CoronavirusWie Sherlock Holmes auf Spurensuche: So funktioniert das Contact-Tracing in Luxemburg

Coronavirus / Wie Sherlock Holmes auf Spurensuche: So funktioniert das Contact-Tracing in Luxemburg
Rund 40 Mitarbeiter kümmern sich derzeit in Hamm um die Betreuung von Covid-Patienten und die Rückverfolgung der Kontakte. Die Einheit kann aber jederzeit den Bedürfnissen angepasst werden. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Auf dem Weg zurück in die Normalität übernimmt die Tracing-Einheit des Gesundheitsamtes eine wichtige Rolle. Bis zu 240 neue Fälle soll die Abteilung künftig täglich betreuen können. Hundert Mitarbeiter können gleichzeitig Kontakte rückverfolgen. Die Logistik dafür steht, wie sich das Tageblatt bei einem Hausbesuch überzeugen konnte.

Montagnachmittag, am Rande der Hauptstadt. Grau und windig ist es in der unscheinbaren Gewerbezone. Insider wissen: Hier findet die eigentliche Verbrecherjagd Luxemburgs statt. In einem großen Komplex gleich neben dem Krematorium versuchen die Fahnder der Kriminalpolizei tagaus, tagein, Übeltätern mit sauberer Ermittlungsarbeit das Handwerk zu legen. Doch sind die Beamten nicht die einzigen, die sich in Hamm auf Spurensuche begeben: Detektivarbeit erledigen auch die Mitarbeiter der Tracing-Einheit der „Inspection sanitaire“. Sie widmen sich seit kurzem im schmucken Neubau gleich nebenan der Rückverfolgung von Corona-Infektionen.

„Das ist wahre Detektivarbeit, würdig eines Sherlock Homes“, erklärt Dr. Laetitia Huiart. Ihr breites Lächeln wird von einer Schutzmaske verdeckt, doch der Glanz in ihren Augen verrät die Begeisterung, mit der die Direktorin der Abteilung für öffentliche Gesundheit am „Luxembourg Institute of Health“ ihre neue Aufgabe als Divisionsleiterin am Luxemburger Sanitäramt angeht. „Was wir hier machen, ist nichts anderes als Epidemiologie in ihrer gründlichsten Form: Fälle feststellen und Personen ermitteln, die mit diesen Patienten in Kontakt kamen, um der Verbreitung des Virus Einhalt zu gebieten“, erklärt die anerkannte Epidemiologin.

Professor Huiart leitet unter anderem die Tracing-Einheit des Sanitäramtes. Dabei handelt es sich um die Abteilung des Gesundheitsministeriums, die zu Beginn der Krise mit der Betreuung von Covid-19-Patienten betraut wurde. Es sind die Mitarbeiter dieser Einheit, die sich nach einem Test mit dem Resultat bei den Betroffenen melden. Es sind aber auch die Mitarbeiter dieser Abteilung, die zusammen mit den Patienten jene Personen ermitteln, mit denen sie in den Tagen vor dem positiven Befund noch in Kontakt gekommen waren.

„Es handelt sich um eine klassische Herangehensweise in der Epidemiologie, wie wir sie auch bei anderen Krankheiten betreiben. Tuberkulose etwa. Nur dass die Ausmaße etwas größer sind“, wiederholt Professor Huiart. Auch stehe viel auf dem Spiel, weshalb die Einheit und deren Arbeit mittlerweile in einem Bürokomplex zentralisiert wurde. „Schnelligkeit ist Trumpf“, erklärt die Epidemiologin. „Sie ist das Schlüsselelement, um dem Coronavirus den Riegel vorschieben zu können. Es geht darum, die Betroffenen nach dem positiven Befund schnellstmöglich zu informieren und von anderen Menschen abzuschirmen“, so Huiart.

Eile sei denn auch bei der Ermittlung der Kontakte geboten. Schließlich laufen auch sie Gefahr, mit dem Virus infiziert worden zu sein und die Krankheit unbewusst weiter zu verbreiten. „Deshalb müssen wir die Kontakte ermitteln, bevor sie Symptome entwickeln, damit wir sie ebenfalls abschirmen können“, unterstreicht die Expertin. Zu diesem Zweck hat die Abteilung einen direkten Draht zu den Laboratorien, in denen die Tests ausgewertet werden.

Zeitintensiv

Gleich mehrmals am Tag werden die Resultate abgerufen. Positiv getestete Personen werden sofort von Mitarbeitern kontaktiert, die sich ausführlich Zeit nehmen, den Betroffenen ihre Lage zu erklären und mit den nötigen Informationen zu versehen. In erster Linie werden sie natürlich von ihrem Umfeld isoliert, um das Virus einzudämmen. Allerdings versucht die Abteilung auch, den Betroffenen so viel Arbeit wie nur möglich abzunehmen, damit sie sich in der schweren Zeit ausschließlich auf das Wesentliche konzentrieren können.

