Parlamentarische Bilanz„Wir stellen das Luxemburger Modell infrage“: ADR blickt zurück – und übt harsche Kritik an Mitbewerbern im Parlament

Parlamentarische Bilanz / „Wir stellen das Luxemburger Modell infrage“: ADR blickt zurück – und übt harsche Kritik an Mitbewerbern im Parlament
Fernand Kartheiser, Abgeordneter und Sprecher der ADR Foto: Editpress/Julien Garroy

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Im Reigen der parlamentarischen Bilanzpressekonferenzen war es am Mittwoch an der ADR. Dass die „Alternativ Demokratesch Reformpartei“ kein gutes Haar an der Regierung und den anderen Parteien lässt, ist keine Überraschung. Dass sie sich selbst als Alternative empfindet, erstaunt auch nicht. Zweifel daran sind erlaubt.

Ist das Luxemburger Modell noch das richtige, entspricht es noch der Stimmung in der Bevölkerung? – Nein, sagt Fernand Kartheiser am Mittwoch anlässlich der Parlaments-Bilanzpressekonferenz seiner Partei in einem Restaurant leicht außerhalb von Luxemburg-Stadt. Kartheiser ist ADR-Abgeordneter und Chef der vier Vertreter der „Alternativ Demokratesch Reformpartei“ im Parlament.

Die 1987 gegründete heutige ADR bezeichnete CSV-Ministerin Marie-Josée Jacobs einst als wahre Oppositionspartei. Seit damals hat sich viel verändert, auch in der Besetzung der Führungsspitze der Partei. Dem Anspruch, Oppositionspolitik zu betreiben, bleibt die Partei allerdings treu.

Fast unbeschwert und frei nimmt die ADR die Politik des Landes, vor allem aber die Politik der Dreier-Koalition, unter die Lupe. LSAP, DP und Grünen stellt sie keine guten Noten aus. Den anderen Oppositionsparteien auch nicht.

Pressefreiheit über alles

Pressekonferenz oblige, erwähnt Fernand Kartheiser zuerst die Presse. Die ADR würde die Pressefreiheit über alles schätzen und verteidigen, so kann man Kartheiser verstehen. Pressefreiheit bedeute aber auch Verantwortung. Von Journalisten erwartet Kartheiser deshalb, dass sie die Bevölkerung objektiv informieren. Klingt toll, aber da Objektivität im Auge des Betrachters liegt, wäre eine Diskussion darüber durchaus angebracht – und ein weites Feld.

Der Anspruch an die Presse gilt eigentlich für alles, was die Vertreter der ADR-Leute von sich geben. Zu aufgeregter Empörung neigenden Freunden muss man allerdings sagen, dass nicht jede Äußerung für bare Münze zu nehmen ist, sondern als Anregung. Nun denn. Oppositionspolitik oblige.

Ja, die ADR ist unzufrieden mit der aktuellen Regierung, der Dreierkoalition. Alles andere wäre ja auch eine Überraschung. Was die ADR dabei von anderen Oppositionsparteien unterscheidet, ist nicht wirklich klar. Ja, die ADR möchte sozial Schwachen helfen. Ja, sie möchte die Bevölkerung auf Herausforderungen vorbereiten, die demnächst kommen werden. Steuern, Energiepreise, Wohnungsbau und so weiter. Ja! So what?

Fernand Kartheiser zufolge leiden Menschen in Luxemburg unter einer Entfremdung von der Politik. Sie würden, so kann man das verstehen, nicht mehr wirklich nachvollziehen können, was von der Regierung entschieden werde. Als Beispiele nennt Kartheiser verschiedene Maßnahmen im Rahmen der Pandemie, die Ausgangssperre zum Beispiel oder die Impfpflicht. Er nennt aber auch die Verfassungsreform und das von großen Parteien versprochene Referendum – Versprechen, das letztendlich nicht eingehalten wurde.

Wie gesagt, die ADR bleibt ihrer Linie treu. Dabei äußert sie einige Sätze oder Ideen, die durchaus unter Umständen nachzuvollziehen sind. Zum Beispiel: Ja, wer im Luxemburger Politik-Geschäft mitmachen möchte, sollte die Luxemburger Staatsangehörigkeit beantragen. Wer hier lehren möchte, sollte der Sprache(n) des Landes mächtig sein.

Wenn dann die ADR einen verantwortungsvollen Umgang mit Staatsgeldern verlangt, wird man sich eigentlich erst bewusst, dass diese Forderung bisher von niemand anderem erhoben wurde. Oder?

