Reaktion zum RegierungsratVirologe Claude Muller über die Booster-Ausweitung: „Das ist absolut richtig“

Reaktion zum Regierungsrat / Virologe Claude Muller über die Booster-Ausweitung: „Das ist absolut richtig“
Virologe Claude Muller (Archivfoto) sagt im Gespräch mit dem Tageblatt, dass die Ausweitung der Boosterimpfung gut ist, aber versteht nicht, wieso die Regierung noch immer Verständnis für Impfverweigerer zeigt Foto: Editpress/Philippe Reuter/revue

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Eine Boosterimpfung für jeden ab 18 Jahren. Diese Entscheidung hat der Regierungsrat am Freitagnachmittag getroffen. Die Stufenplanung, die es bei den normalen Impfungen gegeben hat, fällt ebenfalls weg. Das ist gut, sagt Claude Muller, Virologe beim Luxembourg Institute of Health (LIH). Die Booster-Ausweitung sei der richtige Schritt der Regierung, um die Inzidenz runterzuschrauben.

Ab nächster Woche bekommen die ersten 40.000 Menschen eine Einladung zur Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus. Das haben Premierminister Xavier Bettel (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) am Freitag bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben. „Das ist absolut richtig“, sagt Virologe Claude Muller im Gespräch mit dem Tageblatt. Der Stufenplan, den die Regierung bis jetzt verfolgt habe, also um verschiedene Altersklassen für die Boosterimpfung zu priorisieren, sei ebenfalls richtig gewesen. „Die Regierung könnte Menschen ab 55 Jahren ebenfalls vorziehen“, sagt der Virologe. Trotzdem sei der Entschluss, den Booster für mehr Menschen freizugeben, richtig.

Zukünftig sollen Menschen ebenfalls in einer Apotheke geimpft werden können. Wie könnte dies zur Impfquote in Luxemburg beitragen? In anderen Ländern habe man zur Impfung die Prozedur etwas einfacher gemacht, um breitflächiger zu impfen. Der Virologe ist der Meinung, dass die Impfung in einer Apotheke wesentlich schneller gehen kann als bei einem Arzt oder einem Impfzentrum. Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit eines Apothekers, eine Impfung durchzuführen, hat er keine: „Es ist nicht schwer, eine Spritze zu verabreichen“, sagt Muller. „In vielen Ländern machen Menschen mit einer geringen Ausbildung die Impfungen.“ Man könne hier nicht viel falsch machen.

Kein Verständnis für Impfverweigerer zeigen

Jedoch ist der Virologe der Meinung, dass die von der Regierung geplante Impfwoche nicht viel zur Impfquote beitragen wird: „Ich glaube nicht, dass sehr viele Menschen wegen der ‚Impfwoche‘ ihre Impfbereitschaft erhöhen werden.“ Impfwochen würden in einem ganz anderen Kontext durchgeführt, sagt Muller. Die Regierung müsse sich jedoch jetzt schon überlegen, wie sie vorgehen will, wenn sich die Impfquote nicht verbessert. Diese stagniere seit Wochen. „Ab diesem Moment ist es die eigene Entscheidung der Impfverweigerer, sich früher oder später mit dem Virus zu infizieren“, sagt der Virologe. Es gehe nicht mehr alleine um die Inzidenz, sondern um die Hospitalisierungsrate.

„Die Regierung muss auch aufhören, auf Pressekonferenzen umständlich Verständnis für diejenigen zu zeigen, die die Impfung verweigern“, sagt Muller. „Das ist das völlig falsche Signal und äußerst kontraproduktiv.“

Des Weiteren kritisiert der Virologe die Art der Regierung, die Impfung, auch wenn ungewollt, schlechtzureden. „Die Regierung wiederholt immer wieder, dass man auch nach der Impfung infiziert und infektiös sein kann. Das ist sicher kein Anreiz, um sich impfen zu lassen. Sie sollte eher offenlegen, wie viele Impfdurchbrüche es gegeben hat – in Deutschland war dies bei 0,3 Prozent der 56 Millionen Geimpften der Fall – und wie viele Dritte von diesen infiziert wurden“, sagt Muller.

