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Forum / Wunne mat der Wooltz, mee ouni Eisebunn?
 Foto: Editpress/Alain Rischard

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Unter der Bezeichnung „Wunne mat der Wooltz“ soll in Wiltz auf den ehemaligen Industriebrachen der Stadt ein neues Wohnviertel entstehen, welches auf etwa 25 Hektar in rund 780 neuen Wohneinheiten 1.800 neue Einwohner in die Ardennenstadt bringen soll.

Bei der aktuellen Lage auf dem Wohnungsmarkt in Luxemburg ist jedes Schaffen von neuem Wohnraum begrüßenswert. Wenn diese neuen Wohngebiete dann noch so angelegt werden, dass dem Individualverkehr nicht mehr Platz zugedacht wird als der sanften Mobilität und dem öffentlichen Transport, dann kann man sicherlich von einem guten Zukunftsmodell sprechen. Und wenn dann auch noch die soziale Mixität stimmt und sich Läden, Schulen und Kultureinrichtungen in nächster Nähe befinden, dann entsteht ein Viertel, in dem es sich sicher gut wohnen und leben lässt. Dies scheint auch auf das neue Wohnviertel in Wiltz zuzutreffen.

Das neue Wohnviertel auf den ehemaligen Industriebrachen befindet sich etwa 800 Meter vom jetzigen Bahnhof Wiltz, von dem aus man in der Woche zweimal pro Stunde in rund 60 Minuten die Hauptstadt erreichen kann, entfernt. Bis vor kurzem befanden sich auf dem Gelände noch die Gleise der ehemaligen Strecke nach Bastogne, welche 1967 eingestellt wurde. Bis Ende der 1970er Jahre lagen diese sogar noch bis kurz vor dem Nachbarort Winseler, bevor sie entfernt und auf der Bahntrasse eine Fahrradpiste angelegt wurde.

In dem neuen Projekt „Wunne mat der Wooltz“ soll nicht von der noch vorhandenen Trasse profitiert werden, um die Bahn ins neue Wohnviertel zu führen; nein, sie soll, wie in der Vergangenheit so oft, einer Straße weichen, welche dann das Wohngebiet mit dem Bahnhof verbindet.

Hier stellen sich in Bezug auf die Schienentrasse doch zwei nicht unbedeutende Fragen. Die EU hat das Jahr 2021 zum Jahr der Eisenbahn bezeichnet, da es auch hier der Politik eingeleuchtet hat, dass sich Klimaziele nur erreichen lassen, wenn der Strassenverkehr abnimmt und die Schiene stärker gefördert wird, indem neue Bahnverbindungen entstehen und alte reaktiviert und neu aufgebaut werden.

Botschaft nicht angekommen

In Wiltz scheint die Botschaft nun doch noch nicht angekommen zu sein, denn sonst würde nicht das neue Stadtviertel durch eine Straße an die Eisenbahn angeschlossen, sondern die bestehende Trasse würde genutzt, um die Bahn direkt in das neue Wohnviertel zu bringen. Noch ist nichts gebaut, noch besteht die neue Wohnsiedlung nur auf dem Papier. Die Planer des neuen Viertels täten gut daran, sich die Anbindung an den Bahnhof Wiltz noch einmal zu überlegen und die jetzige Strecke bis in das neue Viertel zu den Bewohnern hin zu verlängern, um sie so zum Umstieg auf die Bahn zu ermutigen.

Mit dem Beibehalten der jetzigen Bahntrasse in Richtung Winseler würde auch ein Neubau der Verbindung in Richtung Bastogne möglich bleiben. Gewiss, die Wiederherstellung der Linie 164 Wiltz – Bastogne ist nicht für heute oder morgen, auch wenn die Idee immer wieder auf belgischer Seite auftaucht. Durch ein Verbauen der Trasse am Ende der neuen Wohnsiedlung in Wiltz würde die Verwirklichung jedoch definitiv unmöglich werden.

Dabei kann die Bahnlinie von Wiltz nach Bastogne als Beispiel einer Änderung der Verkehrsströme dienen. Bereits im Jahr 1951 stellte die SNCB den Reisezugverkehr auf der Schiene zwischen Bastogne und dem Grenzort Benonchamps ein; lediglich an Tagen mit starkem Schneefall, wenn die Straßenverhältnisse keinen Busverkehr erlaubten, wurde auf die Bahn zurückgegriffen. Bis 1967 bedienten die CFL das belgische Benonchamps im Personenverkehr, dann wurde der Betrieb zwischen Wiltz und der belgischen Grenze eingestellt. Der Journalist und Fotograf Paul Aschmann setzte übrigens Anfang der 1960er Jahre der Strecke in der Revue ein Denkmal, indem er den Übergabegüterzug zwischen Kautenbach und Bastogne mit seiner Kamera begleitete.

