Krabbenkorb CSVWas Sie über die Verfassungsreform und die Machtspiele im Hintergrund wissen müssen

Krabbenkorb CSV / Was Sie über die Verfassungsreform und die Machtspiele im Hintergrund wissen müssen
Wie steht es um die Überarbeitung der Luxemburger Verfassung? Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die Chamber hat am Mittwoch über das Justizkapitel der überarbeiteten Verfassung abgestimmt. Aber worum geht es noch mal bei diesen Reformen? Nach mehr als einem Jahrzehnt mit vielem Hin und Her kann man den Überblick verlieren. Das Tageblatt hat die wichtigsten Fakten zusammengetragen.

Was genau ist eigentlich „die Verfassung“? Die Verfassung, auch Konstitution genannt, bildet die Basis für staatliches Handeln. Sie regelt die Einrichtung und Ausübung von politischer Herrschaft. Somit enthält eine Verfassung grundlegende Regeln dafür, wie der Staat aufgebaut ist, arbeitet und wer Gesetze beschließen darf. So wird zum Beispiel festgehalten, dass alle Organe des Staates nur auf der Basis von Gesetzen tätig werden dürfen. Zudem soll sie die Rechte und Freiheiten jedes Menschen im Staat und gegenüber dem Staat regeln. Die Verfassung soll damit Stabilität sichern. Darum ist es auch nicht so einfach, sie zu ändern.

Warum soll Luxemburgs Verfassung geändert werden? Luxemburgs Verfassung geht auf das Jahr 1848 zurück. Eine Überarbeitung ermöglicht es, sie an aktuelle und künftige Bedürfnisse anzupassen und veraltete Punkte zu überarbeiten. Eine Revision benötigt eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Warum nicht schon früher? 2009 reichte der ehemalige CSV-Abgeordnete Paul-Henri Meyers einen Entwurf für eine neue Verfassung ein. Diese scheiterte letztlich kurz vor dem Ziel am Veto seiner eigenen Partei. Aber die Idee war nicht tot. Vor den Wahlen 2018 herrschte Konsens zwischen den vier größten Parteien Luxemburgs – der CSV, LSAP, DP und den Grünen – darüber, den unter der Leitung von Alex Bodry (LSAP) und Meyers ausgearbeiteten Reformvorschlag anzugehen. Außerdem sollte es ein Referendum über den Gesamttext geben.

Der Bericht wurde am 6. Juni 2018 angenommen. Nach den verlorenen Wahlen zog die CSV ihre Zustimmung während der kurzlebigen Ära Frank Engel allerdings wieder zurück. Und damit waren sowohl das Verfassungsreferendum als auch die Arbeit von mehreren Jahren praktisch dahin.

War also all die Arbeit umsonst? Um die langjährige Vorarbeit wenigstens teilweise zu retten, wurde in der Institutionenkommission, unter Leitung von Mars di Bartolomeo (LSAP), ein neuer Konsens über zu reformierende Teile gesucht und gefunden. Die Mehrheitsparteien und die CSV einigten sich darüber, nicht den gesamten Verfassungstext in einem Stück zu überarbeiten, sondern die Reform in vier Gesetzestexte aufzuteilen. Über den ersten Gesetzestext, das Kapitel zur Justiz, wurde am Mittwoch in der Chamber abgestimmt.

Wie und wofür wurde am Mittwoch abgestimmt? 51 Abgeordnete stimmten nach den Debatten im Parlament für das überarbeitete Kapitel 6 der Verfassung: die DP, Grünen, LSAP, CSV und Piraten. Die zwei Abgeordneten von „déi Lénk“ enthielten sich, vier ADR-Abgeordnete stimmten gegen die Vorlage. Die Mehrheit des Parlaments sprach sich demnach für eine Reform der Luxemburger Justiz aus.

Somit soll erstmals die Unabhängigkeit der Justiz als eigenständige Macht neben Exekutive (Regierung) und Legislative (Parlament) in der Verfassung festgehalten werden. Zudem soll ein Nationaler Justizrat geschaffen werden, der unter anderem über die Ernennung der Richter und ihre Laufbahnen entscheiden soll. Auch die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft in ihrer Arbeit – unter politischer Aufsicht des Justizministers – soll festgehalten werden, genauso wie die Festlegung der Unschuldsvermutung als konstitutionelles Prinzip.

