Abschluss-Event in EschWarum wir hier sind: Acht Frauen erzählen, was die „Orange Week“ ihnen bedeutet

Abschluss-Event in Esch / Warum wir hier sind: Acht Frauen erzählen, was die „Orange Week“ ihnen bedeutet
Zahlreiche Gesichter, ein gemeinsames Ziel: Die „Orange Week“ kämpft gegen Gewalt gegen Frauen Fotos: Editpress/Alain Rischard

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am Samstag war der Abschluss der „Orange Week“ in Esch. Mehrere Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer trotzten der Kälte und machten das Event zum Erfolg. Der Protestmarsch zog vom Brillplatz durch die Alzettestraße bis zum Friedensgericht. Dort wartete eine Bühne auf die Demonstrantinnen und Demonstranten. Eine Band verbreitete gute Stimmung. Regierungsvertreter und Lokalpolitiker hielten Ansprachen. Wir haben mit acht Frauen und einem Mann gesprochen und sie gefragt, warum sie teilgenommen haben – und was die „Orange Week“ ihnen bedeutet.


Lena Vandivinit und Lexi Frieden
Lena Vandivinit und Lexi Frieden Foto: Editpress/Alain Rischard

Lena Vandivinit und Lexi Frieden arbeiten beide bei „Femmes en détresse“. Für Lena Vandivinit, beigeordnete Direktorin der Organisation, vermischt sich bei ihrem Einsatz gegen Gewalt gegen Frauen Privates mit Beruflichem, sagt sie zum Tageblatt. „Ich bin selber eine Frau und setze mich immer für Frauen ein. Mit unserer Organisation kämpfen wir gegen Gewalt gegen Frauen. Dieser Tag, diese Woche ist besonders wichtig, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, um zu sensibilisieren und um das Tabu, das dieses Thema leider oftmals noch ist, immer wieder zu brechen. Bei ‚Femmes en détresse‘ gibt es auch 2022 noch immer viel zu tun, die Arbeit geht uns leider nicht aus.“ Lexi Frieden arbeitet bei „Femmes en détresse“ in der „Maison communautaire d’urgence“ und beschreibt die Hilfe, die ihr Haus anbietet: „Zu uns kommen Frauen mit oder ohne Kinder, die Unterstützung brauchen und bei uns einen sicheren Ort finden, den sie sonst nicht haben – und das sind nun mal vor allem Frauen, die Gewalt in ihrem eigenen Zuhause erlebt haben, das ist auch heute noch eine traurige Wirklichkeit.“


Aldina Ganeto
Aldina Ganeto Foto: Editpress/Alain Rischard

Aldina Ganeto ist Gründungsmitglied der feministischen Organisation Finkapé und kritisiert die Regierung: „Es ist sehr wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass leider viele Frauen noch viel Gewalt erleben. Unsere Regierung tut immer noch zu wenig dagegen. Es braucht mehr Mittel, mehr Personal in Frauenhäusern, viel mehr Platz in Frauenhäusern. Ich habe in Frauenhäusern gearbeitet. Ich weiß, wie prekär die Situation ist und wie oft man Frauen wieder abweisen muss – die müssen dann dorthin zurück, wo sie die Gewalt erlebt haben, zurück zum Täter. Für ein Land wie Luxemburg ist das unwürdig. Ich engagiere mich schon lange und habe in dem Bereich gearbeitet. Heute wird vielleicht mehr darüber gesprochen, aber es ist nicht schrecklich viel geschehen, um die Situation zu verbessern. Als Finkapé stellen wir immer wieder fest, dass wir als Freiwillige die Arbeit übernehmen müssen, die eigentlich von der Regierung gemacht werden müsste.“


Christiane Renzi
Christiane Renzi Foto: Editpress/Alain Rischard

Christiane Renzi arbeitet seit 15 Jahren für den „Conseil national des femmes du Luxembourg“ (CNFL) in einem Beratungszentrum für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, und sagt dem Tageblatt: „Es hat sich bereits viel verändert, zum Beispiel dank des Expulsionsgesetzes, aber wir müssen weiterkämpfen. Weiterhin sind noch sehr viele Frauen betroffen – und zu oft trauen Opfer sich nicht, darüber zu sprechen. Wir sind hier, um ihnen den Mut zu geben, darüber zu reden. Die Leute dürfen nicht wegschauen, das ist enorm wichtig. Als CNFL sind wir da, um allen zu helfen. Bei uns kann jede Frau einen Termin nehmen und dann reden wir. Wir sind offen, um jede Frau zu empfangen.“