Völlig uninteressant

Nach der Einstellung des Schienenverkehrs in Richtung Wiltz wurde Bastogne nur mehr von den Zügen der Verbindung Libramont- Gouvy bedient. 1984 endete der Personenverkehr auf dem Abschnitt zwischen Gouvy und Bastogne wegen mangelnder Nachfrage (der Schülerverkehr zählte sicher nicht) und mit der „provisorischen“ Einstellung des Reisezugverkehrs auf der Schiene zwischen Libramont und Bastogne im Jahre 1993 verlor die belgische Ardennenstadt, welche bemerkenswerterweise über zwei Bahnhöfe verfügte (Bastogne-Sud und Bastogne-Nord), ihren Anschluss an das europäische Schienennetz.

Nach der Einstellung des Personenverkehrs auf der Straße/Schiene zwischen Bastogne/Benonchamps und Wiltz endete für lange Jahre ein Angebot im öffentlichen Transport zwischen den beiden Zentren, das man als annehmbar bezeichnen konnte. Lediglich einige Schichtbusse zu den Industrien in Wiltz konnte man im Fahrplan finden, völlig uninteressant für den normalen Benutzer oder die Touristen. Erst ab Anfang 2000 entstand wieder ein akzeptables Angebot, allerdings auf der Straße zwischen Ettelbrück, Wiltz und Bastogne.

Heute, dadurch, dass sich Luxemburg zu einem Beschäftigungsmagnet in der Großregion entwickelt hat und es viele Pendler aus dem Raum Bastogne ins Land zieht, um hier ihr Leben zu verdienen, wäre die Bahnlinie, welche als erste aufgegeben wurde, sicherlich diejenige, welche ab Bastogne den meisten Zuspruch haben würde. Die Idee einer Wiederherstellung der Bahnverbindung ist also nicht direkt abwegig, auch wenn es noch eine Zeit braucht, bis etwaige Pläne wieder konkret werden.

Im Moment geht es lediglich darum, die Rückkehr der Eisenbahn in das Tal der „Wooltz“ nicht durch eine Bebauung der Bahntrasse unmöglich zu machen, da jeder weiß, wie schwer es nachher ist, an Private verkaufte Parzellen wieder für allgemeinnützliche Projekte zurückzubekommen. Man erinnere sich an den Streit über die Autobahn in Frisingen oder an die Verzögerungen beim Bau der Umgehungsstraße von Dippach-Bahnhof.

„Gouverner, c’est prévoir“

„Gouverner, c’est prévoir“ lautet ein französisches Sprichwort. Und diese Weisheit wurde in den letzten Jahren besonders missachtet, was die Bahn betrifft. Viele Strecken wurden aus kurzsichtigen Berechnungen stillgelegt, Straßenbauprojekte wurden geopfert oder einfach nur in Fahrradpisten umgewandelt, da man sich dadurch kurzfristig Einkünfte im Tourismus erwartete. Heute ist es in diesem Sinn zu einem gewissen Umdenken gekommen, auch bei unseren Nachbarn. Der belgische Netzbetreiber Infrabel behält die Hand auf Bahntrassen, welche im Moment nicht mehr genutzt werden und auf denen z.B. Fahrradwege angelegt werden. In Frankreich spricht SNCF Réseau, welches das französische Schienennetz verwaltet, bei sogenannten „fermetures de lignes“ immer öfter ein „maintien de l’assiette“ aus, um bei späterem Bedarf nicht durch jahrelange Enteignungsprozesse neue notwendige Bahnprojekte zu blockieren.

Auch in Wiltz muss deshalb die frühere Bahntrasse in Richtung Belgien freigehalten werden, um nicht wieder Fehler aus der Vergangenheit zu begehen. Die Planer des neuen Wohnviertels und die Verantwortlichen aus der Politik sollen dem aktuellen Trend zur Förderung der Bahn als Transportmittel der Zukunft Rechnung tragen und in einer ersten Etappe die Bahn zu den Menschen kommen lassen anstatt diese zur Bahn. Ansonsten bleibt das Ernennen des Jahres 2021 zum europäischen Jahr der Eisenbahn nichts mehr als eine weitere hohle politische Phrase, von denen man allzu viele hört und gehört hat und auf die, wie so oft, nichts erfolgt ist.

* Der Autor ist Sekretär der „Aktioun Öffentlechen Transport“ und ehemaliges Mitglied der Exekutive des Landesverbandes

Jean-Paul Reuter
4. Juni 2021 - 18.27

Dee Grénge mamm Päerdsschwanz ass daf fir esou Argumenter...

Guy Mathey
3. Juni 2021 - 19.20

Hervorragender Beitrag Herr Birgen! Den Luxemburger Politikern kann ich nur empfehlen die Vorschläge des Autors zeitnah in die Realität umzusetzen. Das interessante Projet Wunnen mat der Wooltz bietet eine hervorragende Gelegenheit zur Realisierung eines modernen Transportkonzeptes welches sich auf den Schienenverkehr stützt.

MarcL
3. Juni 2021 - 12.41

Bravo! Dem ist nichts hinzuzufügen.