Freundeskreis-ProzessWas beim Urteil für die CSV auf dem Spiel steht

Freundeskreis-Prozess / Was beim Urteil für die CSV auf dem Spiel steht
Werden das Urteil gespannt erwarten: Frank Engel, Georges Heirendt und Stéphanie Weydert Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Das Urteil im Freundeskreis-Prozess steht an: Am Donnerstagmorgen (9.12.2021) steht fest, ob und wer in den Augen der Justiz falsch gehandelt hat. Da die Verhandlungen schon eine Weile zurückliegen, haben wir noch einmal die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den Clinch der CSV zusammengetragen. Obwohl Frank Engel nicht mehr Parteipräsident ist, geht es für die CSV um mehr als einen reinen Imageverlust.

UPDATE (9.12., 10 Uhr): Das Urteil ist inzwischen gefallen.

Was ist der Freundeskreis-Prozess?

Der Freundeskreis-Prozess entscheidet in zwei Fällen, ob der ehemalige Parteipräsident Frank Engel, der CSV-Abgeordnete Félix Eischen, die ehemaligen Kassierer der Partei André Martins Dias, Georges Heirendt sowie die Mitglieder der ehemaligen und derzeitigen Parteileitung Elisabeth Margue und Stéphanie Weydert und das ehemalige Staatsratsmitglied Georges Pierret unter betrügerischem Vorwand Geld vom CSV-Freundeskreis und aus der Parteikasse unterschlagen haben sollen.

In einem Fall ist Frank Engel mit den beiden CSV-Kassenwarten André Martins Dias und Georges Heirendt angeklagt. Konkret geht es um rund 8.536 Euro, die Engel für seine Sozialabgaben aus der Parteikasse rückerstattet wurden. Georges Heirendt hatte Frank Engel 6.000 Euro überwiesen, André Martins Dias als Nachfolger von Heirendt noch einmal 2.536 Euro. 

Der zweite Streitpunkt betrifft den CSV-Freundeskreis und den Arbeitsvertrag, den Frank Engel mit der Asbl. geschlossen hat. Frank Engel, Félix Eischen, Georges Pierret, Elisabeth Margue, Stéphanie Weydert und André Martins Dias wird vorgeworfen, dass der abgeschlossene Arbeitsvertrag zwischen Frank Engel und dem Freundeskreis lediglich ein Scheinvertrag war.

Wie ist es zum Prozess gekommen?

Nachdem Weydert und Margue eigenen Angaben zufolge vom bestehenden Arbeitsverhältnis überrascht worden sind, bestehen sie auf die Einberufung einer Generalversammlung des CSV-Freundeskreises, die schließlich am 8. März stattfindet. Auf der Versammlung sind mehrere Abgeordnete der CSV-Fraktion anwesend, die auch Mitglieder des „CSV-Frëndeskrees“ sind. Darunter: Martine Hansen, Diane Adehm, Gilles Roth, Marc Spautz und Paul Galles. Es kommt zum Eklat.

Kurz darauf wird von der CSV-Fraktion ein Rechtsgutachten angefordert, das den CSV-Präsident stark belasten soll. Alle Mitglieder des CSV-Freundeskreises werden am 16. März darüber informiert, möglichst schnell in die CSV-Fraktion zu kommen. Dem Gutachten zufolge würde genug belastendes Material gegen Engel vorliegen. Von den Verwaltungsratsmitgliedern des „Frëndeskrees“ gibt lediglich Pierret an, ausreichend Zeit gehabt zu haben, das Rechtsgutachten eingehend zu studieren. Sein Fazit: „Dat hält d’Strooss net.“ Trotzdem unterschreibt der Jurist später die Anzeige gegen Frank Engel – ebenso wie die gelernten Juristen Margue und Weydert, die jedoch angeben, dass sie das Rechtsgutachten unter Zeitdruck nicht näher studieren konnten. Martins habe als gelernter Ökonom erst mit einem Juristen reden wollen, sagt der Kassenwart vor Gericht aus. Gilles Roth und Léon Gloden, beides gelernte Juristen, hätten ihm geraten: „Unterschreibe, dann passiert dir nichts.“ Man habe nicht gedacht, dass diese Affäre vor Gericht landen würde. Da sie sich bis heute keiner Schuld bewusst seien, versuchten sich die Angeklagten zu rechtfertigen.

Was haben die Ermittlungen ergeben?

Den beiden Ermittlern stand es als erste Zeugen zu, vor Gericht auszusagen. Bei den Durchsuchungen in der Parteizentrale der CSV seien ein Computer und ein Laptop von Frank Engel sichergestellt worden, auf denen der E-Mail-Verkehr zwischen Engel und Heirendt gefunden werden konnte. Auf die Ankündigung von Heirendt, als Kassenwart der CSV aufhören zu wollen, habe Frank Engel ihn gebeten, ihm die 6.000 Euro an Sozialabgaben noch zu überweisen. Der Betrag sei dann auch überwiesen und von den Kassenrevisoren gutgeheißen worden, so einer der Ermittler. Beide Polizisten deuten an, dass bei den Ermittlungen keine klaren Prozeduren erkannt werden konnten, nach denen die CSV finanzielle Angelegenheiten regele.

