ChamberWenn sich die EU erneut mit sich selbst befasst

Chamber / Wenn sich die EU erneut mit sich selbst befasst
Die Chamber. Mal wieder. Foto: Editpress

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Luxemburgs Abgeordnete haben sich am Mittwoch mit der geplanten „Konferenz über die Zukunft Europas“ befasst. Die Debatte angestoßen hatten die CSV-Abgeordneten Viviane Reding und Claude Wiseler. Während sich Reding für konkrete organisatorische Details interessierte, ging Wiseler auf prinzipielle Fragen zu derlei Konferenz ein. Allzu optimistisch klang er dabei nicht.

Die EU will erneut über ihre Zukunft diskutieren. Auch die Bürger sollen mitreden. Neu ist die Idee nicht, wie die CSV-Abgeordnete und ehemalige EU-Kommissarin Viviane Reding am Mittwoch im Parlament betonte. Vor wenigen Jahren fanden derlei Dialoge zwischen Politikern und Bürgern auch in Luxemburg statt. Nun ist eine große „Konferenz über die Zukunft Europas“, d.h. die EU, geplant, zu der die Bürger erneut ihren Input liefern sollen. Reding interessierte sich für konkrete Details zum Ablauf der Veranstaltung.

Der Startschuss zu den Konferenzarbeiten wird am 9. Mai erfolgen, wenn die EU-Kommission ihre Überlegungen dazu vorlegen wird. Der Diskussionsprozess sei auf zwei Jahre angelegt, so Premierminister Xavier Bettel. Details zum Diskussionsprozess in Luxemburg konnte er noch nicht nennen. Man warte noch ab, wie sich das EU-Parlament und die EU-Kommission in den kommenden Wochen äußern werden. Klar sei jedoch, dass die Bürger mit eingebunden werden. Das erste Forum soll bereits am 11. Mai stattfinden.

Bettel warnte vor einer neuen Brüsseler Blase. Die Diskussionen dürften nicht in neue Plauderstunden ausarten, wo Fragen erörtert würden, die die Menschen wenig interessieren. Institutionelle Themen sollten bei der Konferenz ausgeschlossen werden, meinte Bettel. Was jedoch kein absolutes Nein der Regierung zu möglichen Vertragsänderungen bedeute. „Wir ziehen keine roten Linien“, präzisierte Außenminister Jean Asselborn zum Abschluss der Debatte.

„Europa befindet sich in einer Midlife-Crisis“

Skeptisch hatte sich zuvor Claude Wiseler (CSV) zur bevorstehenden Zukunftsdiskussion geäußert. Europa befinde sich in einer Midlife-Crisis, so seine Diagnose, und er erteilte dem Patienten gleich vier Ratschläge: Raus aus der Routine, neue Herausforderungen suchen, den Horizont und den Freundeskreis erweitern, die Partner miteinbeziehen und ihnen zuhören und viertens sich selbst treu bleiben.

Die Idee einer Konferenz stammt von der EU-Kommission. Das sei jedoch nicht das erste Experiment dieser Art, erinnerte auch Wiseler. Zuletzt hatte die Juncker-Kommission Bürgerberatungen organisiert und ein Weißbuch über die Zukunft Europas erstellt. Die Regierungen wurden befragt, in welche Richtung Europa gehen sollte. „Es geschah selbstverständlich nichts“, so Wiseler nüchtern. Der EU-Rat traf nie entsprechende Entscheidungen. Auch das EU-Parlament habe 2018 und 2019 Debatten mit Regierungschefs als Gastredner veranstaltet. Doch habe er konkrete Schlussfolgerungen und entsprechende Entscheidungen vermisst.

Wiseler zufolge sollte man sich mit Fragen befassen, die die Menschen beschäftigen. Das Institutionelle, etwa die Frage nach den Spitzenkandidaten oder transnationalen Listen, interessiere die Menschen weniger. Trotz seiner Skepsis wünschte er sich eine sorgfältige Vorbereitung der Konferenz. Auch die Chamber müsste ihre Verantwortung übernehmen und nicht alles der Regierung überlassen. Die Abgeordneten sollten als Volksvertreter zu den Menschen gehen und mit ihnen diskutieren. Wiseler forderte dabei parteiübergreifendes Auftreten.

Stärkung des EU-Parlaments

Wie dies zu bewerkstelligen wäre, war am Mittwoch im Parlament nicht ersichtlich – zu unterschiedlich sind die Positionen der einzelnen Parteien in wichtigen Detailfragen. So gefiel Yves Cruchten (LSAP) der Vorschlag der EU-Kommission, auch über institutionelle Fragen zu reden. Vertragsänderungen sollte man nicht kategorisch zurückweisen. Stéphanie Empain („déi gréng“) forderte ihrerseits eine Verankerung des Prinzips transnationaler Listen und Spitzenkandidaten. Das Europarlament müsse gestärkt mit den Bürgern über Klimawandel, Gerechtigkeit und Menschenrechte, europäische Steuer- und Sozialpolitik und die Ausrichtung der Agrarpolitik diskutieren können.

Für Fernand Kartheiser (ADR) seien transnationale Listen eine Illusion. Falls Vertragsänderungen beschlossen würden, werde sich die ADR für eine Volksbefragung einsetzen. Marc Baum („déi Lénk“) bezweifelte, dass Bürgerbefragungen etwas an der EU-Politik, etwa in Handelsfragen, ändern werden. Systematisch sei der Wille der Bürger in der Vergangenheit ignoriert worden, so Baum in Anspielung an die Referenden zur EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden. Sven Clement (Piratenpartei) befürchtete einen weiteren Vertrauensverlust der Bürger, wenn von Partizipation gesprochen werde, im Hintergrund jedoch dieselben Machtstrukturen erhalten blieben.

Die Debatte wird sich wohl mit einigen wenigen Nuancen in ein paar Wochen, nach der außenpolitischen Erklärung im Parlament, wiederholen.