Klare Werte

Ja, um den Konflikt in der Ukraine komme man nicht herum, so Fernand Karheiser. Er macht deutlich, dass er die Herangehensweise der Europäischen Union nicht teilt. Er sei für Friedensverhandlungen, sagt er. Dass dabei keiner gewinnen werde, sei klar, zumindest würden aber keine Menschen mehr sterben.

Die ADR habe eine klare Werteorientierung, so Fernand Kartheiser. Ja, die ADR sei für die Stärkung der Familie. Gegen ein leichtfertiges Abtreibungsgesetz. Für eine leistungsorientierte Schule in Luxemburg und für eine liberale Politik im Allgemeinen. Vor allem sei die ADR für eine faire Steuerpolitik. Einige sollen mehr, andere aber auch weniger zahlen müssen, so kann man das verstehen.

In anderen Worten, die ADR ist die bessere Partei. Das wird zumindest am Mittwoch deutlich. Deutlich wird auch, dass die Partei ins Europaparlament einziehen möchte. Viel fehlt nicht.

Dabei geht es bei der Pressekonferenz durchaus gemütlich und charmant zu. Den Anspruch, zu regieren oder mitzuregieren, haben die Vertreter der Partei bei der Pressekonferenz am Mittwoch nicht erhoben – oder wir haben es nicht mitbekommen.

Nachdenklich stimmt aber, dass die ADR, oder zumindest Fernand Kartheiser, nicht der Meinung ist, dass man eine Einschulung in einer anderen Sprache als Deutsch anbieten solle. Also beispielsweise auf Französisch. Dies zu erklären, dazu sollte man Fernand Kartheiser nochmals eine Chance gebe. Was den Angriffskrieg Russlands gegenüber der Ukraine anbelangt, liegt er nicht unbedingt falsch: nämlich, dass nur Veränderungen zu einer annehmbaren Lösung führen können.

Jill
22. Juli 2022 - 11.50

Herr Kartheiser spricht doch nur aus was immer mehr Menschen denken. Die Menschen sind politik-müde geworden, denn die Politik hat uns in den letzten Jahrzehnten in eine Spirale rein manövriert, die nur noch mit immer mehr Wachstum finanzierbar ist. Den Preis für diesen Wachstum erleben wir jeden Tag auf unseren Strassen, bei der Wohnungssuche, in überfüllten Krankenhäusern, beim Versuch einen Termin für ein IRM oder bei einem Spezialisten zu bekommen usw. usw. Die Partei die eine Lösung aus dieser Misere weiss, werde ich sofort wählen. Ich kenne nur keine, nicht eine einzige!

Jeff
22. Juli 2022 - 9.41

@JAM - hutt Dir Ierch schonn emol d‘Fro gestallt wéi de Westem un Hieren Räichtum, Wuelstand komm ass?? Mengen dogéint sinn déi ernimmten Persounen Engelen !!! Den John Bolton huet jo Öffentlech zouginn dass hien selwer un der planung an duerchféirung vu sëllengen Staatssträich befeelegt war - an do sinn genuch Zivilisten em Liewen komm. Mä Dir hutt Recht - um Ponneyhaff léist sech et méi bequem Liewen

Jam
21. Juli 2022 - 15.43

Verhandlungen mit einem Mörder? Putin,Kim,Xi,Assad.Die Liste ist lang. Wir(ADR) setzen also auf Verhandlungen! Aber Putin hat die Ukraine angegriffen! Nach allen möglichen Verhandlungen. Nach grausamen Übergriffen auf Zivilisten durch die Russen will die ADR verhandeln. Mit Putin verhandeln heißt aber,tun was dieser will. Wir tun also Putin jeden Gefallen, Hauptsache keiner stirbt mehr. Also Nato abgeschafft und den Schurken dieser Welt Tür und Tor öffnen? Wenn das die Alternative ist.....

Hagar
21. Juli 2022 - 9.35

Ma den Här Kartheiser huet vollkommen Recht! Den ADR hat nach ëmmer eng kloer Lin an ass sech där trei bliwwen. Keng esou eng Schwadronéierpartei wéi all déi aner.

JJ
21. Juli 2022 - 8.27

Man würde sich wünschen,dass auch die ADR-Wähler nach einer Alternative suchen würden. ADR? Wo sind denn die Alternativen.Schlechtreden und Kritik genügen nicht.