Reisebericht„A Pint of Fish Fingers“ von Robbie Martzen

Reisebericht / „A Pint of Fish Fingers“ von Robbie Martzen
Der Reisebericht von Robbie Martzen: „A Pint of Fish Fingers“ Quelle: Black Fountain Press

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Der Untertitel „Tales of a Wonderer“ auf dem Buchcover verrät, wo die Reise hingeht: In Robbie Martzens „A Pint of Fish Fingers“ überwiegen persönliche, kurze Reiseanekdoten. Was für einen Mehrwert hat das für die Leser*innen?

Geht es um Reisedokumentation, scheiden sich die Geister: Es gibt diejenigen, die eifrig jedes noch so kleine Sandkorn auf Social Media teilen, und jene, denen vor lauter vorgetäuschter Begeisterung für fremde Urlaubsfotos die Gesichtszüge wehtun. Letztere sollten die Finger von „A Pint of Fish Fingers“ von Robbie Martzen, im Februar 2024 bei Black Fountain Press in Luxemburg erschienen, lassen. 

Auf der Rückseite des schmalen, englischsprachigen Erzählbandes – Martzens erste eigenständige Veröffentlichung – wird zunächst eine interessante Frage aufgeworfen: „Why do we travel?“ Fundierte Antworten darauf liefert Martzen in seinem Buch aber wenige. Stattdessen packt er in 26 alphabetisch angeordneten Briefen private Reiseanekdoten aus, die er in den 1970er-Jahren bis kurz vor der Veröffentlichung des Bandes erlebt hat. Dass diese auf Außenstehende belanglos wirken, ist zugegebenermaßen auch der Situationskomik geschuldet.

So erzählt Marzten beispielsweise von einem Missverständnis in der Lobby des Berliner Hotel Adlon: Die Empfangsmitarbeiterin bot einem Gast beim Check-in an, ihn auf sein Zimmer zu begleiten. Lag ihre Absicht als Hotelmitarbeiterin eigentlich auf der Hand, hinterfragte der Besucher das Angebot irritiert. Ein Schelm, wer dahinter Sexismus vermutet … Doch zurück zum Buch: Wem dient die Wiedergabe einer solch kurzen und peinlichen Szene? Wem die Beiträge darüber, dass dem Erzähler und seiner Begleitung jemand Essen oder Drinks spendierte?

An vielen Stellen wirkt der Text wie ein nostalgischer Tagebucheintrag, fast schon zu intim. Das schlägt sich auch in der Sprache nieder. In einem Beitrag geht es um Heiligabend im früheren „Oscar Wilde’s Irish Pub“ in Luxemburg: Der Erzähler und seine Begleitung finden sich dort kurz vor Betriebsschluss ein, versacken dann unerwartet bis 2:30 Uhr an der Bar. Martzen schreibt über einen tätowierten Ex-Gefangenen aus London und einen Barkeeper, der die Nachwirkungen der Anschläge durch die Irish Republican Army zu spüren bekam. Klingt interessant, wird aber nicht weiter ausgeführt. Dafür endet der Absatz mit der kitschigen Redewendung „nothing matters because everything does“. 

Nur ein öder Reisebericht?

Nun könnte man das Buch als öden Reisebericht abtun, wären da nicht die durchaus interessanten Texte gegen Ende. An einer Stelle befasst sich Martzen mit einem Reiseerlebnis Anfang der 1990er. An den Slieve League Cliffs in Irland trifft er auf einen Reisenden mit Autotelefon, der lautstark seine Aussicht beschreibt – und zwar „not in the way of someone who’s happy to be there, but in the voice of someone who wants the person on the other end of the line to (…) feel at least impressed.“ Ein Phänomen, das seither durch die Sozialen Netzwerke zugenommen hat und inzwischen gar zum Geschäftsmodell von Reise-Influencer*innen geworden ist. 

Später offenbart der Erzähler seine komplizierte Beziehung zu Luxemburg, seiner Heimat, die sich auch im Austausch mit Reisenden bemerkbar macht. Ein paar Seiten weiter reißt Martzen kurz die Ablehnung gegenüber Tourist*innen an, die in manchen Ecken der Welt deutlich sichtbar ist. In Lissabon entdeckt der Erzähler das Graffito „Tourists are terrorists“; in Hondarribia steht auf einer Wand „Tourists go home“ und in Ibiza „Guiris (Bezeichnung für unhöfliche Tourist*innen, Anm.d.R.) go home“.

Tolle Vorlagen, die Marzten jedoch verschenkt. Schade, denn es sind Beiträge wie diese, die das Können des Autors offenbaren, seine Umgebung aufmerksam zu beobachten, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verbinden. Würden diese Texte überwiegen, hätte das Buch durchaus das Zeug dazu, eine Debatte über Tourismus loszutreten – und die wäre in einem Land wie Luxemburg, in dem während der Schulferien die Welt stillsteht, angebracht.

Robbie Martzen: „A Pint of Fish Fingers“, Black Fountain Press, Luxembourg. ISBN 978-99987-713-3-8

Robbie Martzen

Robbie Martzen schreibt Kurzprosa und Lyrik auf Englisch. Er veröffentlichte bereits in mehreren literarischen Zeitschriften, wie etwa les cahiers luxembourgeois, und Anthologien. 1996 wurde sein Reisebericht „Irish Short Cuts“ beim nationalen Literaturwettbewerb mit der „mention spéciale du jury“ ausgezeichnet. Bis 2021 unterrichtete er Englisch am Lycée Michel Rodange in Luxemburg-Stadt.