Schmerzhaftes Urteil

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Tief sitzt der Schock in Kroatien über das vermeintliche Schandurteil in Den Haag.

Die lange Haftstrafe für den als Nationalhelden verehrten Berufskrieger Ante Gotovina wird von vielen Kroaten als ungerechtfertigt und Bestrafung für den gerechten Vaterlandskrieg gegen den serbischen Aggressor empfunden. Tatsächlich hielten während des Kroatien-Kriegs serbische Truppen jahrelang große Teile des Territoriums des damaligen Staatenneulings besetzt, machten sich zahlreicher Kriegsverbrechen schuldig.

Ante Gotovina (Foto: AFP)

Doch mit fremden Verfehlungen lassen sich keineswegs die eigenen rechtfertigen: Der vom autoritär regierenden Kriegsfürsten Tudjman sorgfältig gepflegte Mythos vom gerechten Krieg ließ die Kroaten nicht nur in der nahen Herzegowina, sondern auch im eigenen Land viel zu lange und selbstgefällig über die von den eigenen Truppen begangenen Verbrechen hinwegschauen. Krieg ist Krieg – und beim Hobeln fallen Späne, pflegen viele Kroaten noch heute die nachhaltige Vertreibung der serbischen Minderheit aus der Krajina zu kommentieren.

Doch deren verlassene Dörfer im Hinterland der dalmatinischen Küste wurden oft keineswegs im Gefecht, sondern erst danach planmäßig zerstört. Ziel war die ethnische Säuberung der Krajina: Den geflüchteten Serben sollte die Lebensgrundlage und Rückkehrmöglichkeit entzogen werden. Die Entzauberung der Mär vom ausnahmslos sauberen Vaterlandskrieg vor dem UN-Tribunal mögen viele Kroaten nun als schmerzhafte Niederlage empfinden. Doch manchmal haben Schmerzen auch eine reinigende Wirkung – und vielleicht lösen sie eines Tages einen etwas selbstkritischeren Umgang mit der eigenen Kriegsvergangenheit aus.