermüdlicher Widersacher
(AFP/Vasily Maximov)

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Alexej Nawalny kennt das Szenario schon. Noch bevor am Montag Zehntausende seinem Aufruf zu neuerlichen Protesten gegen Korruption in Russland folgen, wird der Kreml-Kritiker bereits festgenommen. Ein Porträt des 41-Jährigen.

Noch am selben Tag wird Alexej Nawalny in einem Schnellverfahren verurteilt, diesmal zu 15 Tagen mehr als noch Ende März, wo ihn ähnliche Massenproteste für 15 Tage hinter Gitter gebracht hatten. Der 41-jährige Blogger reagiert mit Ironie: „Sie haben nicht nur das ganze Land bestohlen, wegen ihnen werde ich auch das Depeche-Mode-Konzert in Moskau verpassen.“

Nawalny will in Berufung gehen

Nach der neuerlichen Verurteilung des russischen Oppositionellen Nawalny wollen dessen Anwälte in Berufung gehen. Im nächsten Schritt schließe man nicht aus, auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu klagen, sagte Nawalnys Anwalt, Dmitri Terechow, der Agentur Tass zufolge am Dienstag in Moskau. In der Nacht war der Kremlkritiker wegen des wiederholten Verstoßes gegen die Regeln zur Organisation von Protesten von einem Moskauer Gericht zu 30 Tagen Arrest verurteilt worden.

Das Gericht habe mehrere Anträge der Verteidigung abgelehnt, teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch mit. Nawalnys Anwälte wollten die Verhandlung unter anderem am späten Montag vertagen, um sich in die Anklageunterlagen einlesen zu können.

Am Dienstag wollten Richter über weitere festgenommene Demonstranten entscheiden. Unter anderem war in der russischen Hauptstadt der bekannte Oppositionelle Ilja Jaschin in Gewahrsam genommen worden. Ihm drohten wegen der Teilnahme an dem Moskauer Protest bis zu 15 Tage Haft.

Die Europäische Union fordere die sofortige Freilassung aller Festgenommenen, teilte ein Sprecher mit. (DPA)

Ob sich Kreml-Chef Wladimir Putin mit dem Vorgehen gegen seinen Widersacher einen Gefallen tut, ist zweifelhaft: Der große Zulauf vor allem junger Leute zu den landesweiten Anti-Korruptions-Kundgebungen dürfte Nawalny ermutigen und seine Stellung als Wortführer der bedrängten russischen Opposition stärken – auch wenn das russische Staatsfernsehen weder über die Proteste noch über die Festnahmen berichtete.

Will 2018 gegen Putin kandidieren

Zehntausende waren am Montag nicht nur in den Metropolen Moskau und St. Petersburg auf die Straße gegangen. Landesweit nahmen die Behörden mehr als 1.500 Demonstranten fest (Link), Ende März waren es rund 500 weniger gewesen. Beide Male war der Initiator Nawalny darunter, der freilich schon vorher seine Erfahrungen mit der russischen Justiz machte. So wurde er im Juli 2013 in einem Betrugsprozess zu fünf Jahren Haft verurteilt, die Strafe wurde später aber zur Bewährung ausgesetzt. Immer wieder strengte die Justiz neue Verfahren gegen ihn an. Anfang Februar wurde er in einem neu aufgerollten Prozess abermals zu fünf Jahren Haft auf Bewährung wegen Veruntreuung verurteilt.

Der 41-Jährige kündigte daraufhin an, trotzdem bei der für März 2018 geplanten Präsidentschaftswahl gegen Amtsinhaber Putin anzutreten. In der schwachen russischen Opposition gibt es niemanden, der landesweit so bekannt ist wie Nawalny. Im Ausland gelangte Nawalny als Anführer der Proteste gegen die umstrittene Parlamentswahl im Dezember 2011 und die Wiederwahl von Putin ins Präsidentenamt im Mai 2012 zu Bekanntheit. Das „Time“-Magazin wählte ihn 2012 gar unter die hundert einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt.

Umstritten: nationalistische Rhetorik

Dabei ist Nawalny umstritten: Seine nationalistische Rhetorik und die Teilnahme an Aufmärschen ausländerfeindlicher Gruppierungen sorgen bei vielen für Empörung. Seinen Ruf als furchtloser Kritiker der Mächtigen verdankt Nawalny vor allem dem Internet. Dort veröffentlicht er seit 2007 in seinem Blog kritische Recherchen über die dubiosen Geschäftspraktiken russischer Großkonzerne, die sich teilweise in Staatsbesitz befinden. Auch das Fehlverhalten ranghoher Funktionäre machte er im Netz publik. 2012 rief er eine Anti-Korruptions-Stiftung ins Leben. Auch die Kundgebungen vom Montag fanden vor dem Hintergrund von Nawalnys Anti-Korruptions-Aktionen im Internet statt.

Sein YouTube-Video mit Anschuldigungen gegen Ministerpräsident Dmitri Medwedew wurde inzwischen 22 Millionen Mal angeklickt (zum rund 50-minütigen Video geht es hier). Nawalny wirft Medwedew vor, über ein undurchsichtiges Netzwerk von Stiftungen ein Immobilienimperium zu kontrollieren.

Viele junge Leute

Auffällig war, dass auch am Montag wieder besonders viele junge Leute dem Aufruf Nawalnys zu Protesten folgten. „Als Politiker der jüngeren Generation hat Nawalny eine einzigartige Stellung“, sagt Nikolai Petrow von der Moskauer Wirtschaftshochschule. Nawalny sei es gelungen, sich als Oppositioneller in der Öffentlichkeit zu profilieren – „und dies in einer Zeit, in der die öffentliche Politik praktisch zu existieren aufgehört hat“.

Nawalnys erklärtes Ziel ist die Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2018, der Sturz Putins und die juristische Aufarbeitung der Korruption in Russland. Ob es dazu kommt, ist freilich fraglich. In den Städten hat Nawalny durchaus Anhänger. Viele Russen glauben aber der Regierungsdarstellung, dass er ein Gauner und ein Strohmann des Westens sei.