Übergriffige BriefeWirre Corona-Mails an Schulen: „Fast alle haben sich im Ton vergriffen“

Übergriffige Briefe / Wirre Corona-Mails an Schulen: „Fast alle haben sich im Ton vergriffen“
Es sind vor allem E-Mails und es gibt eine gewisse Regelmäßigkeit: Schulen und Direktionen werden mit wirren Theorien und abstrakten Hinweisen konfrontiert Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Regelmäßig haben Luxemburger Schulen während der Pandemie sogenannte Drohbriefe beziehungsweise Briefe und E-Mails erhalten, in denen Personen die Hygienemaßnahmen stark kritisieren. Zwei Lyzeen konnten dem Tageblatt die Existenz solcher Mails bestätigen. Meist ging es um Verschwörungstheorien beziehungsweise wirres Zeug. Ernsthaft bedrohlich sei kein Brief gewesen.

Sowohl die Staatsanwaltschaft in Luxemburg-Stadt als auch jene in Diekirch sei über die Existenz sogenannter Drohbriefe beziehungsweise Briefe und E-Mails informiert worden, in denen sich Personen abfällig über die sanitären Maßnahmen an den Schulen äußerten. Dies bestätigt Henri Eippers, Pressesprecher der Justiz, auf Tageblatt-Nachfrage. Er betont allerdings: „In beiden Fällen handelt es sich nicht um eine Anzeige, sondern lediglich um Informationen, die an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden.“ Welche Schulen betroffen sind oder was genau Bestandteil dieser Briefe ist, wollte Eippers dem Tageblatt nicht mitteilen.

In beiden Fällen handelt es sich nicht um eine Anzeige, sondern lediglich um Informationen, die an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurden

Henri Eippers, Pressesprecher der Justiz

Lyzeums- sowie Regionaldirektionen von Grundschulen sollen laut Aussagen von Bildungsminister Claude Meisch regelmäßig Briefe und E-Mails erhalten haben, in denen Personen die Hygienemaßnahmen an den Schulen stark infrage stellen. Bei solchen Mitteilungen werde sich öfters mal im Ton vergriffen, schreibt Meisch am Dienstag in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage der CSV-Abgeordneten Diane Adehm. Direktionen und Lehrer sollen demnach stets versucht haben, durch ruhige und sachliche Gespräche solche Situationen zu entschärfen. Dies sei meist gelungen. „Hier wird von den Leuten, die dem Bildungsministerium unterstellt sind, eine beachtenswerte Aufklärungsarbeit geleistet“, schreibt Meisch. Über derlei Drohbriefe an „Crèches“ sei dem Minister nichts bekannt.

Ich habe diesen Brief bei der Staatsanwaltschaft gemeldet, weil der deutsche Verfassungsschutz, der diese Szene aufmerksam beobachtet, allgemein sagt, dass man nie wissen kann, wie abstrakt die Aussagen sein beziehungsweise bleiben können

Patrick Straus, Direktor Lycée Guillaume Kroll

„Wir waren bislang nicht mit konkreten Drohungen konfrontiert“, sagt Patrick Straus, Direktor des Lycée Guillaume Kroll in Esch/Alzette (LGK) auf Tageblatt-Nachfrage. „Natürlich machen auch mal Leute ihrem Unmut Luft, aber das ist in Bezug auf die Aussagen eher abstrakt geblieben“, so Straus. Demnach habe er seit März 2020 nur in einem Fall eine Meldung an die Staatsanwaltschaft weitergereicht, weil die Aussagen grenzwertig gewesen seien. „In diesem Fall ging es nur am Rande um die Pandemie“, so der Direktor. Auch die Elternabende seien bislang friedlich verlaufen. Es habe keinen Bedarf bestanden, spezifische Maßnahmen zu ergreifen, um das Personal zu schützen.

E-Mails eher skurril als bedrohlich

Straus weiß allerdings nicht, ob seine Meldung eine der beiden ist, die uns Henri Eippers bestätigte. Jedenfalls habe er durch diesen Fall sehr viel über das Milieu der „Reichsbürger“ gelernt. „Ich habe diesen Brief bei der Staatsanwaltschaft gemeldet, weil der deutsche Verfassungsschutz, der diese Szene aufmerksam beobachtet, allgemein sagt, dass man nie wissen kann, wie abstrakt die Aussagen sein beziehungsweise bleiben können.“ Straus geht allerdings davon aus, dass keine konkrete Drohung dahintersteckt. „Im Ton hat sich der Verfasser nicht wirklich vergriffen, aber man hatte schon das Gefühl, dass diese Person eine andere Realität (er)lebt wie wir“, sagt der Direktor. Deshalb schätzt er den Fall eher als „skurril“ denn als bedrohlich ein.

