Die internationale Jury

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Fast 4000 Journalisten aus aller Welt sind bei der diesjährigen Berlinale akkreditiert. Bei der Präsentation der Jury am Donnerstagmorgen, waren auch gefühlt mindestens die Hälfte von ihnen da. Der Konferenzsaal platzte aus allen Nähten.

Doch was sollten die Jurymitglieder auf die vielen Fragen der Journalisten schon groß antworten? Sie hatten ja bis dato noch keinen einzigen Film des Wettbewerbs gesehen. Und so ging es bei dem Frage- und Antwortspiel eher um persönliche Erwartungen an den Film als Kunstform und um die Besonderheiten der Berlinale. Zudem erzählten die Mitglieder von ihrer eigenen Arbeit, die so unterschiedlich, wie die Jurymitglieder selbst ist.

„Wir sind nicht hier, um Filme zu beurteilen. Wir sind hier, um für jenen Film einzutreten, der uns bewegt, der in uns die stärksten Emotionen auslöst. Wenn man den Film sieht, ist der Maßstab das Gefühl: Bist du ergriffen und berührt von ihm? Ist da eine neue Perspektive, etwas, das voll und ganz wahrhaftig ist?“ Mit diesen Worten fasst der chinesische Regisseur Wong Kar Wai zusammen, wie er seine Mission als Jurypräsident versteht. Wong Kar Wai gehört zu den wichtigsten Filmschaffenden des Weltkinos, ist eine der Kultfiguren des zeitgenössischen Autorenkinos. In dieser Position ist er glaubwürdig, wenn er von seinen Kollegen Demut und Bescheidenheit, Offenheit für neue Themen und Formen der Ästhetik verlangt.

Ein Foto reichte nicht

Das meiste Interesse brachten die Journalisten aber nicht ihm, sondern Shirin Neshat entgegen. Die Fotografin, die zum Film kam, weil ihr ein Foto, ein Bild nicht mehr reichte, um ihre Geschichten zu erzählen, wurde 1957 im Iran geboren und wuchs dort in behüteten Verhältnissen auf. Zu Beginn der iranischen Revolution verließ sie das Land, um in den USA zu studieren. Dort lebt sie auch heute noch. Und blickt, als freie Frau, auf die Entwicklungen in vor allem islamischen Ländern. „Revolutionen lösen Kreativität aus“, sagt sie. „Sie liefern viel Stoff, um große Geschichten zu erzählen, die anhand von Einzelschicksalen die Komplexität der Welt in Bilder verwandeln.“ Sie selbst hat im letzten Jahr viel Zeit in Kairo verbracht, sie arbeitet zurzeit an einem Porträt über die ägyptische Sängerin Umm Kulthum, das für sie gleichzeitig aber auch als Symbol, als Metapher für die Stellung der Frau in islamischen Ländern an sich steht.

Von Ägypten geht es dann nach Griechenland. Die nächste Frage ist für Athina Rachel Tsangari. „Jeder hier kennt die griechische Situation“, sagt jene Regisseurin, ohne die das neue griechische Kino nicht existieren würde. Das erste, was an einer schweren wirtschaftlichen Krise leide, sei die Kunst. Einerseits. Förderungen werden gestrichen, die Budgets der Ministerien, aber vor allem auch der kleinen unabhängigen Kulturzentren schrumpfen ins Lächerliche, viele Künstler verlieren ihre Perspektive. Dennoch – und dafür steht Athina Rachel Tsangari wie keine zweite – tue man sich auch zusammen, Bewegungen gründen sich, nicht umsonst wird von einer „neuen Welle“ des griechischen Kinos geredet.

„Das Gefühl zählt“

Die dänische Regisseurin Susanne Bier hört ihren Kolleginnen gespannt zu, sagt dann, dass sie besonders froh sei, für die Jury der Berlinale ausgewählt worden zu sein, weil sie hier die Chance bekomme, gerade auch Filme zu promoten, die eben kein langes zumindest kommerzielles Filmleben vor sich haben. Außenseiter rücken ins Blickfeld, Erstlingswerke bekommen eine Chance. „Das Gefühl zählt“, schließt sie sich ihrem Präsidenten an.

Die vierte im Bunde der Frauen ist Ellen Kuras, die als eine der wenigen Kamerafrauen regelmäßig große Hollywoodproduktionen dreht. Unter anderem arbeitete sie mit Martin Scorsese, Michel Gondry, Spike Lee und Jonathan Demme zusammen. Doch bekannt wurde sie durch ihre Aufsehen erregende Kameraarbeit in dem britischen Independent-Film „Swoon“ (1992), für die sie die erste ihrer drei Sundance-Auszeichnungen für die beste Kamera erhielt.

Und die Männer? Sie sagten verhältnismäßig wenig an diesem Donnerstagmorgen. Doch der Schauspieler Tim Robbins brachte es auf den Punkt: „Vier Frauen, drei Männer in der Jury? We like it!“