Welche Bereiche sollen noch durch die Reform angegangen werden? Die größten formalen Änderungen der Reform betreffen die Rolle des Großherzogs. Zudem soll die Mehrsprachigkeit des Landes erstmals in der Verfassung verankert werden. Die Anerkennung von Tieren als empfindungsfähige, nicht-menschliche Lebewesen, das Recht auf Wohnen, ein garantierter Zugang zu Kultur sowie die Förderung des Schutzes des kulturellen Erbes und des sozialen Dialogs sollen festgehalten werden. Das sind nur einige Punkte, die in den Verfassungstext eingearbeitet werden sollen. Eine komplette Übersicht finden Sie auf der Internetseite der Chamber.

Jetzt doch ein Referendum – mit der CSV? Auch Machtspielchen begleiten die Verfassungsreform. Seit dem 28. September kann man auf der Internetseite der Chamber eine Petition unterschreiben, die ein Referendum über die Verfassungsreform fordert. Die nötigen 4.500 Unterschriften, damit die Petition im Parlament diskutiert wird, wurde bereits erreicht. Am Freitag hatten über 10.800 Menschen unterschrieben.

Claude Wiseler (CSV) kündigte am Mittwoch überraschenderweise an, dass die CSV mit ihren parlamentarischen Mitteln ebenfalls für ein Referendum eintreten wolle, wenn ein „großer Wille“ seitens der Bevölkerung bestehe. Dieser Kurswechsel ist laut Radio 100,7 wohl auf Machtkämpfe innerhalb der CSV zurückzuführen. Die zwei Abgeordneten aus dem Süden, Michel Wolter und Marc Spautz, haben bereits mehrmals darauf gedrängt, ein Referendum zur Verfassungsreform abzuhalten – aber der Rest der Partei zog nie mit. Nun sollen Spautz und Wolter aber am Dienstag damit gedroht haben, ihre Uneinigkeit öffentlich kundzutun und einen Beschluss zugunsten des Referendums zu unterschreiben. Wolter meinte gegenüber dem Tageblatt zum Vorwurf, dass er hinter dem Vorschlag der CSV stehe: „Wen interessiert das?“

Léon Gloden soll dem entgegengehalten haben. Man habe sich dann darauf geeinigt, dass die CSV sich für ein Verfassungsreferendum einsetzte – aber nur dann, wenn die Online-Petition die Marke von 25.000 Unterzeichnern erreicht. Diese Entscheidung teilte die CSV am Mittwoch mit. Es verbleiben demnach noch 18 Tage (Stand: Freitag, 22. Oktober), um die nötige Anzahl an Unterschriften zu sammeln.

Was ist überhaupt ein Referendum? Die Regierung kann mittels Abstimmung die Meinung oder Zustimmung der Bevölkerung zu gesellschaftsrelevanten Fragen einholen, um ein Gesetz oder möglicherweise die Verfassung zu ändern. Für alle Personen ab 18 Jahren, die im Besitz ihrer politischen Rechte und Bürgerrechte sind, mit Wohnsitz in Luxemburg und der Luxemburger Staatsbürgerschaft, ist die Teilnahme Pflicht.

Wer kann die Petition unterschreiben? Um eine öffentliche Petition unterschreiben zu können, muss man lediglich über eine luxemburgische Matrikelnummer verfügen und mindestens 15 Jahre alt sein. Das ist auch ein Punkt, der bereits für Reaktionen sorgte: Denn somit können sowohl Jugendliche als auch Nicht-Einwohner – zum Beispiel Grenzgänger – bei der Petition unterschreiben. Der LSAP-Politiker Mars di Bartolomeo hatte bei der Debatte in der Chamber am Mittwoch gesagt, dass damit de facto das Ausländerwahlrecht eingeführt würde – ein Vorschlag, der ebenso wie das Wahlrecht ab 16 beim Referendum von 2015 mehrheitlich abgelehnt worden war.

LINK Hier finden Sie die Petition zur Verfassungsreform.

Wie lässt sich ein Referendum offiziell in die Wege leiten? Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: wenn sich 16 Abgeordnete für eine Volksbefragung starkmachen oder aber wenn 25.000 Unterschriften in von den Gemeinden ausgelegten Listen gesammelt werden – durch das Unterschreiben einer Petition allein kann kein Referendum erzwungen werden.

LPM
23. Oktober 2021 - 14.58

l@Anatole: Kein Referendum ohne xyz. Nach dieser Formel wird jeder irgendetwas finden, was ihm wichtig ist, was aber im Referendum nicht aufgeführt ist. Anders ausgedrückt: Wenn alle so argumentieren können wir bis in alle Ewigkeit Referenden durchführen, es wird immer Leute geben, die aus einem Punkt gegen das Gesamtpaket sein werden. Das "Zauberwort" heisst Kompromiss. Auch wenn es manchmal schwer fällt, aber nicht jeder kann immer alles haben.

Anatole
22. Oktober 2021 - 23.07

Kein Referendum ohne Monarchiefrage!