Corona-Tagebuch (56)Freitag, 22. Mai: Das blühende Leben in Trier

Corona-Tagebuch (56) / Freitag, 22. Mai: Das blühende Leben in Trier
Warten auf Erleuchtung im Ländchen: Ein Luxemburger genießt in der Zwischenzeit seinen Gin Tonic am Domplatz in Trier. Er ist nicht der einzige.  Foto: Marco Goetz

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Das Coronavirus beherrscht das Leben in Luxemburg. Die Lage scheint jetzt etwas entspannter, ist aber immer noch weit entfernt von gewohnter Normalität. Eigentlich immer noch genau der richtige Zeitpunkt, um seine Gedanken mal wieder in einem Tagebuch niederzuschreiben. Was fällt uns auf, was empfinden wir und was erwarten wir? Das Corona-Tagebuch des Tageblatt gibt Einblick in diese Gedankenwelt. 

Liebes Tagebuch, noch herrscht Ausnahmezustand im Ländchen, aber der Alltag verlangt mehr und mehr nach unserer Präsenz. Trotzdem wollte ich mir die Zeit nehmen, um dir ein wirklich schönes Erlebnis anzuvertrauen: einen Ausflug nach Trier.  

Auf diese kleine Eskapade am Freitag haben wir uns alle sehr gefreut. Auf das Wiedersehen mit guten Freunden, auf die historischen Gebäude der ältesten Stadt Deutschlands sowieso. Seit Tagen haben wir Pläne geschmiedet, Flaniermeilen ausgesucht und uns überlegt, wo wir zum Essen einkehren und auf welcher Terrasse wir uns einen Gin Tonic genehmigen sollen.

Als wir uns auf der Autobahn fröhlich der Sauertalbrücke näherten, hatten wir leichte Gänsehaut. Endlich wieder über eine Grenze. Zum Glück ließen sich keine übereifrigen Polizei-Azubis blicken, die beim letzten Corona-Update geschlafen haben und, wie am Freitagmorgen andernorts geschehen, Luxemburgern die Einreise nach Deutschland verwehrten.

Störungsfrei erreichten wir die Innenstadt, wo wir – und wohl auch unsere Brieftasche – überall sehr herzlich begrüßt wurden. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit haben wir dann erzählt, dass es nun wirklich nicht an uns gelegen hat, sondern an einem vielleicht etwas verwirrten deutschen Innenminister. Aber Schwamm drüber. Alter Freundschaft tut das keinen Abbruch. Das meint auch meine Mutter, die in jüngeren Jahren viel Zeit bei ihrem Trierer Patenonkel verbracht hat.

Die Trierer haben die Zeit der Blockade gut genutzt. Rosinenbomber scheinen die ganze Stadt in eine einzige Terrasse verwandelt zu haben. Bei leicht schwülem Wetter und 28 Grad genau das Richtige. 

Das „C-Dings“ ist kaum spürbar, außer dort, wo die Maske kratzt. Der Empfang in unserer Lieblingsgaststätte am Domplatz hat was von Grand Hotel: „Hallo, schön dass sie wieder zu uns gefunden haben!“, sagt die nette Dame und begleitet uns zu einem Tisch, der halb im Schatten, halb in der Sonne steht und so jeden unserer illustren Reisetruppe zufriedenstellt. Den Satz: „Nicht unsere Schuld, wenn wir hätten können, wie wir wollten, dann …“, den haben wir uns verkniffen.

Wir haben das Terrassenfeeling genossen. Und, liebes Tagebuch, weißt du wer am Nachbartisch saß? Ich sag’s dir: „Jeanne Lennon, Michaela Jackson, Hélène Fischer und Mario Götze.“ Tja,  da waren wir doch sehr überrascht, als wir natürlich rein zufällig den Meldezettel lesen konnten. Es ist ja so, dass jede Tischgesellschaft einen solchen Zettel gewissenhaft ausfüllen soll, was wir selbstverständlich auch gemacht haben.

Der Ausflug hat uns so gut gefallen, dass wir uns gleich fürs nächste Wochenende angemeldet haben – provisorisch. Wie viele Luxemburger, denen wir am Freitag begegnet sind, machen wir uns ja so einige Gedanken zum verlängerten Pfingstwochenende. Jener Feiertag, an dem bekanntlich heiliger Geist vom Himmel fällt und für  Erleuchtung sorgen soll.

Sollte es kommende Woche im gottlosen Luxemburg nicht zu dieser spirituellen Erfahrung kommen, nehmen wir unsere Reservierung in Trier wahr und trinken Schnaps im Schatten des Heiligen Rockes. Gute Nacht, mein Tagebuch.