So ein Telefon könne, mit Unterbrechungen und Verschnaufpausen, zwei bis drei Stunden veranschlagen, betont Huiart. „Anschließend schicken wir ihnen Masken, wichtige Informationen und die notwendigen Atteste. Auch räumen wir mögliche Probleme aus dem Weg, etwa was die Verpflegung angeht, die Betreuung eines Haustieres oder die Unterkunft. In dem Fall setzen wir die Betroffenen mit den Vereinigungen in Verbindung“, erklärt die Abteilungsleiterin. 

Eigentlich ist Dr. Laetitia Huiart Direktorin der Abteilung für öffentliche Gesundheit am „Luxembourg Institute of Health“. In Krisenzeiten aber springt sie als Abteilungsleiterin in der „Inspection sanitaire“ in die Bresche. 
Eigentlich ist Dr. Laetitia Huiart Direktorin der Abteilung für öffentliche Gesundheit am „Luxembourg Institute of Health“. In Krisenzeiten aber springt sie als Abteilungsleiterin in der „Inspection sanitaire“ in die Bresche.  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Ermittelt werden auch jene Personen, mit denen der Patient in den Tagen zuvor in Kontakt gekommen ist. Diese werden von den Mitarbeitern einer zweiten Plattform verständigt, die sich ausschließlich dieser Aufgabe widmen. Dort sei ebenfalls Eile geboten: „Die Personen werden noch am selben Tag kontaktiert“, betont die Epidemiologin. „Dieser Aufgabe fällt eine wichtige Rolle zu: Wir müssen den Betroffenen klarmachen, dass auch sie nun eine Zeit lang in Quarantäne müssen“, so Huiart. So wisse man inzwischen, dass infizierte Personen das Virus auch weiterreichen können, wenn sie noch keine Symptome haben. „Wir müssen die Kontakte davon überzeugen, zu Hause zu bleiben, um die Kette der Infektionen zu unterbrechen“, erklärt die Expertin. Genau darin bestehe eine der Hauptschwierigkeiten: Manche Kontakte wollen nicht sofort einsehen, dass auch sie nun in Quarantäne müssten. Vor allem, wenn der Patient, mit dem sie in Kontakt standen, anonym bleiben möchte.

Patienten sind nämlich nicht dazu verpflichtet, ihre Identität preiszugeben. Sie können den Mitarbeitern der Tracing-Einheit ihre Zustimmung verweigern. In dem Fall werden die möglichen Kontakte lediglich darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie in den letzten Tagen mit „einer positiv getesteten Person“ zu tun hatten. Wodurch die ganze Gefahr wiederum abstrakter erscheint. Es komme immer wieder vor, dass Patienten anonym bleiben möchten, so Professor Huiart. Andersherum aber habe man weniger Schwierigkeiten: Nur die allerwenigsten hätten sich bislang geweigert, Personen zu nennen, mit denen sie in Kontakt standen.

Auch bleibt die Krankheit abstrakt, solange keine Symptome auftreten. Mit einem ausführlichen Gespräch sei in den meisten Fällen aber rasch geholfen: „Wir nehmen uns die Zeit, den Menschen zu erklären, wieso es so wichtig ist, auch die Kontakte zu isolieren. Wenn sie sich der Tragweite ihres Beitrages in diesem kollektiven Kampf gegen das Virus erst mal bewusst sind, stimmen die meisten auch zu. Die Menschen in Luxemburg sind in der Regel recht besonnen und die Solidarität ist wirklich groß“, betont Huiart.

Wenn die Maske fällt

Allerdings nimmt auch dieser Teil der Arbeit viel Zeit in Anspruch. In normalen Zeiten etwa kommt eine Person in weniger als 48 Stunden im Alltag gerne auf hundert Kontakte. „Dessen sind sich viele Menschen nicht direkt bewusst. Das ist enorm“, empfindet auch Huiart. Glücklicherweise sei die Lage im Lockdown etwas übersichtlicher gewesen: „In der Regel gehen wir von fünf bis sechs Kontakten pro Patient aus. Aber je nach Arbeitsmilieu können es auch 50 sein“, betont die Abteilungsleiterin.

Um Kontakte auch rascher als solche identifizieren zu können, seien die Mitarbeiter auf der Suche nach einem bestimmten Moment: „Halten sich die Beteiligten an die Barriere-Gesten und Mundschutzpflicht, besteht kein Infektionsrisiko. Wir sind auf der Suche nach Momenten, in denen der Betroffene die Maske abgesetzt hat, zum Beispiel um mit den Mitarbeitern im Pausenraum zu essen“, unterstreicht die Epidemiologin. Somit bleibe die Zahl der Risiko-Kontakte noch überschaubar. „Allerdings wird die Zahl der möglichen Infektionen mit den Lockerungen jetzt wieder steigen“, ist sich Laetitia Huiart bewusst. So wurden bereits Berechnungen angestellt und Modelle angefertigt. Auf dem Papier geht die Tracing-Abteilung in der Exit-Phase pro Patient demnach von 20 bis 40 Kontakten aus.

