Bis zuletzt voller Tatendrang

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Einer der vielseitigsten bildenden Künstler Luxemburgs ist tot. Im Alter von 72 Jahren ist der gebürtige Düdelinger Jean-Pierre Adam am vergangenen Montag ganz unerwartet verschieden.

Bis zuletzt hatte er den Kopf voller Ideen und arbeitete Tag für Tag in seinem geräumigen Atelier gleich hinter seinem Wohnhaus am Eingang zum Viertel Italien.

Im Sommer 2012 widmete die Stadt Differdingen dem Künstler eine große Retrospektive in der Galerie H2O. Am Montag verstarb Jean-Pierre Adam unerwartet im Alter von 72 Jahren.

„Er ist das, was die Franzosen treffend als ‚gueule‘ bezeichnen. Die Deutschen nennen so etwas ‚Charakterkopf‘, doch das klingt nicht kraftvoll genug.“ Mit diesen Zeilen begann das Porträt, das das Tageblatt anlässlich des 70. Geburtstags des Düdelinger Künstlers am 5. August 2011 veröffentlichte.

Schwarzer Hut und Vollbart

Der schwarze Hut und der Vollbart waren die Markenzeichen Adams, dessen künstlerische Karriere keineswegs vorgezeichnet war. „Menn“, wie er von seinen Freunden genannt wurde, wurde 1941 als Sohn einer Arbeiterfamilie – der Vater war Luxemburger, die Mutter stammte aus den Abruzzen – geboren. Als er seinen Eltern gestand, dass er Künstler werden wollte, kam es zum Streit: Jean-Pierre Adam schmiss die Schule und verließ das Elternhaus. Zunächst fand er eine Stellung bei einem Metzger in der Hauptstadt, wenig später kam er zur Arbed, wo er, erst 16 Jahre alt, bei einem Unfall die linke Hand verlor.

Im Rehazentrum von Gondreville nahe Nancy machte er schließlich erste künstlerische Schritte im Bereich Keramik. 1968 besuchte er Zeichenkurse des Schweizer Malers Harry Busser an der Hochschule für Schöne Künste in Zürich. Sein weiteres Studium als Schüler der Bildhauerin und Radiererin Regina de Vries finanzierte er sich als Arbeiter im Keramikatelier Keller. Nach einem Tapisserie-Praktikum an der „Ecole nationale d’art décoratif“ im französischen Aubusson kehrte Jean-Pierre Adam 1970 zurück nach Luxemburg, wo er zunächst eine Kulturzeitschrift namens „Close-Up“ herausgab.

Gleichzeitig arbeitete er als Radierer, Maler und Bildhauer und feierte erste Erfolge mit Ausstellungen in Luxemburg und im nahen Ausland. 1974 gründete Jean-Pierre Adam die „Académie européenne des beaux-arts“. Adam war auch politisch aktiv, wenn es um die Belange freischaffender Künstler geht.

1989 kehrte er, zusammen mit seiner Familie, Luxemburg den Rücken und zog nach Südfrankreich, wo er sich in einem kleinen Dorf in der Nähe von Marseille ganz seiner Arbeit als Künstler widmete. Kurz vor der Jahrtausendwende erfolgte die Rückkehr nach Luxemburg. Am Eingang des Viertels Italien in Düdelingen verfügte Jean-Pierre Adam über ein geräumiges Atelier und eine eigene Galerie, „La Grande Bleue“, in welcher er einige Jahre lang regelmäßig Ausstellungen organisierte.

Druckgrafik, Malerei, Bildhauerei und Objektkunst, Stoffdruck und Fusing: Jean-Pierre Adam beschränkte sich nicht auf eine einzige Technik …

Große Retrospektive in Differdingen

Arbeiten des Künstlers im öffentlichen Raum befinden sich u.a. im „Centre de documentation sur les migrations humaines“ in Düdelingen („Les ombres du passé“, neun Stahlskulpturen) und bei der „Ecole de la gare“ in der Hauptstadt (fünf Stahlplastiken von sechs Metern Höhe). Seine Fusing-Glasarbeiten sind u.a. in den Schulen von Colmar-Berg und Befort zu sehen.

Im Sommer 2012 widmete ihm die Stadt Differdingen eine umfangreiche Werkschau in der großen Galerie H2O, wo mehrere Hundert Arbeiten des Künstlers aus den Jahren 1960 bis 2012 gezeigt wurden. Bis zuletzt arbeitete der vielseitige Künstler, trotz fortgeschrittenen Alters, viele Stunden täglich in seinem geräumigen Atelier. Am Montagmorgen starb er vollkommen unerwartet, zuhause in Düdelingen.

Die Beisetzung Jean-Pierre Adams findet am morgigen Donnerstag um 15.30 Uhr auf dem „Ale Kierfecht“ statt. Das Tageblatt entbietet der Familie des Verstorbenen sein aufrichtiges Beileid.