KonfliktWas Kremlchef Wladimir Putin über die Ukraine schrieb

Konflikt / Was Kremlchef Wladimir Putin über die Ukraine schrieb
Der russische Präsident Wladimir Putin hat seine eigene Sicht auf die Vergangenheit und die Zukunft der Ukraine Foto: dpa/Kay Nietfeld

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Was hat der russische Präsident Wladimir Putin in der Ukraine vor? Diese Frage wird seit Wochen und Monaten von der Weltöffentlichkeit aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Dabei wird immer wieder auf einen Aufsatz mit dem Titel „Über die historische Einheit der Russen und Ukrainer“ Bezug genommen, den Putin im Juli vergangenen Jahres veröffentlicht hat. Daraus geht hervor, dass dem Kremlherr sehr viel an der Ukraine gelegen ist. Weshalb er in der gegenwärtigen Situation mit „militärisch-technischen Maßnahmen“ droht, sollte der „Westen“ die Ukraine zu sehr an sich binden, insbesondere über die NATO. Wie sieht Putins Ukraine aus?

Sein Aufsatz, den Putin am 12. Juli vergangenen Jahres veröffentlichte, besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: Der erste historische Teil dient vornehmlich dazu, die Verbundenheit zwischen Russen und Ukrainern, aber auch Belarussen, über die Jahrhunderte hinweg zu dokumentieren. Der emeritierte Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Wien, Andreas Kappeler, ging nach der Publikation in einem Beitrag für die Zeitschrift Osteuropa davon aus, dass dieser Teil von „einem oder mehreren Fachhistorikern“ geschrieben worden sei. Er habe „mit Einschränkungen wissenschaftlichen Charakter“, enthalte aber „problematische Einschätzungen“, urteilt Kappeler. Im Wesentlichen soll hier verdeutlicht werden, dass Russen und Ukrainer über einen gemeinsamen Glauben, kulturelle Traditionen und Sprache miteinander verbunden sind und die Ukraine zur „russischen Welt“ gehört.

Immerhin verweist Putin in seinem Aufsatz darauf, dass die Ukraine in den Wirren nach dem Ersten Weltkrieg für einige Wochen unabhängig war, bevor das Land 1922 als sozialistische Sowjetrepublik Ukraine die UdSSR mitgründete. Dabei wurde der Ukraine das 1924 in der Verfassung der UdSSR verankerte Recht eingeräumt, sich von der Union zu trennen. Damit hätten die Autoren der Verfassung „die gefährlichste Zeitbombe“* eingesetzt, „die in dem Moment explodierte, als der Sicherheitsmechanismus, den die führende Rolle der KPdSU darstellte“, verschwand. Schuld daran sind die Bolschewisten. In einer Art Zwischenfazit stellt Putin denn auch fest: „Die moderne Ukraine ist vollständig ein Produkt der Sowjetzeit.“

Das „Anti-Russland-Konzept“ des Westens

In einem zweiten Teil geht der Kremlchef auf die Entwicklungen in den letzten Jahren ein. Nicht nur nach 1991 habe die Russische Föderation viel getan, damit sich die Ukraine als unabhängiger Staat habe etablieren können. Selbst nach den Ereignissen von 2014, der Revolution auf dem Maidan, habe er die russische Regierung angewiesen, gute Verbindungen mit den ukrainischen Behörden zu halten, schreibt Putin. Die herrschenden Kreise jedoch hätten die gemeinsame Geschichte umgeschrieben. Radikale und Neonazis hätten sich breit gemacht, die Behörden und Oligarchen die ukrainische Bevölkerung bestohlen. Schritt für Schritt sei die Ukraine vom Westen zu einem „Puffer zwischen Europa und Russland“, einem „Sprungbrett gegen Russland“ gedrängt worden und es sei das Konzept eines „Anti-Russland“ erstellt worden.

Heute würden Russen in der Ukraine nicht nur dazu gezwungen, ihre Wurzeln zu leugnen, sondern „auch zu glauben, dass Russland ihr Feind ist“. „Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass der Weg der Zwangsassimilation, die Bildung eines ethnisch reinen ukrainischen Staates, der aggressiv gegenüber Russland ist, in seinen Folgen vergleichbar mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen uns ist“, schreibt Wladimir Putin weiter.

„Alles getan, um Brudermord zu stoppen“

Dagegen hätten sich nicht nur die Menschen auf der Krim, sondern auch in Donezk und in Luhansk zur Wehr gesetzt. Der Staatsstreich und die Aktionen der ukrainischen Behörden hätten zum Bürgerkrieg geführt. Russland hingegen habe „alles getan, um den Brudermord zu stoppen“, schreibt Putin. Er sei immer mehr der Überzeugung: „Kiew braucht den Donbas nicht“, fährt er fort. Zum einen, da die Menschen in der Region gegen die neue Ordnung seien. Zum anderen, da die Abkommen von Minsk, die im sogenannten Normandie-Format, dem neben der Ukraine und Russland ebenfalls Deutschland und Frankreich angehören, vereinbart wurden, dem „Anti-Russland-Projekt“ zuwider laufen würden.

Dieses Projekt sei vom Westen erstellt worden, der die Kontrolle über die Ukraine habe. „Auch für eine souveräne Ukraine ist im Anti-Russland-Projekt kein Platz oder für die politischen Kräfte, die versuchen, seine wirkliche Unabhängigkeit zu verteidigen“, meint der Kremlherr und warnt, er werde es nie zulassen, dass „unsere historischen Gebiete und die dort lebenden, uns nahestehenden Menschen gegen Russland instrumentalisiert werden“. Am Ende seines Aufsatzes bietet er einen Dialog an und versichert, dass „wahre Souveränität für die Ukraine nur in einer Partnerschaft mit Russland möglich ist“.

In Anbetracht dessen dürften die gegenwärtigen Reaktionen in der Ukraine, der EU, den USA und anderen Staaten angesichts des militärischen Aufmarschs der russischen Truppen an der ukrainischen Grenze um einiges nachvollziehbar sein. Einen Tag nach der Veröffentlichung des Aufsatzes schrieb der russische Journalist Konstantin Eggert in einem auf der Plattform dekoder.org nachzulesenden Beitrag: „(…) (I)m Grunde genommen ist der Artikel ein Freibrief, den Putin sich selbst ausgestellt hat, um in irgendeiner Form gegen eben jenes „Anti-Russland“ zu kämpfen, unter dem in erster Linie die derzeitige ukrainische politische Klasse, aber auch der kollektive Westen verstanden werden.“

* Die Zitate wurden vom Autor aus der englischen Fassung von Putins Aufsatz übersetzt. Der Beitrag ist auf der Internetseite des Kreml zu finden.

d.w.
17. Februar 2022 - 6.31

@Gronk....GESCHMACKLOS!

Gronk
16. Februar 2022 - 12.58

Das erinnert mich an den kleinen Wüterich mit dem Oberlippenbärtchen, der damals die "Liebe" zu den Sudetengebieten propagierte und sich als Friedensengel gab.