In der Regel bekamen wir Theorien erklärt, wieso Masken gefährlich sind, dass es keine Pandemie gibt, dass Impfungen schädlich sind

Claude Heiser, Direktor Athénée de Luxembourg

Claude Heiser, Direktor des „Athénée de Luxembourg“ („Kolléisch“) hat Briefe mit Verschwörungstheorien und von Impfgegnern bekommen. Richtige Drohungen seien nicht dabei gewesen, berichtet er gegenüber dem Tageblatt. Wie viele es genau waren, weiß er nicht. Gefühlt seien es zehn Personen gewesen, die allerdings mehr als zehn Briefe an sein Lyzeum schickten. Doch im Vergleich zu der Schülerzahl von rund 1.600 sei dies eine „quantité négligeable“.

Ich glaube, die Begriffe ‚wirres Zeug‘ und ‚purer Blödsinn‘, stets pseudowissenschaftlich argumentiert, treffen es auf den Punkt

Claude Heiser, Direktor „Athénée de Luxembourg“

„In der Regel meldeten sich diese Personen, sobald neue Corona-Maßnahmen beschlossen wurden“, sagt Heiser. Als Beispiel nennt er die Einführung der Maskenpflicht oder den Einsatz von Schnelltests an den Schulen. „Die Eltern mussten ja eine Einwilligung unterschreiben, und dies war der Moment, wo sie ihre Ablehnung expressis verbis über E-Mail mitteilten“, erklärt der Direktor des „Kolléisch“. „In der Regel bekamen wir Theorien erklärt, wieso Masken gefährlich sind, dass es keine Pandemie gibt, dass Impfungen schädlich sind.“ Eine Person habe ihm persönlich geschrieben, er solle die sanitären Maßnahmen nicht umsetzen. Diese Person habe laut Heiser nicht verstanden, dass er selber sowie die anderen Lehrkräfte im Lyzeum Beamte sind und sich demnach an die Gesetze halten müssen.

„Wirres Zeug“ und „purer Blödsinn“

Laut Claude Heiser hätten manche Personen Verlinkungen zu „großen“ Forschern in die Mails kopiert, die beweisen sollen, dass Corona erfunden sei. Bedrohlich im Sinne von „wenn Sie jetzt nicht, dann …“ seien die Texte nie gewesen, sagt er. „Ich glaube, die Begriffe ‚wirres Zeug‘ und ‚purer Blödsinn‘, stets pseudowissenschaftlich argumentiert, treffen es auf den Punkt.“ Daneben habe es Mitteilungen von Personen gegeben, die einfach nur wütend waren und nörgelten, nach dem Motto: „Ech verbidden Iech, irgendee Poul a mäi Kand eranzestiechen.“

Anonym war keiner, im Ton vergriffen hatten sich quasi alle

Claude Heiser, Direktor „Athénée de Luxembourg“

Von all diesen Nachrichten könne er sich bloß an einen einzigen Brief erinnern, so Heiser. Alle anderen seien in Form von E-Mails versendet worden. „Anonym war keiner, im Ton vergriffen hatten sich quasi alle.“ Die Mails seien nicht unbedingt rezent, sondern regelmäßig verschickt worden, immer dann, wenn Änderungen am sanitären Konzept angekündigt wurden. „Unsere Reaktion bestand aus Kopfschütteln und Schmunzeln.“ Die Staatsanwaltschaft oder den Personenschutz habe man bislang nicht in Betracht ziehen müssen, sagt er. Heiser unterstreicht, dass 98 Prozent der Leute, der Eltern, vernünftig und verständnisvoll sind. Die Nörgler würden glücklicherweise nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen.

All relevant Informatiounen zu deem Sujet stinn an der Äntwert op d’parlamentaresch Ufro, op déi Dir Iech referéiert. Weder de Ministère nach d’Schouldirektiounen hunn der Äntwert nach eppes bäizefügen.

Myriam Bamberg, Pressesprecherin Bildungsministerium

Ob noch weitere Lyzeen oder Grundschulen solche Briefe erhalten haben, ist unklar. Einige teilten auf Tageblatt-Nachfrage mit, keine Kenntnis über solche Mitteilungen zu haben. Bei anderen kam die Floskel: „All déi wichtegst Informatioune krut Dir jo dozou scho vum Ministère. Ech hunn do näischt méi, wat ech ka bäifügen.“ All diese „wichtigen Informationen“, die das Ministerium dem Tageblatt lieferte, waren jene von Pressesprecherin Myriam Bamberg: „All relevant Informatiounen zu deem Sujet stinn an der Äntwert op d’parlamentaresch Ufro, op déi Dir Iech referéiert. Weder de Ministère nach d’Schouldirektiounen hunn der Äntwert nach eppes bäizefügen.“ Mit anderen Worten: Nachfragen des Tageblatt zu diesem Thema sind unerwünscht.