Zudem müsse mitgeteilt werden, wie viele Menschen mit Impfdurchbrüchen hospitalisiert wurden. „Diese Zahlen sollten denen der Ungeimpften gegenübergestellt werden. Man könnte auch die Reproduktionszahl unter Geimpften und Ungeimpften miteinander vergleichen. Hier rächt sich, dass diese Kommunikation von medizinischen Laien geführt wird“, bemerkt der Virologe.

Da hilft dann auch keine Impfwoche weiter

Claude Muller, Virologe beim Luxembourg Institute of Health

Ein Impfskeptiker, der die Pressekonferenz höre, könne sich beruhigt zurücklehnen und sagen, dass es okay ist, wenn er sich nicht impfen lasse. Hier werde einfach zu viel Verständnis für Nicht-Geimpfte vermittelt, so Muller.

Das „Impfparadox“

Man könne die Zahlen der Geimpften und Nicht-Geimpften in den Krankenhäusern nicht einfach gleichstellen. Hier handele es sich um das klassische „Impfparadox“: Deshalb müsse unbedingt beachtet werden, dass inzwischen 4,2-mal mehr Personen geimpft sind – also in Luxemburgs Fall rund 422.000 Menschen – als impfbare Nichtgeimpfte – also etwa 100.000 Menschen. „Gibt es etwa doppelt so viele Ungeimpfte als Geimpfte unter den Infizierten, so ist das Risiko der Infektion für Ungeimpfte 8,4-mal höher als für Geimpfte“, erklärt Muller.

Die Aussage der Gesundheitsministerin, dass es an der Presse sei, der Bevölkerung diese Informationen zu erklären, lässt der Virologe nicht gelten. Es sei definitiv die Aufgabe des Ministeriums, die Zahlen mit Blick auf das Impfparadox zu interpretieren und zu erklären. „Ohne Erklärung sind diese Zahlen Wasser auf die Mühlen der Impfskeptiker“, sagt der Virologe. Man dürfe sich daher nicht wundern, wenn die Impfquote immer weiter abflache. „Da hilft dann auch keine ‚Impfwoche‘ weiter“, so Muller.

J.C. Kemp
22. November 2021 - 16.39

30 mal lieber Dr. Muller zuhören als schwurbelden Ochsen.

de Plogeescht
22. November 2021 - 12.57

Ah jo, wann de Müller dat seet, dann ass dat e sou. Hien weess schliesslich wouvun hie schwätzt. Hien ass dach Virolog!

Paul
22. November 2021 - 7.33

Jawohl Herr Müller!

jojo
21. November 2021 - 19.10

Dr. Muller weiß immerhin wovon er redet. Was man bei den meisten, die alltäglich in der Oeffentlichkeit etwas zum besten geben, nicht der Fall ist.

klawir
21. November 2021 - 18.23

Es ist zu hoffen dass wir lieber früher als später die Impfpflicht bekommen. Es ist scheinbar die einzige Möglichkeit der Gängelei durch eine ungeimpfte Minderheit ein Ende zu bereiten. Dann wird sich auch die DP von ihrem liberalen Dogma des absoluten Impfpflichtausschlusses verabschieden müssen. Die Schwesterpartei FDP in D ist ja schon dabei sich zumindest in diese Richtung auf den Weg zu machen wenn auch nur für bestimmte Berufsgruppen. Und wie Herr Söder es zutreffend formulierte, ohne Impflicht geraten wir in eine Corona Dauerschleife. Auch wenn es Söder ist aber wo er Recht hat, hat er Recht.