Ganze zwei Stockwerke stehen derzeit noch leer, wurden aber schon mit Arbeitsstätten für zusätzliche Mitarbeiter ausgestattet. Das Kontingent kann bei Bedarf ohne Weiteres erhöht werden.
Ganze zwei Stockwerke stehen derzeit noch leer, wurden aber schon mit Arbeitsstätten für zusätzliche Mitarbeiter ausgestattet. Das Kontingent kann bei Bedarf ohne Weiteres erhöht werden. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Aktuell arbeiten 25 Personen in der Patientenbetreuung, während 15 Mitarbeiter sich der Rückverfolgung der Kontakte widmen. Bei Bedarf aber kann das Kontingent der Mitarbeiter jederzeit ausgebaut werden. „Wir müssen die Lage nun im Auge behalten und die Zahl der Mitarbeiter den Bedürfnissen anpassen“, so Huiart. Die Logistik steht: Ganze zwei Etagen wurden in den letzten Tagen mit den nötigen Büroräumen und Technologien ausgestattet. Allein fürs Tracing wurden in den letzten Tagen 100 Arbeitsplätze hergerichtet. „Wir können die Tracing-Plattform jederzeit erhöhen. Wir haben noch viel Spielraum“, schlussfolgert die Abteilungsleiterin. Bis zu hundert Mitarbeiter können demnach gleichzeitig auf Kontaktsuche gehen.

Was die Mitarbeiter angeht, kann die Abteilung noch bis Ende Mai aus dem Pool der sanitären Reserve schöpfen. Für die Zeit danach wird aber auch schon vorgesorgt: So werden aus den staatlichen Verwaltungen intern bereits neue Mitarbeiter rekrutiert und ausgebildet. Auch hofft Laetitia Huiart weiter auf motivierte Freiwillige, die sich bisweilen bereits an der Hotline oder in den Versorgungszentren des Gesundheitsamtes verdient gemacht haben. Mit einer Voraussetzung: „Sie müssen methodisch arbeiten können. Und sie müssen sympathisch sein“, sagt Huiart, während sich ihre glänzenden Augen wieder zu einem Lächeln verziehen. „Schließlich müssen sie viel telefonieren. Und andere Menschen von unserer Aufgabe überzeugen.“

J.C.Kemp
17. Mai 2020 - 20.48

Hallo Tageblatt, versuchen Sie, das Polizeigebäude zu anonymisieren? Würde demnach heissen, dass das Tracing von der Maréchaussée durchgeführt würde, oder? Tracking App durch die Hintertür, trotz gegenteiliger Beteuerungen.

Jardinière
12. Mai 2020 - 18.32

@Rosalie Marie Clemens Madame / Här Lo och anonym, "Wéini a wou si Där da positiv getest ginn? Wéi si Där gewuer ginn datt Ären Test positiv ass? Ween huet Iech dat mattgedeelt?" Viru 40 Joer ass den Email erfonnt ginn. Dir kënnt Wegwerfadresse benotzen oder einfach eng nei Gmail Adresse ariichten wann der net wëllt Är Anonymitéit opginn.

Meyers Guy
12. Mai 2020 - 17.19

Rifkin und Digitalisierung sind nun völlig in Vergessenheit geraten. Zurück zu Bleistift und Strichlist!e!

Francine Louchetter
12. Mai 2020 - 16.17

Mann kann durchaus täglich vielen Menschen begegnen oder Kontakt haben, allerdings weiß man oft weder den kompletten Namen, Adresse oder gar die Telefonnummer dieser Kontakte. In den Seuchenherden im öffentlichen Transport erscheint dies sogar unmöglich. Wie soll denn da eine Recherche oder gar eine Kontakt Aufnahme stattfinden.

Rosalie Marie Clemens
12. Mai 2020 - 15.22

Madame / Här Lo och anonym, Wéini a wou si Där da positiv getest ginn? Wéi si Där gewuer ginn datt Ären Test positiv ass? Ween huet Iech dat mattgedeelt? Merci

Lo och anonym
12. Mai 2020 - 11.09

Sorry mais dat doten as puren Quatsch!!!! Bei mir hat sech weder de ministere de la Santé nach en Tracing centre gemellt oder gehollef!!!!!!!!!!!!! Et war hinnen e g a l ob ech doheem alleng gestuerwen wier oder ob ech eppes ze iessen gehat haett !!!!!!!!