Das Abschluss-Event der „Orange Week“ fand in Esch statt
Das Abschluss-Event der „Orange Week“ fand in Esch statt Foto: Editpress/Alain Rischard

Laura Valli
Laura Valli Foto: Editpress/Alain Rischard

Laura Valli setzt sich schon lange für Frauenrechte ein, sagt die Escherin dem Tageblatt. Laura Valli engagiert sich unter anderem in den „Femmes socialistes“ und erklärt ihre Beweggründe zur Teilnahme am Abschluss-Event der „Orange Week“: „Es ändert sich einfach zu wenig und sogar das passiert zu langsam. Diese Initiative wurde bereits vor einer ganzen Reihe von Jahren ins Leben gerufen – in der Hoffnung, dass es sie irgendwann einmal nicht mehr geben müsse. Aber die Situation wird leider immer akuter. Auch in Luxemburg, auch in Esch gibt es Femizide, aber es wird nur sehr wenig darüber gesprochen. Dieses Thema braucht mehr Öffentlichkeit. Auch deswegen ist diese Woche so wichtig – und dieses Event heute wird national sehr breit aufgegriffen, viele Ministerien zeigen Präsenz, viele Vereinigungen machen mit, viele Menschen sind heute hierher nach Esch gekommen. Die ‚Orange Week‘ ist eine Instanz geworden und gibt dieser so wichtigen Sache, dem Kampf gegen Gewalt gegen Frauen, eine große Sichtbarkeit.“


Jasmine Walisch und Jean-Luc De Matteis mit dem Nachwuchs
Jasmine Walisch und Jean-Luc De Matteis mit dem Nachwuchs Foto: Editpress/Alain Rischard

Jasmine Walisch und Jean-Luc De Matteis sind beide aus persönlichem Interesse beim Abschluss der „Orange Week“ an diesem kalten Samstag in Esch dabei, sagt Jasmine Walisch, „Jean-Luc aber auch für den OGBL“. Jasmine Walisch findet es „schade, dass wir noch hierherkommen müssen, dass es das noch gibt, aber das zeigt eben auch, wie wichtig es weiterhin ist, auf diese Missstände aufmerksam zu machen, über Gewalt gegen Frauen zu reden und eben nicht still zu bleiben“. Jean-Luc De Matteis, der OGBL Equality bei der Abschlusskundgebung vertritt, sagt zum Tageblatt: „Die ‚Orange Week‘ bietet den Menschen einen Rahmen, in dem sie sich ausdrücken können. Das Thema Gewalt wird zu oft noch unterdrückt, in den eigenen vier Wänden ertragen und dort gehalten. Hier und heute zeigen wir alle zusammen deutlich, wie es auch auf vielen Plakaten steht: Speak out! Redet darüber! Auch, damit Frauen den Mut haben, zur Polizei zu gehen. Gewaltopfer sollen durch die ‚Orange Week‘ sehen, dass es Unterstützung für sie gibt.“


Romina Pires Da Costa und Sandra Antinori
Romina Pires Da Costa und Sandra Antinori  Foto: Editpress/Alain Rischard

Sandra Antinori arbeitet für „Femmes en détresse“, leitet ein Frauenhaus, und sagt zum Tageblatt: „Wir alle wollen hier zusammen ein Zeichen setzen und sagen ganz klar: nein zur häuslichen Gewalt, nein zur Gewalt gegen Frauen und Mädchen! In diesem Kampf wurden vielleicht schon Fortschritte gemacht, aber es sind noch viele Hürden zu nehmen. Wir wollen weiter Sichtbarkeit für das Thema schaffen, es darf keine Normalität sein.“ Romina Pires Da Costa arbeitet in dem Frauenhaus und sagt: „Es ist ein symbolischer Tag, eine symbolische Woche. Diese Woche erinnert uns alle daran, dass die Gewalt noch da und längst nicht verschwunden ist. Das dürfen wir nicht vergessen. Das Schweigen ist immer noch zu groß und mit einer Woche wie dieser können wir etwas erreichen. Wir können einige Menschen dazu bewegen, mit uns aufzubegehren und zu erkennen: Auch ich kann etwas verändern, auch ich kann vorangehen! Und wir geben Hoffnung und zeigen Gewaltopfern, dass es Menschen gibt, die ihnen helfen wollen und das auch können. Dass es Anlaufstellen gibt, die Hilfe bieten. Deswegen ist es wichtig, hier zu sein, und wenn es nur darum geht, ein bisschen Hoffnung zu geben und allen Frauen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind, dass ein Wandel möglich ist.“