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Die Aufhebung des Ausnahmezustands darf keineswegs in einen Überwachungsstaat münden, in dem alle unsere Schritte und Tätigkeiten einer permanenten Überwachung unterliegen Foto: Police grand-ducale

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Aufgrund der Corona-Krise wurden unsere sozialen und demokratischen Rechte stark eingeschränkt. Das basierend auf einem umstrittenen Verfassungsartikel, der wegen einer möglichen Terrorgefahr 2017 in unserem Grundgesetz verankert wurde. Dieser Artikel 32.4 ermöglicht es dem Gesetzgeber, den nationalen Notstand auszurufen und damit bestehende Gesetze außer Kraft zu setzen, wenn die vitalen Interessen eines Teils oder der ganzen Bevölkerung bedroht sind. Auch wenn diese Verfassungsänderung aufgrund der aktuellen sanitären Krise eine bestimmte Legimitation erhielt, so hoffen und erwarten wir, dass die demokratischen Spielregeln, die verbesserungsfähig sind, baldmöglichst wieder Gültigkeit haben werden.

Als Gewerkschaften haben wir einen langen Kampf geführt für unsere sozialen und demokratischen Rechte, wie wir sie heute kennen. Hierzu zählt auch das allgemeine Wahlrecht, das vor gut 100 Jahren erstritten wurde. Damals verlangten viele fortschrittliche Politiker ebenfalls die Abschaffung der Monarchie und die Einführung der Republik, was u.a. durch ein Referendum abgelehnt wurde. Die kürzlich im Waringo-Bericht dokumentierten Missstände am Luxemburger Hof führten nicht zu einer erneuten Infragestellung der Monarchie. Auch die linken Politiker, mit Ausnahme u.a. der Jungsozialisten, sind königstreuer geworden. Sie wollen die Monarchie nicht abschaffen, sondern modernisieren und damit deren Bestand in Zukunft absichern.

In puncto demokratische Defizite bei uns, sowohl in institutioneller als auch in ökonomischer Hinsicht, ist die Monarchie nur die Spitze des Eisbergs. Auf institutioneller Ebene sei hier der Staatsrat erwähnt, ein Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert, der ohne jegliche demokratische Legitimation in das Gesetzgebungsverfahren eingreift. Auch wenn wir mit Genugtuung auf 100 Jahre Wahlrecht zurückblicken können, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir riskieren, uns auf einen Apartheid-Staat zuzubewegen. Immerhin können 47% der Einwohner bei uns nicht an den Wahlen zur Abgeordnetenkammer teilnehmen. Hinzu kommen rund 214.000 Grenzpendler, die unsere Wirtschaft und unser Sozialsystem am Leben halten.

Demokratische Unzulänglichkeiten

Als Gewerkschaften haben wir von Anfang an das europäische Einigungswerk unterstützt. Wir traten ein für ein solidarisches, soziales und demokratisches Europa. Dass in dem Zusammenhang verschiedene nationale gesetzgeberische Kompetenzen an die europäischen Institutionen übertragen wurden, ist völlig normal. Leider lässt das demokratische Funktionieren dieser Institutionen sehr zu wünschen übrig und von einem sozialen und solidarischen Europa sind wir noch weit entfernt. Die EU hat ihrerseits mit einer Reihe von Ländern Freihandelsverträge ausgehandelt, deren Anwendung und Weiterentwicklung keinerlei demokratischer Kontrolle unterliegen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Wirtschafts- und Finanzlobbyisten national, europäisch und auch international zunehmend die Handlungsweise der gewählten Volksvertreter beeinflussen. Diese zunehmende Einflussnahme der Wirtschafts- und Finanzindustrie auf die politischen Entscheidungen hat u.a. auch zu Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen geführt und somit die aktuelle sanitäre Krise verschlimmert. Die Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik, in den vergangenen Jahren im öffentlichen und sozialen Dienstleistungsbereich, hat unsere demokratischen und sozialen Rechte eingeschränkt. Denn es ist sicher sinnvoller und weitaus demokratischer, wenn in den Parlamenten oder den Gemeinderäten über Gesundheits- und Wasserversorgung oder etwa über den öffentlichen Transport entschieden wird anstatt in den Konzernzentralen von multinationalen Gesellschaften.

Auch wenn viele von uns aufgrund der sanitären Krise mit den kollektiven und individuellen Einschränkungen, die unser tägliches Leben betreffen, einverstanden waren, so erwarten wir, dass der Krisenzustand so bald wie möglich aufgehoben wird. Die Aufhebung des Ausnahmezustandes darf keineswegs in einen Überwachungsstaat münden, in dem alle unsere Schritte und Tätigkeiten einer permanenten Überwachung unterliegen.

Einen neuen Wandel einleiten

Wir erwarten vielmehr, dass die richtigen Lehren aus dieser Krise gezogen werden, um einerseits besser auf Krisensituationen reagieren zu können und andererseits die demokratischen, sozialen und ökologischen Defizite, mit denen wir konfrontiert sind, zu beseitigen. In arbeitsrechtlicher Hinsicht müssen natürlich die Ausnahmebedingungen, die in verschiedenen Berufen verhängt wurden, um höhere Tages- und Wochenarbeitszeiten zu ermöglichen, wieder rückgängig gemacht werden. Darüber hinaus sollten in diesen Sektoren die Effektive nach oben angepasst, die Berufe revalorisiert und eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung eingeleitet werden.

In der Vergangenheit wurde ab und zu in Sonntagsreden das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft beschworen, ohne dass entsprechende Akzente gesetzt wurden. Auch wenn in dieser Hinsicht unsere Erwartungshaltung eher bescheiden ist, erwarten wir uns zumindest, dass die Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik auf den Prüfstand gestellt wird.

Der von uns und von vielen anderen präkonisierte soziale, demokratische und ökologische Umbruch unserer Gesellschaft erfordert viel gewerkschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement. Dies wird nicht einfach zu bewerkstelligen sein. Da aber die Hoffnung zuletzt stirbt, sollten wir unseren dementsprechenden Einsatz nicht aufgeben.

*Der Autor ist ehemaliger Präsident des FNCTTFEL-Landesverbands

J.Scholer
5. Mai 2020 - 8.19

Das europäische Umfeld, nicht nur man demokratische Grundrechte und Freiheiten eingeschränkt hat, hat dem Nationalstaat wieder Vorschub geleistet. Luxemburg sollte vor den Heuchlern europäischer Solidarität, Einigkeit auf der Hut sein und konsequent den Weg beschreiten , die Vorreiterrolle spielen für ein humanistisches, soziales, demokratisches Europa . Doch auch unsere Politik, egal welcher Couleur sollte sich hüten, das Virus nicht als Alibifunktion zu gebrauchen ,den Bürger in seinen Rechten einzuschränken. Die Bürger werden auf der Wacht liegen, jede undemokratische Überwachung , Handeln anzuprangern.