Miette
20. November 2021 - 22.31

Der Virologe steht sicher nicht gerne im Mittelpunkt, Dr. Muller kann man wenigstens zuhören. Er verfügt über Sachkenntnis und erklärt sehr gut, was Sache ist. Für jeden verständlich??? Bleiben sie bitte alle gesund?

Celine
20. November 2021 - 20.03

Es kam aber wieder nicht ohne massiven Druck aus der Gesellschaft.

Charles HILD
20. November 2021 - 15.38

Mir hun am Fréijoer-Summer quasi all Woch vu neie Mutatiounen héieren. Eng méi schlëmm ewéi déi aner. Zënter August huet de Virus anscheinend opgehal ze mutéieren. Mir héiere näischt méi. Dobäi sinn d' Viraussetzungen zu esou Verännerungen ideal. Egal. Awer, mat deene ville Leit déi sech guer net impfe wëllen fäerten ech elo, dass dat Geboosters een Dauerzoustand gëtt. Villäicht musse mir ons vill méi heefeg boosteren: de Moment all 6 Méint, an engem Joer all Mound, an zwee Joer maache mer ons dann all Muerend nom Kaffi eng Boostersprëtz? Léif Politiker: ech wëll dat net! Dir must méi streng gin.

Gross
20. November 2021 - 15.12

@ Péitchen Dupont "Der Virologe, der so gern im Mittelpunkt steht, hat gesprochen." Mit Verlaub, Herr Präsident, ...

Péitchen Dupont
20. November 2021 - 12.57

Der Virologe, der so gern im Mittelpunkt steht, hat gesprochen.

Klod
20. November 2021 - 12.41

Dr.Muller,dessen kompetenz ich nicht abstreiten moechte,kriegt so langsam star status hierzulande...wie karl lauterbach auf der rechten moselseite. Zum glueck haben wir hier nocht nicht die unzaehligen talkshows,wo der arme mann dann jeden abend hinreisen muesste.

Ujheen
20. November 2021 - 12.05

Ech si geimpft. Aus Iwwerzeegung. An ech hu kee Verständnis fir konspirativ düster Theorien a fir Impfgéigner. Awer dee Muller jot mer all Kéiers kal Schudderen de Réck erof mat sengen Ausoen. Ech verdroen dee Mann net.

HTK
20. November 2021 - 11.55

Wir werden die Impfpflicht bekommen.Da gibt es anscheinend keine andere Möglichkeit. "La santé publique prime tout." sagte ein bekannter Anwalt vor ein paar Tagen. Was sind Freiheit und Demokratie wert wenn man am Tropf hängt und Menschen sterben. Diese Diskussion ist eine unnötige Zeitverplemperung die Menschleben kostet. Jeder Verweigerer muss das später mit sich selbst ausmachen,denn Anklagen wird es nicht geben. In Österreich ist der Laden dicht nachdem sich herausstellte,dass ein Pferdeentwurmungsmittel,welches ein hochrangiger Politiker empfohlen hatte, keine Wirkung zeigte. Man könnte herzlich lachen ob soviel Dummheit,wenn die Sache nicht so ernst wäre.

Herbert Battelier
20. November 2021 - 11.51

Sehr richtig, wenn die Kommunikation von vorne herein medizinischen Experten überlassen worden wäre, dann hätten wir viele der jetzigen Probleme nicht. Daten müssen immer richtig interpretiert der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, und ein gewisses Maß an Zurückhaltung ist dadurch natürlich geboten. So lobenswert „open Data“ Initiativen auch sein mögen, mit vermeintlicher Transparenz kommt immer die große Gefahr der Instrumentalisierung und Fehlinterpretation. Die europäischen Staaten einigen sich hoffentlich bald darauf eine gemeinsame Informationspolitik zu führen, damit abwegigen Meinungen von vorne herein ein Riegel vorgeschoben werden kann. Hier ist nicht nur das Großherzogtum gefragt, das muss in einem solidarischen Kraftakt aller Demokratien passieren.