Während der Durchsuchung im Rahmen der „Frëndeskrees“-Ermittlugnen finden die Beamten im Büro von Frank Engel einen Entwurf des Vertrags sowie die Lohnzettel von Juni bis Dezember 2020. In dem Arbeitsvertrag seien andere Aufgaben festgeschrieben worden, als Frank Engel vor Gericht angab – ein Umstand, den Engel mit zahlreichen Leaks innerhalb der Partei zu erklären versuchte. „Ich wollte die Strategie der Partei nicht preisgeben.“ Arbeitsnachweise hätten die Ermittler allerdings wenige gefunden. Festzuhalten bleibe jedenfalls, dass die 40.000 Euro Gehaltszahlungen wieder zurück an den Freundeskreis überwiesen wurden. Dass es eine mündliche Absprache zur Rückzahlung gegeben habe, bestätigt nachher der zweite Ermittler in dem Fall. Laut den Ermittlungen soll Frank Engel tatsächlich fast jeden Tag in der Parteizentrale gewesen sein.

Argumente der Verteidigung

Von den Plädoyers der Anwälte wird wohl vor allem der von Lydie Lorang in Erinnerung bleiben. „Die Anzeige ist nichts anderes als ein Feigenblatt. Es ist ein Putsch, der einer CSV unwürdig ist“, sagte der rechtliche Beistand von Frank Engel. Es zeige lediglich den mangelnden Respekt der CSV-Fraktion vor der eigenen Basis, die Engel zum Präsidenten gewählt habe. „Ech sinn CSV-Member, ech sinn outragéiert“, so Lorang.

Die Anwälte von Heirendt und Martins haben in ihren Plädoyers auf undurchsichtige Entscheidungsstrukturen in der CSV hingewiesen. Zudem seien die ihren Klienten zur Last gelegten Ausgaben vom Nationalkongress der CSV abgesegnet worden – nachdem die Kassenrevisoren diese eindeutig unter dem Punkt Sozialabgaben klassiert hätten. Es sei durchaus ungewöhnlich gewesen, die Sozialabgaben für den Präsidenten zu bezahlen – jedoch sei die Präsidentschaft von Frank Engel als erster Vollzeitpräsident auch nicht normal gewesen, so Rollinger.

Eischens Anwalt vertrat die Ansicht, dass sein Klient von der eigenen Partei verschaukelt wurde. Das Rechtsgutachten, auf dem der gesamte Prozess letzten Endes basiere, sei anhand von Falschinformationen angefertigt worden. „Die Schlussfolgerung ist demnach auch falsch“, sagte Baulisch. Tatsächlich steht in der Schlussfolgerung des Rechtsgutachtens, das dem Tageblatt in Teilen vorliegt: „Vous n’avez pas d’autre choix que de dénoncer la materialité de ces faits au Procureur d’Etat conformément à l’article 23 du CPP […].“

Was ist seitdem passiert?

Nach den Prozesstagen ist im Dunstkreis der CSV etwas Ruhe eingekehrt – zumindest nach außen hin. Dass der Prozess für die Christsozialen ein PR-Albtraum darstellt, haben nicht nur parteiinterne Quellen verlauten lassen. Ein Resultat der im Gerichtssaal ausgetragenen Auseinandersetzung: Die neueste Ausgabe des Politmonitors zeigt, dass die CSV kontinuierlich an Wählergunst verliert. Das kann aber nicht unbedingt alleine dem Freundeskreis-Prozess zugeschrieben werden.

So hat auch das parteiinterne Ränkespiel um die Verfassungsreform, das bei der Vorstellung durch den CSV-Abgeordneten Léon Gloden auf die Parlament-Bühne gehoben wurde, dazu beigetragen, dass sich die einst souverän an der Spitze befindende Partei im letzten Politmonitor nur noch kümmerliche 1,4 Prozent vor der LSAP befindet. 21,6 Prozent der Wähler hätten der Partei ihre Stimme im Falle einer Wahl gegeben – ein historischer Tiefpunkt. Für die Rädelsführer Michel Wolter und Marc Spautz soll es sich beim Referendum um eine Gewissensfrage gehandelt haben, sollen beide Politiker in internen Parteisitzungen gesagt haben. Zumindest den Wähler lässt diese Erklärung kalt – zumal sich die CSV nicht zum ersten Mal in der Verfassungsfrage umentschieden hat und nun den Eindruck erweckt, der deutlich konservativeren ADR nachzuhecheln.

Wie geht es nach dem Urteil weiter?

Diese Frage wird auch nach dem 9. Dezember wohl unbeantwortet bleiben. Nicht nur, weil die Anwälte quasi unisono angekündigt haben, Einspruch gegen das Urteil einlegen zu wollen, wenn ihre Klienten nicht freigesprochen werden sollten. Auch ob die Staatsanwaltschaft Freisprüche auf ganzer Linie akzeptieren würde, erscheint eher unwahrscheinlich.

Unabhängig vom Urteil aber waren in den Prozess drei derzeit aktive CSV-Politiker impliziert. Mit Félix Eischen sitzt ein Abgeordneter auf der Anklagebank, Stéphanie Weydert und Elisabeth Margue sollen im Team Wiseler für den Neuanfang der Partei stehen und wurden auf dem letzten Kongress in die Parteileitung gewählt. Zwei Fragen bleiben: Haben die beiden überhaupt noch Lust, in dieser CSV mitzuwirken, in der sie offensichtlich als Kollateralschaden herhalten mussten? Und die zweite Frage wäre: Sind Eischen, Weydert und Margue, unabhängig von der juristischen Dimension, im Falle einer Verurteilung überhaupt noch tragbar? Schlussendlich wären sie in dem Fall für schuldig befunden worden, unter betrügerischem Vorwand Parteigelder entwendet zu haben. Ob in dem Maße vorbelastete Personalien dann noch für neuen Schwung in der Partei sorgen können, ist fraglich.